Religion und Sport eng verbunden
Das blutige Spektakel verweist auf den Ursprung der Spiele: Schon die Pelasger, die Ureinwohner Griechenlands, veranstalteten zu Ehren der Götter Wettkämpfe und religiöse Zeremonien, die mitunter auch blutig endeten und sogar Menschenopfer beinhalteten.
Olympia wird abgeschafft
Religiöse Wettkämpfe zu Ehren der Götter waren aber nicht auf Olympia beschränkt, sondern fanden in vielen Teilen Griechenlands regelmässig statt. Keine guten Aussichten also im ganzen Land für Ochsen. Aufatmen durften diese erst 393 n. Chr: Die 293. Olympischen Spiele waren zugleich die letzten der Antike.
Kaiser Theodosius hatte im Jahr zuvor ein Edikt erlassen, mit dem alle heidnischen Kulte verboten wurden. Und das betraf auch die Wettkämpfe in Olympia. Der letzte Beweis dafür, dass Sport und Religion bei den Spielen der Antike untrennbar miteinander verbunden waren.
Neustart als «Völkerverständigung»
Der Gründer der Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin (1863-1937), griff bewusst auf den religiösen Aspekt der antiken Wettkämpfe zurück, wenn auch in abgewandelter Form. Coubertin wollte bei Sportlern und Zuschauern ein religiöses Empfinden wiedererwecken, verfolgte mit seiner olympischen Bewegung aber doch nur ein humanistisch-ethisches Ziel: Völkerverständigung und menschliche Vervollkommnung. Irdische Anliegen, die der Baron durch die kultische Ausgestaltung des Zeremoniells religiös überhöhen wollte.
Den verschiedenen Zeremonien, die bewusst an kultischen Handlungen orientiert waren, widmete Coubertin viel Aufmerksamkeit: Bis heute ziehen die Teilnehmer in einer feierlichen Prozession ins Stadion ein, wo sie dann (seit 1920) den gemeinschaftlichen Eid sprechen. Das Staatsoberhaupt des Gastgeberlandes eröffnet die Spiele mit einem im Wortlaut genau festgelegten Spruch.
Gottesdienst bei Eröffnungsfeier
Auch die Frage, ob ein Gottesdienst in den Rahmen der Eröffnungsfeier passte, beschäftigte Baron de Coubertin für viele Jahre. Bei den Spielen in Stockholm 1912 wagte er schliesslich das Experiment: ein einfacher Psalm, ein Gebet auf Schwedisch, ein Gebet auf Englisch – und fertig. Keine zehn Minuten dauerte dieser «Gottesdienst».
Coubertin war sich im Anschluss nicht sicher, ob er das rechte Mass gefunden hatte. In seinen Erinnerungen schrieb er später: «Wenn wir wie in Stockholm den Beginn der Wettbewerbe durch einen öffentlichen Gottesdienst begannen, zwangen wir die Athleten, daran teilzunehmen. Es waren aber zum Teil reife Männer, denen das missfallen konnte. Das ganze dauerte zehn Minuten, aber es lag etwas Erhabenes in dem tiefen Schweigen dieser Tausenden von Zusehern und Athleten. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass wir unsere Rechte überschritten.»
Zukünftig blieb es dem jeweiligen Veranstalter überlassen, eine kurze religiöse Feier von maximal drei Minuten abzuhalten. In den offiziellen olympischen Statuten war hierfür ein Platz unmittelbar vor der Eidesleistung der Athleten vorgesehen. Seit 1980 fehlt aber ein derartiger Hinweis in der Olympischen Charta.
Religiöse Dimension
Der österreichische Olympia-Kaplan Bernhard Maier ist schon seit 1984 bei den Olympischen Spielen dabei. Er sucht das Gespräch mit den Athleten, feiert mit ihnen Gottesdienst und steht für alle seelsorglichen Belange zur Verfügung.
Die Zeremonien seien zwar schön und mitreissend, so Maier, religiöse Erfahrungen mache man dabei aber keine mehr. Der Pater sieht eine seiner Aufgaben darin, Sportlern dabei zu helfen, ihre Erlebnisse auch religiös zu deuten. So gehört zum Sieg immer auch eine gehörige Portion Glück, weiss Maier zu berichten: «Der Athlet kann darüber nicht verfügen. Es wird ihm geschenkt und dieser Geschenkcharakter verweist immer auch auf eine religiöse Dimension.»
«Friedenswallfahrt» ins Stadion
Einer der Höhepunkte der Spiele sei immer auch der Einzug der Nationen bei der Eröffnungsfeier, so Maier. Dem bibelfesten Seelsorger kommt dabei die Verheissung der alttestamentlichen Propheten von der Völkerwallfahrt nach Jerusalem und dem verheissenen Reich des Friedens in den Sinn: «Wenn 200 Nationen einmarschieren, sind im Stadion praktisch alle Völker der Welt versammelt», und die Eröffnungszeremonie bekommt den Charakter einer Friedenswallfahrt.
So weit wollte Coubertin gar nicht gehen. Ihm war klar, dass die Idee des Olympischen Friedens nicht ausreichen würde, um internationale Konflikte zu überwinden. Er wollte aber zumindest mit seinen völkerverbindenden Spielen die "gegenseitige Achtung" stärken. Mehr als 10'000 Sportler und Millionen von Zuschauern haben dazu in den kommenden Wochen in London Gelegenheit.
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Datum: 28.07.2012
Quelle: Kipa