Laut Hammerschmidt-Hummel ist die Tatsache, dass Shakespeare ein aktiver und heimlicher Katholik gewesen sei, nicht nur als Hintergrundwissen für die Entstehung seiner Dramen von grosser Bedeutung. Es sei dies ausschlaggebend auch für das Deuten und Verstehen wichtiger Textstellen seiner Werke. "Die um 1601 einsetzende Wende zum Tragischen in Shakespeares Dramen, über deren Ursachen man bisher vergeblich gerätselt hatte, erklärt sich nun vor dem Hintergrund seiner Verwicklung in die atemberaubenden politischen Ereignisse jener Zeit", erläuterte die Shakespeare-Forscherin. In einer soeben von ihr vorgelegten Shakespeare-Biografie versucht sie ihre These mit nach ihren Angaben neuen Belegen zu untermauern. Diese Belege gehen auch ein auf Shakespeares Tätigkeit in der Zeit von 1585 bis 1592. Über diesen Zeitraum, die auch als „verlorene Jahre“ bezeichnet werden, war bisher laut Hammerschmidt-Hummel nichts bekannt. Nach ihren Forschungen hielt sich Shakespeare während dieser Zeit in Klöstern auf dem Kontinent auf. Obwohl es bereits im 19. Jahrhundert Vermutungen gegeben habe, der Dichter könne Katholik gewesen sein, habe dies in der massgeblichen englischsprachigen Shakespeare-Forschung keine Akzeptanz gefunden, so die Literaturwissenschaftlerin. Nach ihrer Darstellung liess man Hinweise auf Shakespeares Katholizismus nicht gelten. Die schriftliche Äusserung eines protestantischen Geistlichen aus dem 17. Jahrhundert, Shakespeare sei als „Papist“ gestorben, sei gar als „müssiges Geschwätz“ abgetan worden. „Aussagen dieser Art waren unerwünscht, drohten sie doch das jahrhundertealte fest gefügte Bild vom protestantischen Nationaldichter Englands zu beschädigen und einen Mythos zu zerstören“, erläuterte die Literaturwissenschaftlerin. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit Shakespeares müsse aber gestellt werden, weil es durch ihre Beantwortung möglich sei, „die Ungereimtheiten seines Lebens besser verstehen zu können“.„Verlorene Jahre“
Datum: 01.07.2003
Quelle: Kipa