Roms Katakomben werden erforscht

Als geheimer Treffpunkt und Zufluchtsort der frühen Christen Roms berühmt geworden, stammen die Katakomben vor den Toren des antiken Roms jedoch grösstenteils noch aus vorchristlicher Zeit und wurden später von Juden und Christen gleichermassen zur Bestattung der Toten genutzt.
Scan der Domitilla-Katakombe.
Zu den interessantesten Entdeckungen gehört eine Darstellung, die vielleicht die Titelheiligen der Katakombe, die Martyrer Nereus und Achilleus, zeigt.


Jetzt haben sich Wiener Wissenschaftler daran gemacht, das verzweigte Labyrinth unterhalb der ewigen Stadt detailgenau einzuscannen und präsentieren nun erste faszinierende dreidimensionale Karten der Nekropole.

Virtuelles Raummodell der Totenstadt

Drei Jahre lang hat das Team um Dr. Norbert Zimmermann vom Institut für Kulturgeschichte der Antike an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien die grösste von rund 60 Katakomben Roms, die Domitilla-Katakombe, mit einer Ausdehnung von 15 Kilometern unterirdischer Gänge, mit einer auf ein 3D-Laserscan-Verfahren gestützten Technik eingelesen, um erstmals ein virtuelles Raummodell der Totenstadt zu erstellen.

Pilgerzentrum

Hierbei war die Domitilla-Katakombe für die Wissenschaft von besonderem Interesse, da sie neben ihrer Ausdehnung und komplexen Struktur zugleich auch einen umfassenden Einblick in alle Phasen und Phänomene dieser frühchristlichen Nekropolen bietet: "Aus vereinzelten heidnischen Grabkammern und ersten anonymen Gemeindebestattungen des frühen 3. Jahrhunderts wuchs im Verlauf des 4. Jahrhunderts ein riesiges Galerienetz zusammen. Eine unterirdische Basilika bildete, nach dem Ende der Bestattungstätigkeit im 5. Jahrhundert, bis ins Mittelalter hinein ein Pilgerzentrum um die Gräber der verehrten Märtyrer Nereus und Achilleus.

Mit rund 80 ausgemalten Grabräumen bewahrt die Domitilla-Katakombe zudem einen der grössten Bestände an Katakombenmalerei überhaupt", erläutern die Forscher auf der Homepage des Projekts.


Individuelle Geschichte jeder Katakombe

Obwohl nach fast 400 Jahren Forschung bereits eine Reihe von Studien aus den diversen Fachdisziplinen vorliege, sei die Katakombe bis heute nur unzureichend erforscht und stehe so exemplarisch für den Forschungsstand zu einer Grosszahl der römischen Katakomben, erläutern die Forscher. "Zwar sind die generellen Züge ihrer Entstehung und Entwicklung mittlerweile bekannt, aber die individuelle Geschichte jeder einzelnen Katakombe ist im Detail kaum erarbeitet, da sie nur selten in ihrer Gesamtheit als archäologische Monumente behandelt wurden. Am meisten fehlt eine vollständige Dokumentation, die Vorraussetzung für eine Auseinandersetzung unter modernen methodischen Fragestellungen. Bislang steht die sehr gute Erhaltung der Katakomben noch im krassen Gegensatz zu ihrer wissenschaftlichen Verfügbarkeit und Bearbeitung."


Vielfältigen Malereien

Das virtuelle Raummodell bietet nun für die Auseinandersetzung mit der Katakombe eine völlig neue Grundlage. So können beispielsweise die topographischen Entwicklungen nachvollzogen und umfassend analysiert werden. In die digitale Umsetzung sind hinzu auch die vielfältigen Malereien integriert, die von den noch heidnisch geprägten Bildern des frühen 3. Jahrhunderts bis zu theologisch voll ausgereiften christlichen Bildprogrammen in Grabräumen des späten 4. Jahrhunderts reichen und teilweise noch gänzlich unpubliziert sind oder in der wissenschaftlichen Diskussion bislang nur selten Beachtung fanden.

Spätrömischen Gesellschaft reflektieren
Begleitend wertet ein internationales Forschungsteam die gewonnen Daten mit archäologischen, kunst- und sozialhistorischen Methoden kontextuell aus. Die Domitilla-Katakombe, die in ihrer Mikrogeschichte den generellen Wandlungsprozess der spätrömischen Gesellschaft reflektiert, soll auf diese Weise anschaulich und facettenreich erschlossen werden. Schon bald wollen die Forscher die erstellten Raummodelle auch öffentlich zugänglich machen.

Quelle: oeaw.ac.at/antike/grenzwissenschaft-aktuell

Datum: 20.07.2009

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