Streetparade in Zürch

Was will Gott mit «Duisburg» sagen?

Die Zürcher Streetparade vom Samstag müsste aus Solidarität mit den Opfern von Duisburg abgesagt werden. Das meint IGW-Rektor Fritz Peyer. Auf jeden Fall müsse sich die Gesellschaft nach den tragischen Ereignissen an der Loveparade unbequeme Fragen stellen.
Duisburg: Loveparade wird zum Albtraum
IGW-Rektor Fritz Peyer.

ideaSpektrum Schweiz: Nationalrat Andreas Brönnimann sagt in einem Interview mit unserem Magazin, Gott habe die Katastrophe von Duisburg zugelassen, aber nicht im Sinn einer Strafe. Einverstanden?
Fritz Peyer: Sterben, Katastrophen, Leid gehören zu unserem Leben und sind Ausdruck unserer Endlichkeit. Nach meiner Einschätzung spielte Gott weder in der Vorbereitung, noch in der Durchführung irgendeine Rolle. Die Masslosigkeit der Menschen hat Konsequenzen. Und eine solche Katastrophe kann die logische Folge eines unverantwortlichen Handelns sein. In diesem Sinne kann ich mich mit damit einverstanden erklären: Gott hat diese Katastrophe zugelassen. Doch wäre sie nicht passiert, würde man öffentlich nach Gott fragen? Kaum! So gilt auch: Gott lässt es offenbar auch zu, dass eine Loveparade durchgeführt wird. Aber ist damit alles in Ordnung?

Wenn Gott eine solche Katastrophe zulässt: Was will er damit sagen?
Auch auf einer «geilsten Party» gibt es Schmerz, Leid und Tod. Eine Spassgesellschaft kommt nicht um die Frage herum, wie sie mit Sterben umgehen will. Zweitens erinnern uns persönliche, familiäre, gesellschaftliche Katastrophen und Tragödien eindringlich an die Zerbrechlichkeit unseres eigenen Lebens, an unsere Endlichkeit und an die Grenzen unserer Machbarkeit. Es ist auf eine breite Diskussion zu hoffen, ob wir eine Gesellschaft sein wollen, welche die «ekstatische Enthemmung in der Masse» - so Gabriele Kuby im letzten «idea Spektrum» - weiterhin toleriert. Unbequeme und unzeitgemässe Fragen! Doch die Katastrophe von Duisburg könnte der Anstoss sein, sich nachhaltig darüber Gedanken zu machen.

Warum lässt Gott offensichtlich weltweit und im Kleinen immer mehr Leid zu?

Wir leben nicht in einer heilen Welt! Unsere Welt, unsere Gesellschaft ist aus theologischer Sicht auch eine von Gott getrennte und abgefallene Welt. Eine der Folgen davon sind Leid, Schmerzen, Zerstörung in unserem Leben. Erfahrungen mit Leid führen zu grundsätzlichen Fragen des Lebens und des Todes. Die Frage nach dem Sinn des Lebens muss hier angesiedelt werden. Die Sinnfrage führt zur Frage nach Gott! Gott selbst ist in Jesus Christus zu den Menschen gekommen. Gerade zu denen, die leiden, die verzweifeln, zu denen, die unter der Last zu zerbrechen drohen.

Wir erleben es derzeit: Die Katastrophen nehmen weltweit zu. Also doch biblisch-endzeitliches Geschehen?
Das Ausmass und die Intensität der heutigen Katastrophen mit den apokalyptischen Vorstellungen der Bibel zu beschreiben, ist naheliegend. Aber die Geschichte zeigt, dass es immer wieder Katastrophen von apokalyptischem Ausmass gab. Ich erinnere an den 30-jährigen Krieg, an die Spanische Grippe, das 20. Jahrhundert mit seinen beiden Weltkriegen. Aus dieser Perspektive hat die Häufigkeit und Intensität der Katastrophen apokalyptisches Ausmass.

Welches ist für Sie die eigentliche Katastrophe von Duisburg?
Dass die nächste «geile Party» kommt!

In Duisburg herrschen nach wie vor Wut und Zorn. Wie soll da Gottes Liebe sichtbar werden?
Wut und Zorn? Auf wen? Auf die Behörden, die die Party bewilligten? Auf die Veranstalter, welche die Party organisierten? Auf die Teilnehmer, welche bis 23 Uhr munter weiterfeierten? Auf die Gesellschaft, welche solche Veranstaltungen toleriert? Warum nicht auf sich selbst? Zorn und Wut sind aber auch Ausdruck der eigenen Ohnmacht, angesichts des Todes. Und das ist verständlich. Ein gutes Beispiel für die Liebe Gottes in diesem Geschehen sehe ich im Porträt über Werner Nachtigal in der letzten «Spektrum»-Ausgabe. Christen sind in unmittelbarer Nähe der Katastrophe. Sie reden mit den Betroffenen, beten mit ihnen. Sie sind da. Das ist Zeichen der Liebe Gottes, dass er mitten im Geschehen ist.

Ihre Hoffnung nach der Tragödie von Duisburg?
Ich habe Hoffnung, dass einige nachdenklich geworden sind: Was machen wir denn eigentlich? Will ich das noch einmal? Es werden nur wenige sein, die zur Besinnung kommen. Aber das ist doch eine kleine Hoffnung!

Mit welchen Gefühlen denken Sie an die Zürcher Streetparade vom Samstag?

Eigentlich müsste die Streetparade aus Solidarität mit den Opfern in Duisburg abgesagt werden. Ein europäisches Moratorium zu solchen Veranstaltungen würde Politik, Behörden und Veranstaltern sowie der Gesellschaft Gelegenheit geben, über den Sinn solcher Veranstaltungen zu diskutieren.

Fritz Peyer-Müller, Dr. theol., 58, verheiratet, ein Sohn, wohnhaft in Lützelfluh BE. Seit 2002 Rektor von IGW International (Institut für Gemeindebau und Weltmission) in Zürich. Stiftungsratspräsident der Stiftung Bildung und Forschung, Zürich. Webseite: www.igw.edu

Datum: 13.08.2010
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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