X-mas inside?
Manchen US-amerikanischen Christen geht es zunehmend auf die Nerven, dass sich das Fest weit von der biblischen Geschichte entfernt hat. Es stört sie, wenn «Christmas» in der Werbung zu «X-mas» abgekürzt wird und wenn die Verkäuferin kein «frohes Weihnachten» wünscht, sondern religionsneutral ein «frohes Fest».
Weihnachten «richtig» feiern
Rechtzeitig zum Weihnachtsfest – beziehungsweise zu «den Feiertagen» – ist in den USA ein neuer Film auf den Markt gekommen. Titel: «Christmas with a Capital C» («Weihnachten mit einem grossen C»); in der Hauptrolle Daniel Baldwin, produziert von der evangelikalen Firma Pure Flix. Vermarktet wird der Film über Kirchgemeinden.
Der Streifen spielt in dem imaginären Städtchen Trapper Falls, wo man Weihnachten «richtig» feiert und eine Krippe vor dem Rathaus aufbaut. Ein Rechtsanwalt aber zieht vor Gericht, weil das Jesuskind nicht auf den öffentlichen Platz vor das Rathaus gehöre. Das widerspräche dem Verfassungsgrundsatz der Trennung von Kirche und Staat. Im Film gibt es ein Happyend; selbst der Rechtsanwalt feiert letztendlich Weihnachten mit.
Nur im Doppelpack
Im realen Leben enden rechtliche Auseinandersetzungen über Weihnachtsausstellungen gewöhnlich anders. Nach Urteilen des Obersten US-Gerichtes dürfen in den USA weihnachtliche Darbietungen religiöser Natur nicht auf öffentlichen Plätzen und schon gar nicht in Regierungsgebäuden oder Schulen präsentiert werden, es sei denn, zusammen mit Religiösem kommen auch nicht-christliche Festtagsmotive zum Ausdruck. Also kein Jesuskind ohne Santa Claus, kein «Stille Nacht» bei der Schulfeier ohne das Lied über Frosty, den Schneemann.
Ein alter Streit
Über keinen Festtag hat man sich je so heftig gestritten wie über Weihnachten, meint der Historiker Stephen Nissenbaum von der University of Massachusetts. Dabei ist Weihnachten, der 25. Dezember, erst seit dem Jahr 1870 ein gesetzlicher Feiertag.
Die gern beschworene «gute alte Zeit» eines idyllischen, traditionellen Weihnachten habe es in den USA nie gegeben, sagt der Historiker. Im 17. Jahrhundert hätten calvinistische Siedler im Nordosten der USA das Fest gar ganz verboten. Begründung: Mit der Bibel könne man den Feiertag nicht erklären. In Boston etwa habe die Strafe für das Weihnachtenfeiern fünf Schillinge betragen.
Zwar hat sich das Weihnachtsfest trotzdem durchgesetzt. Allerdings wurde es «früher nicht so besinnlich begangen, wie wir uns das heute vorstellen», erklärt Nissenbaum in seinem Buch «The Battle for Christmas» (Kampf um Weihnachten): Bis ins 19. Jahrhundert hinein sei Weihnachten zu ausgelassenen karnevalartigen Feiern genutzt worden. Junge Männer aus den Unterschichten zogen oft randalierend zu den Häusern der Wohlhabenden mit «Bitten» um starke Getränke und Geld.
Erst allmählich wurde Weihnachten zum Familienfest und mit Hilfe des Mythos von Santa Claus kommerzialisiert. Der bringt in den USA die Geschenke, nachdem die Kinder ihm in den Einkaufszentren ihre Wünsche ins Ohr geflüstert haben.
Der Mythos vom Schlotfeger-Nikolaus
Der New Yorker Multimillionär und Theologieprofessor Clement Clarke Moore hatte diesen Weihnachtsmann in Anlehnung an den Nikolaus und den niederländischen Sinter Klaas durch ein Gedicht «ins Leben gerufen»: Er veröffentlichte 1822 «A Visit from St. Nicholas», das heute wohl berühmteste Gedicht der USA.
Darin kommt Santa Claus mit einem von Rentieren gezogenen Schlitten daher und steigt in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember durch den Kamin in die Wohnungen, um Geschenke zu bringen. Diese Santa-Claus-Geschichte wurde begeistert aufgenommen – auch von den Geschäften und später von der Werbeindustrie.
«Krieg gegen Weihnachten»
Der evangelikale Verband Liberty Counsel hat sich in diesem Jahr eine besondere Mühe gemacht. Er hat ein Verzeichnis von denjenigen Einkaufsketten erstellt, die in der Werbung nicht von «Weihnachten» sprechen, sondern nur von den «Festtagen». Ergebnis: «Weihnachten» überwiegt zwar in der Werbung, aber es gibt auch grosse Elektronik- und Bekleidungsunternehmen, die von «Christmas» gleich gar nichts sagen.
Das sei doch ein regelrechter «Krieg gegen Weihnachten», kritisiert Verbandsvorsitzender Mathew Staver. Wenn Geschäfte von Weihnachten profitieren wollten, ohne Weihnachten zu erwähnen, «dann gehen wir zur Konkurrenz».
Datum: 16.12.2010
Quelle: Epd