Die Botschaft des Bauerndichters im 21. Jahrhundert
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Gotthelf ein Revival in Form von Hörspielen und Filmen. Seither ist es um ihn stiller geworden. Zu Unrecht, fand Beat Weber, denn: «Gotthelfs Werke sind von schriftstellerischer Brillanz und bleibender Bedeutung.» Er belegt das in seinem Buch mit dem Titel «Den anderen Jeremias Gotthelf neu zu Wort kommen lassen». Und mit dem träfen Gotthelf-Zitat auf dem Cover: «Wenn keine Religion mehr ist, da geht alles auseinander.»
Ein Spiegel, in dem sich der Mensch erkennen soll
Auf rund 180 Seiten erlebt der Leser einen Querschnitt durch die Werke Gotthelfs und staunt tatsächlich über die Aktualität seines Werkes. Angefangen mit dem «Bauernspiegel», der Geschichte über den «Verdingbub» Mias, der sich nach Liebe sehnt, immer wieder enttäuscht wird und schliesslich doch als geachteter Erzieher endet. Und der Dichter hält darin nicht nur den Bauern einen Spiegel vor, sondern auch unwürdigen Pfarrkollegen und eigennützigen Beamten.
Starke Symbole
Weber weist dabei auf die Bedeutung des Namen des Dichters hin, der eigentlich Albert Bitzius heisst. Er fühlt sich wie der alttestamentliche Prophet Jeremias, der dem Volk eine unbequeme Botschaft mitteilen muss. Mit «Gotthelf» bekennt er sich dazu, bei seiner Schriftstellerei auf die Hilfe Gottes angewiesen zu sein, wenn er schonungslos Charaktere schildert, mit denen sich Menschen auseinandersetzen müssen, die sich nach Liebe und Frieden sehnen. Weber legt den Schwerpunkt darauf, diese Charaktergestalten hervorzuheben und sie in die damaligen Verhältnisse einzubetten: Christen, Anneli, Bänz, Schnitzfritz, Pfeffergret, Anne Bäbi Jowäger… Ebenso haben die Hof- und Dorfnamen symbolische Bedeutung: Dorngrüt, Blitzloch, Liebiwyl, Stritiwyl… LeserInnen erhalten mit der Zusammenfassung der Erzählungen und Originaltexten gleichzeitig einen Überblick über das ganze Schaffen des Bauerndichters.
Zeitlose Bedeutung
Er macht aber auch die Weltsicht des Dichters deutlich: eine Gesellschaft, die sich an den Säulen des christlichen Glaubens, dem Evangelium und den daraus hervorgehenden Werten orientiert. Typisch dafür ist das von alt Bundesrat Adolf Ogi gerne zitierte Gotthelf-Wort: «Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterlande.» Weber sagt es so und begründet damit, weshalb er vom «andern» Gotthelf spricht: Mit ihm soll «ein für uns wichtiges, aber oft zu wenig beachtetes Anliegen ins Licht gestellt werden: Die Religion, der gelebte christliche Glaube, erweist sich als Mitte und lebensgestaltende Kraft des familiären und gesellschaftlichen Zusammenlebens… Ohne diesen Glauben fehlt der Zusammenhalt in den Häusern und im öffentlichen Leben.» Gotthelf habe seine Werke überwiegend in Zeiten grosser Umwälzungen geschrieben habe. Das zeige seine zeitlose Bedeutung gerade für heute.
Zum Thema:
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Datum: 19.01.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet