Tschüss Christentum?

Deutschland: Mehr Bewusstsein, weniger Glaube

Der Glaubenspegel in Deutschland sinkt deutlich. Zugleich nimmt aber das Bewusstsein für die christliche Prägung im Land zu. Diesen auf den ersten Blick widersprüchlichen Befund zeigen neueste Umfragen.
Mann sitzt in der Kirche (Symbolbild)

Zu christlichen Hochfesten (Weihnachten, Ostern) befassen sich die Medien regelmässig mit dem Zustand und der Akzeptanz der christlichen Kirchen in Deutschland. Nach einer Umfrage des Instituts in Allensbach verlieren viele christliche Grundüberzeugungen selbst im christlich geprägten Westen des Landes stark an Zustimmung, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet: Immer weniger Menschen glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist (44 Prozent Zustimmung), dass Gott die Welt geschaffen hat (33 Prozent), dass die Toten auferstehen und es ein Reich Gottes gibt (28 Prozent) und an die Dreieinigkeit Gottes (25 Prozent).

Glaubenspraxis schwindet

Doch nicht nur die Überzeugungen schwinden, sondern auch die Praxis des Glaubens: Nach der Wiedervereinigung gehörten 72 Prozent eine der beiden grossen Kirchen an, heute sind es noch rund 55 Prozent. Nur noch ein Drittel von ihnen geht «ab und zu» in den Gottesdienst.

Und unter denen, die zur Kirche gehören, läuft es nach dem Prinzip «ganz oder gar nicht». Entweder glauben Menschen und beteiligen sich am kirchlichen Leben oder sie sind komplett unreligiös, ein «Dazwischen» nimmt deutlich ab. Das zeigt die Studie «Erhebung der Kirchenmitgliedschaft» der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Zahl der Kirchenmitglieder, die sich mit ihrer Kirche nur «etwas verbunden» fühlen hat sich von 36 Prozent im Zeitraum 2002/2004 auf heute 25 Prozent deutlich verringert. Sie haben weder Interesse an der Institution noch Berührung mit deren religiöser Praxis.

Das «Dazwischen» nimmt ab

So ergibt sich beim Vergleich mit der vorherigen EKD-Untersuchung aus den Jahren 2002 bis 2004, dass mittlerweile deutlich weniger Protestanten von sich sagen, sie fühlten sich ihrer Kirche «etwas verbunden». 2002/2004 waren diese Christen auf Halbdistanz, wie sie hier bezeichnet werden, zu 36 Prozent vertreten, jetzt sind es nur noch 25 Prozent. Deutlich gestiegen hingegen ist der Anteil jener, die sich «sehr» oder «ziemlich verbunden» fühlen, nämlich von 38 auf 43 Prozent. Zugleich wächst, sozusagen am entgegengesetzten Ende, die Gruppe derer, die sich «kaum» oder überhaupt nicht verbunden» fühlen. Ihr Anteil stieg von 26 auf 32 Prozent. Fast ein Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder hat somit weder Interesse an der Institution noch Berührung mit deren religiöser Praxis.

«Vage Spiritualität»

Richtet man den Blick auf den Glauben der Gesamtgesellschaft, dann dominiert, so die Ergebnisse der Allensbacher Studie, eine «eher vage Spiritualität»: 48 Prozent der Westdeutschen glauben, dass es «irgendeine überirdische Macht» gibt, der Glaube an Engel stieg von 22 Prozent (im Jahr 1986) auf 30 Prozent, der Glaube an Wunder sogar von 33 Prozent (im Jahr 1986) auf heute 51 Prozent.

Christliche Prägung wird bejaht

Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Menschen, die sagen, dass Deutschland durch das Christentum und durch christliche Werte geprägt ist, in nur fünf Jahren von 48 Prozent (2012) auf 63 Prozent stieg. 56 Prozent meinen, dass Deutschland ein christliches Land und es in der Öffentlichkeit auch zeigen sollte. So sind 85 Prozent dagegen, dass ein christlicher Feiertag zugunsten eines muslimischen eingetauscht werden sollte. Lediglich 28 Prozent sprechen sich dafür aus, christlich Symbole aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

«Der christliche Glaube erodiert, doch das Gefühl der Zugehörigkeit zur christlichen Kulturtradition ist nach wie vor stark.» So resümiert das Allensbacher Institut diese Befund. Das zeige sich auch darin, dass viele christliche Weihnachtsbräuche (Festessen, Geschenke, Weihnachtsbaum, Krippe, Vorlesen der Weihnachtsgeschichte) bei vielen weiterhin Bedeutung haben.

Weniger Menschen im Weihnachtsgottesdienst

So liegt es auf der Hand, dass die stärkere Sicht für die christliche Prägung kein Ausdruck von zunehmender Frömmigkeit ist. Das zeigt sich auch darin, dass die Kirche an Weihnachten wieder gut besucht sind, aber auch das in abnehmendem Masse: Nach einer Umfrage des Insa-Instituts wird nur jeder fünfte zum Weihnachtsgottesdienst gehen. Selbst unter denen, die zu einer Kirche gehören, wird nur eine Minderheit den Weihnachtsgottesdienst besuchen: So wollen lediglich 43 Prozent der evangelisch-freikirchlichen Christen, 36 Prozent der römisch-katholischen Christen und 31 Prozent der evangelisch-landeskirchlichen Christen einen Weihnachtsgottesdienst besuchen.

Zum Thema:
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Datum: 21.12.2017
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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