„Nichts ist spannender als die Wahrheit“

Vom ARD zu Bibel-TV um Werte und Gottes Wort zu vermitteln
Viele vertrauen heute nicht mehr den Kirchen
Via Fernsehen die Botschaft der Bibel verbreiten

Von der ARD zu Bibel TV: Der ehemalige Fernsehdirektor Henning Röhl will Werte vermitteln und Gottes Wort neu zum Thema machen.

Henning Röhl (59) ist verheiratet mit Andrea und hat vier Kinder. Aufgewachsen ist er in Schleswig-Holstein. Von Kindesbeinen an ist er als Sohn eines evangelischen Pastors stark durch den christlichen Glauben geprägt worden, der ihm ein ständiger Wegbegleiter blieb. In seiner Freizeit geniesst er es, Gedichte oder Biographien zu lesen.

Hörfunk- und Fernsehjournalist
Nach dem Studium der Fächer Philosophie, Geschichte und Germanistik absolvierte Henning Röhl ein Volontariat beim Südwestfunk in Baden-Baden, Dort zunächst als Politik-Journalist im Hörfunk tätig, wurde er 1978 stellvertretender Chefredakteur. Nach dem Wechsel zum NDR wählte man ihn 1988 zum Chefredakteur von"ARD-Aktuell" (Tagesschau und Tagesthemen). 1991 übernahm Röhl die Drei-Länderanstalt MDR. Fünf Jahre später übertrug man ihm dort die Aufgabe des Intendanten, die er bis September 2001 ausübte. Seit Oktober 2001 ist Henning Röhl Geschäftsführer von Bibel TV.

Der christliche Sender: BIBEL TV
Ein erfolgreicher Fernsehdirektor verlässt die grosse Bühne der tagesaktuellen Rundfunkanstalten und widmet sich dem Aufbau eines digitalen Spartenkanals. Zur Zeit sendet der digitale Spartenkanal in rund zwei Millionen Haushalte. Jeden Sonntag um 10 Uhr auf NBC und in den digitalen Angeboten von Kabel Deutschland. Für Henning Röhl ist die Leitung von Bibel TV ein schöner Abschluss seines Berufslebens, zugleich aber auch ein Anfang - eine Investition in die Zukunft der deutschen Fernsehlandschaft und Gesellschaft. Seine Ziele, Werte und Visionen verrät er im Gespräch mit Neuem Leben:

Neues Leben: Bibel TV sendet nun seit einem halben Jahr. Ihr erstes Fazit?
Vieles ist noch verbesserungswürdig. Aber insgesamt haben wir eine beachtliche Leistung erbracht: Wir strahlen ein 24-Stunden Programm aus. Zwar mit vielen Wiederholungen, aber das ist bei einem Spartenkanal gar nicht anders machbar. Und sehr glücklich sind wir über die vielen Zuschauerreaktionen. Wir hätten in den ersten Monaten nicht mit dieser breiten Resonanz gerechnet.

Was schreiben die Zuschauer denn so?
Nur ein positives Beispiel: Eines Tages finde ich auf unserem Konto eine Überweisung von mehreren Hundert Euro von einem Ungarn, der uns darauf eine E-Mail schickt: "Wir sind so begeistert, dass wir hier in Budapest ein christliches Programm auch auf Deutsch sehen können, wir wollen Euch unterstützen." Über solche Rückmeldungen freuen wir uns natürlich sehr.

Wie versteht sich Bibel TV? Als ein Gegenpol oder als Ergänzung zum sonstigen Fernsehangebot?
Ich mag in dem Fall nicht in Gegensätzen denken. Bibel TV ist kein Gegenpol. Dazu sind wir auch zu klein und von den Inhalten noch zu begrenzt. Aber wir sind eine wichtige Ergänzung und ein Vorreiter für andere Programme, die in dieser Art und Weise sicher kommen werden. Denn ich glaube, dass wir in einigen Jahren eine ganze Plattform von christlichen Programmen in Deutschland haben werden.

Wird sich dieses Senderangebot dann konfessionell unterscheiden?
Das kann sein - ich hoffe es aber nicht! Die Kirchen arbeiten mir zu oft gegeneinander. Ich glaube, in einer Gesellschaft, in der Kirche und Christen so sehr in der Minderheit sind wie bei uns, sollte man versuchen, mit vereinten Kräften Veränderungen zu schaffen. Und nicht seine Kräfte daran verschleissen, dass man eher kritisch auf den anderen aufpasst und versucht, sich möglichst abzugrenzen.

Veränderungen in der Gesellschaft werden stark durch das Fernsehen vermittelt und geprägt. Sie scheinen zu hoffen, dass Fernsehen auch tiefe positive Werte vermitteln kann.
Diesbezüglich gibt es ja eine ganze Reihe von Forschungen. Es lässt sich ganz einfach feststellen: Fernsehen ist heutzutage das wichtigste Medium. Viele Leute verbringen ihre meiste Freizeit vor dem Fernseher - das ist leider so. Insofern erzielt das Fernsehen in seinem ganzen Spektrum auch grosse Wirkungen. In der bewussten Aufnahme von Inhalten wie auch im Unbewussten. Von daher ist es wichtig, dass man sich um das Fernsehen kümmert und es möglichst konstruktiv einsetzt.

Sendungen über Lebensfragen scheinen mehr und mehr Konjunktur zu haben. Warum wird der Ruf nach Werten immer wichtiger?
Diese Wertediskussion kommt nicht von ungefähr. Wir leben in einer Zeit, in der vielen Leuten die Orientierungsmassstäbe abhanden gekommen sind. Werte, an denen man sich orientieren kann, stehen unter dem Einfluss einer ganzen Reihe von Ereignissen, zum Beispiel der Entchristlichung unserer Gesellschaft. Auch der Wegfall der beiden grossen politischen Blöcke, in der sich jede Seite Gedanken über ihre Wurzeln und Selbstdefiniton gemacht hat, spielt eine wesentliche Rolle. Ausserdem werden die Probleme in unserer Gesellschaft mittlerweile so gross, dass der Einzelne sich fragt: Lohnt sich das noch? Wir müssen unsere Gesellschaft sehr stark reformieren, und zwar unser gesamtes Wirtschaftssystem, unser gesamtes Gesellschaftssystem. Das wird uns jedoch nur gelingen, wenn wir auch einen Wertemassstab, Zielvorstellungen und einen Orientierungsrahmen für die Neuformulierung besitzen.

Stichwort "Entchristlichung unserer Gesellschaft". Laut einer Umfrage des World Economic Forums vertrauen nur 39 der Deutschen religiösen Organisationen wie der Institution Kirche. Wer bestimmt die Werte, wenn es nicht mehr Kirche und Glaube tun?
Das ist eben ein grosses Problem! Die christlichen Kirchen, mit ihren gemeinsamen Grundlagen, müssen versuchen, wieder eine stärkere Rolle zu spielen. Zudem sind die Werte unserer Staatsphilosophie ja auch im Grundgesetz vorgegeben. Allerdings sollte dieser Staat nicht versuchen, alles zu regeln, nicht versuchen, überall seine Bürger bei der Hand zu nehmen - von der Kinderwiege bis zur Bahre - das wäre reinster Sozialismus. Die individuelle Freiheit, die auch etwas mit dem christlichen Menschenbild zu tun hat, sollte stärker als bisher gewährleistet sein, mit allen Vor- und Nachteilen.

Bietet das christliche Menschenbild konkrete Ansatzpunkte, Werte neu in der Gesellschaft zu verankern?
Die Würde und Individualität des Menschen ist ja erklärbar durch seine Gottähnlichkeit. Und wenn man den Menschen von daher sieht, dann ergeben sich daraus ganz wesentliche Definitionen von Menschenwürde, Freiheit und Menschenrechten. Diese Perspektive muss in unserer Gesellschaft wieder stärker zum Vorschein kommen. Denn dieses christliche Menschenbild regt auch Nichtchristen immer wieder zu Diskussionen und zum Nachdenken an. So bestimmte der grossartige Gedanke der Gottesebenbildlichkeit zum Beispiel den Philosophen Jürgen Habermas ganz entscheidend bei seiner Rede, als er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat - und Habermas ist kein Christ, das hat er ausdrücklich gesagt.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie man Erkenntnisse konkret umsetzt und Werte auf lange Sicht in der Gesellschaft integrieren kann.
Ein Hauptproblem unserer Zeit ist die Schnelllebigkeit. Ein Thema jagt das andere und dabei vergessen wir viel zu schnell Wesentliches. Das halte ich für ein grosses Problem, aber es ist vor allem ein deutsches Problem. Man kann Grundwerte formulieren, sie leben und sie erziehen. Aber man muss anfangen, in den Schulen - und da gibt es mittlerweile ja auch einige Ansätze.

Ein deutsches Problem? Haben Sie in anderen Ländern andere Erfahrungen gemacht?
Ja, in Amerika. Dort gibt es ein sehr viel stärkeres Wertebewusstsein. In Deutschland wird sehr viel über die Oberflächlichkeit der Amerikaner geschimpft, gelästert und gelacht, aber ich sehe dort eine große Begeisterungsfähigkeit und sehr viel mehr Bereitschaft zu helfen als bei uns in Deutschland - eine erstaunliche Bereitschaft, für den anderen da zu sein.

Einige der Produktionen für Bibel TV werden von Ihnen in den USA eingekauft. Können wir in Bezug auf christliche Inhalte auch etwas von den Amerikanern lernen?
Die Amerikaner haben sehr viel mehr erkannt, dass das Fernsehen auch ein Instrument der Verkündigung ist. Die Botschaft der Bibel via Fernsehen zu verbreiten, dürfen wir nicht auslassen - es gehört einfach dazu. Ich finde es aber wichtig, dass wir selber Sender aufbauen, bevor Amerikaner bei uns christliche Kanäle ins Leben rufen.

Sehen Sie auch Gefahren einer medienwirksamen Aufbereitung des Evangeliums?
Natürlich kann das immer nur ein Teil sein. Die personale Kommunikation fehlt völlig über das Medium Fernsehen. Es ist nur eine Ergänzung des persönlichen Gesprächs, des Gemeindelebens, der Hauskreise, der gemeinsamen Arbeit - aber eine positive. Vielleicht gibt es auch die Gefahr, dass manches, was wir senden, Leute abstösst oder ärgert, weil es zum Teil doch sehr angelsächsisch geprägt ist. Allerdings gibt es in Deutschland bislang recht wenig Material.

Wird das Fernsehen also künftig eine besondere Rolle bei der Verkündigung einnehmen?
Ja, es wird bekannt machen mit christlichen Inhalten. Vieles, was wir an christlichen Dingen haben, kennt ja heute kaum noch jemand. Fernsehen kann - so wie wir es machen - aus der Bibel vorlesen, kann aber auch die Bibel interpretieren. Bedeutsam ist vor allem die Eigenschaft des Fernsehens, Geschichten zu erzählen - hier also biblische Geschichten. Und dadurch kann es neue Interessenten gewinnen. Fernsehen ist durchaus ein glaubenweckendes Medium. Da gibt es eine Menge von Möglichkeiten. Wichtig ist für mich auch die Musik. Mittlerweile gibt es ja eine grosse populäre christliche Musikbewegung, die auch über das Fernsehen bekannt gemacht werden kann. Insgesamt sind Medien wirklich nur ein winziger, kleiner Teil der christlichen Arbeit. Sie machen keine Gottesdienste oder Bibelarbeiten überflüssig. Im Gegenteil, sie wollen anregen, dass Leute einmal direkt vor Ort reinschauen und sich damit näher befassen. Das christliche Fernsehen ist eine Einladung und Information - mehr kann es gar nicht sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Datum: 01.06.2003
Autor: Stefan Rüth
Quelle: Neues Leben

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