Vom Tod zum Leben

«Ich sage dir, steh auf!»

Für Jesus ist immer das menschliche Leid von zentraler Bedeutung. Der Bestsellerautor Titus Müller hat eine besonders anrührende Geschichte nacherzählt: wie Jesus eine Beerdigung mächtig durcheinanderbrachte. Es gibt ein Leben nach dem Tod.
Vom Tod zum Leben
Vom Tod zum Leben
Vom Tod zum Leben
Vom Tod zum Leben

«Kurz darauf kam Jesus mit seinen Jüngern in die Stadt Nain. Wieder folgte ihm eine grosse Menschenmenge. Als er sich dem Stadttor näherte, kam ihm ein Trauerzug entgegen. Der Verstorbene war der einzige Sohn einer Witwe. Viele Trauergäste aus der Stadt begleiteten die Frau. Als Jesus, der Herr, sie sah, war er von ihrem Leid tief bewegt. ‚Weine nicht!‘, tröstete er sie. Er ging zu der Bahre und legte seine Hand darauf. Die Träger blieben stehen. Jesus sagte zu dem toten Jungen: ‚Ich befehle dir: Steh auf!‘ Da setzte sich der Junge auf und begann zu sprechen. So gab Jesus der Mutter ihr Kind zurück. Alle erschraken über das, was sie gesehen hatten. Dann aber lobten sie Gott und sagten: ‚Gott hat uns einen mächtigen Propheten geschickt, er wendet sich seinem Volk wieder zu.‘ Bald wusste jeder in ganz Judäa und in den angrenzenden Gebieten, was Jesus getan hatte.» (Die Bibel, Lukasevangelium, Kapitel 7, Verse 11–17)

Thaddäus verlangsamte seine Schritte. Er ließ die anderen vorgehen und mit Jesus debattieren, ihm war heute nicht danach. Seit Stunden liefen sie an abgeernteten Stoppelfeldern vorüber, das stimmte ihn melancholisch. Jetzt leuchteten auch noch weissgewaschene steinerne Grabtüren in den Hügelhängen. Der Anblick der verschlossenen Grabhöhlen senkte die Schwermut tief in sein Herz. Was nützte es, so viel von Jesus zu lernen? Auch auf sie wartete der Tod. Wie das Wasser unaufhörlich den Jordan hinab floss, zerrann ihre Lebenszeit.

Die Sadduzäer hatten recht: Wer starb, war endgültig tot

Die religiöse Gruppe Sadduzäer hatten recht, man musste nüchtern sein, es gab keine Auferstehung. Das waren Märchen. Wer starb, war endgültig fort. Der Tod währte ewig.

Jesus drehte sich um und sah nach ihm. Der fragende Blick des Meisters rührte ihn an. Wie es Jesus immer gelang, die Stimmungen anderer zu erspüren! Der Meister lächelte aufmunternd und wandte sich dann wieder dem Gespräch mit den anderen zu.

Seltsam, dass hier keiner mit einem Ochsengespann über den Acker fuhr, um die Stoppeln unterzupflügen. Auch die Weinberge waren menschenleer. Feierte man eine große Hochzeit in Nain? Warum arbeiteten die Menschen nicht?

Eine neue Ortschaft zu betreten, war jedes Mal spannungsreich. Wie würde man sie hier empfangen? Nicht weit entfernt, in Nazareth, hatte die Bevölkerung versucht, Jesus umzubringen. Das war gewesen, bevor er Schüler gehabt hatte, die Geschichte kannte jeder. Was, wenn es wieder zu einem solchen Aufruhr kam? Petrus besass ein Schwert, die beiden Donnersöhne feste Wanderstecken. Aber zu dritt würden sie den Meister wohl kaum verteidigen können. Falls es schwierig werden würde, flohen sie am besten zur großen Überlandstraße von Ägypten nach Damaskus, die nördlich hinter Nain durch die Ebene führte.

Philippus zeigte fröhlich auf die Gärten am Ortsrand. «Granatäpfel», rief er, «und Feigen!» Thaddäus stutzte. War das Trauergesang? Tatsächlich: Wo die Dorfstrasse das dichte Gedränge der Häuser verliess, zog eine Trauergemeinschaft hinaus, ihnen entgegen. Die Flötenklänge und das Schreien und Weinen der angeheuerten Klageweiber zerrten an seiner Brust.

Immer näher kam der Trauerzug. Die Frauen gingen vorneweg, hinter ihnen folgten die Männer. Vier Männer spielten auf ihren Flöten ein schwermütiges Lied. Der Tote, den seine Freunde und Verwandten auf einer Bahre trugen, war noch jung, er war in Thaddäus’ Alter. Neben der Bahre lief eine Frau, die Mutter wohl. Sie sah unablässig hinauf und hatte die Hand an den Arm des Toten gelegt, als wollte sie ihn nicht loslassen.

Die Mutter war anders: Sie schrie nicht

Sie schrie nicht, wie es sich gehörte, sie zerriss nicht ihr Gewand und warf sich keinen Sand in die Haare. In keiner Weise erfüllte sie die gesellschaftlichen Erwartungen. Selbst wenn sie den Verstorbenen nicht vermisste, selbst wenn sie keine Trauer verspürte – lautes Schreien und Weinen waren das Mindeste, das sie ihm schuldete. Und sie trauerte doch! Das sah man deutlich, ihr liefen die Tränen über das Gesicht, während sie blass und stumm neben der Bahre herging.

So werde ich auch einmal getragen, dachte Thaddäus. Wer weiss, wie viel Zeit mir bis dahin bleibt? Hände und Füsse des Toten waren mit Leinentüchern umwickelt, und das Leichenhemd reichte ihm bis zu den Knien. Er sah abgehärmt aus, sicher war er an einer Krankheit gestorben. Er duftete kräftig nach Nardenöl. Die Mutter hatte keine Kosten gescheut, wenn sie schon nicht laut schrie, immerhin hatte sie den Toten mit teurem Öl bestrichen.

Judas und Andreas machten Platz, auch die anderen traten beiseite, um die Prozession vorüberzulassen. Bis auf Jesus. Unverschämt blieb er auf dem Weg stehen. Die Träger sahen ihn verwirrt an, sie blieben stehen. Jesus trat auf die trauernde Frau zu. Er wollte sie doch nicht etwa ansprechen?
«Weine nicht», sagte Jesus.

Die Flötenmusik verstummte.
Einer der Männer, die den Toten trugen, rügte ihn: «Wie kannst du so etwas zu ihr sagen!» Ein anderer ergänzte: «Sie ist Witwe, er war ihr einziger Sohn. Da soll sie nicht trauern?»
Jesus achtete gar nicht darauf. Er sah der Frau ins tränennasse Gesicht, voller Mitleid, und wiederholte: «Weine nicht.» Er berührte ihren Arm.

Thaddäus hielt die Luft an. Was wagte Jesus! Diese Frau hatte niemanden mehr. Frauen erbten weder vom Vater noch vom Ehemann. Mit dem Tod ihres Sohnes war sie wirtschaftlich am Ende. Wer sollte sie versorgen? Selbst wenn sie zu Hause Wolle gesponnen und sich mit dem Nebenverdienst etwas angespart hatte, viel würde das nicht sein.

Die Frau seufzte. «Das haben sie mir monatelang gesagt, weine nicht, hab doch Gottvertrauen. Bitte ihn und glaube fest, dann wird er deinen Sohn gesund machen. Das habe ich getan, Tag und Nacht, und Gott hat ihn doch nicht verschont.»

Jesus sagte nichts

Jesus sagte nichts. Er nickte nur.
«Mein einziger Sohn! Mein Ein und Alles! Und du sagst zu mir, ich soll nicht weinen? Ich hab ihn zu den Ärzten gebracht, und als er zu schwach war, habe ich die Ärzte angefleht, zu ihm zu kommen. Sie haben mich arm gemacht, aber meinen Sohn konnten sie nicht retten. Ich habe heilendes Wasser von Dekarim gekauft. Ich habe ihn zum Baden in die warmen Quellen gebracht. Ich habe auf ein Stück Papyrus schreiben lassen: ‚Ich werde dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe, denn ich bin der Herr, der dich heilt‘, und habe die Schrift an seine Stirn gedrückt, obwohl man es mir verboten hatte, weil es Aberglauben ist. Nichts hat geholfen!»

Sie hätten eher nach Nain kommen müssen. Jesus hatte bereits etliche Kranke gesund gemacht, vielleicht hätte er auch diesem jungen Mann helfen können. Nun war es zu spät.
Jesus sah zum Toten und sagte: «Setzt ihn ab!»

Die Träger zuckten zusammen. Aber es lag so viel Autorität in seiner Stimme, dass sie gehorchten. Sie setzten die Trage auf dem Boden ab. Was tat Jesus da? In der ganzen Gegend würde sich herumsprechen, wie er die Beerdigung gestört hatte.
«Steh auf!», sagte Jesus.
Stille.

Entsetzt sahen sie ihn an, die Träger, die Witwe, die Klageweiber, die Männer mit den Flöten. Auch die Jünger erbleichten.
Da schlug der Tote die Augen auf. Er nahm einen tiefen Atemzug. Seine Wangen bekamen Farbe, und er setzte sich auf. «Mutter», sagte er und wickelte sich die Leinentücher von den Händen und Füßen, «es geht mir besser!» Er erhob sich und umarmte sie.

Die Trauernden waren entgeistert

Die Mitglieder der Trauergesellschaft starrten entgeistert auf die leere Trage und den lebendigen jungen Mann. Thaddäus konnte nicht fassen, was er eben gesehen hatte. Der Mann war doch tot gewesen!

Jesus drehte sich zu ihm um, als habe er seine Gedanken gelesen. Er sagte nichts, sah ihn nur an. Seine Augen strahlten Lebendigkeit aus und Freude über das, was er gerade getan hatte. Eine solche Euphorie lag darin, dass Thaddäus den Eindruck bekam, Jesus würde am liebsten zu den umliegenden Grabhöhlen gehen und auch dorthin das Leben bringen. Ich muss umdenken, dachte Thaddäus, völlig umdenken. Er lächelte.

Zum Thema:
Ist es möglich, dass jemand vom Tod ins Leben zurückkehrt? Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Weiterführende Bücher:
Buch: «Übernatürliche Erlebnisse auf der Schwelle vom Tod zum Leben»
Hörbuch-CD: «Frida – Vom Tod zum Leben»
Jesus – der Weg zum Leben

Datum: 28.05.2011
Autor: Titus Müller
Quelle: idea.de / Bearbeitung: jesus.ch

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