«Ich darf mit meinen Grenzen so sein, wie ich bin»
Dass Glaube und Hoffnung trotz Behinderung möglich sind, zeigte Ruth Bai-Pfeifer in ihrer Jubiläumsrede auf. Die Visionärin und Gründerin von Glaube und Behinderung (GuB) teilte ihre Erfahrung mit 120 Gästen: «Ich darf mit meinen Grenzen so sein, wie ich bin.»
Aus der Not heraus
In den vergangenen 30 Jahren lernte Ruth Bai Menschen mit den verschiedensten Schicksalen kennen. Dabei wurde immer wieder die gleiche Frage laut: «Herr, trägst du mich? Und auch meine behinderten Freunde?» Bai wurde sehr konkret: «Ich weiss, dass diese Frage auch in euren Herzen ist. Viele erleben Gott als unberechenbar, grausam, hadern mit ihrem Schicksal oder wenden sich von Gott ab.» Andere würden bei dieser Frage stehen bleiben. «Das war mit ein Grund, GuB zu gründen.»
Seit 1989 will die Arbeitsgemeinschaft, die Teil der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) ist, einen Gegenpol setzen, Antwort auf die Frage geben «Gott, wo bist du?», einen «Trotzdem»-Wert von behindertem Leben sichtbar machen und Menschen mit Behinderungen ermutigen. Sein Leben Gott anzuvertrauen sei eine Entscheidung, die jede Person selber treffen müsse, sagte Bai. Jedoch: «In einer gefallenen Schöpfung dürfen wir erleben, dass uns Gott auf Händen trägt.»
Lebensqualität vermitteln
In seiner Grussbotschaft gratulierte Marc Jost zum Jubiläum. «Ich habe grossen Respekt vor dem, was in den letzten 30 Jahren passiert ist», betonte der Co-Generalsekretär der SEA. «Der Verein Glaube und Behinderung setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung Lebensqualität erfahren dürfen. Sie helfen mit, dass schwierige Umstände durch den Glauben bewältigt werden können.» Im Kontakt mit einem Studienkollegen mit Behinderung erlebte er damals persönliche Veränderung. Darum bleibe Sensibilisierung wichtig. «Alle Menschen verdienen es, dass ihnen mit dem Respekt begegnet wird.»
Unterwegs Richtung Zukunft
In einem unterhaltsamen Rückblick in Bildern liess der neue Geschäftsführer Markus Zuberbühler die vergangenen 30 Jahre Revue passieren. Dass viele Fotos mit Lachen oder Ausrufen kommentiert wurden, störte ebenso wenig wie die «Übersetzung» für eine blinde Person. Während einer «Open Mic»-Sequenz erhielten Interessierte Gelegenheit, ein Erlebnis mit GuB weiterzugeben.
Sensibilisierung, attraktive Angebote, Nachwuchsförderung: Das sind die Schwerpunkte der künftigen Vorstandstätigkeit. Susanne Furrer, seit fünf Jahren Präsidentin von GuB, gab in einem motivierenden Ausblick das «Marschprogramm» der nächsten Jahre vor. Ihr Wunsch zum Jubiläum: «Dass die Stimme von Menschen mit Behinderungen in den christlichen Kirchen gehört wird und Mauern der Hilflosigkeit und Ratlosigkeit fallen dürfen.» Dabei geht es vor allem auch darum, aktuelle Stärken auszubauen: eine familiäre Kultur, die grosse Identifikation und das beherzte Engagement – allen alltäglichen Widrigkeiten zum Trotz.
Das Lied «Trägst du mich, Herr, wenn ich müde werde? (...) Schenk mir Flügel heim zu dir!» dürfte in vielen Herzen nachklingen. Auch wenn es zwischenzeitlich bei der Technik Probleme gab – auch davon liess sich niemand behindern.
Zum Thema:
Fachtagung zu Heilung: Wenn ein Güterzug die Seele überfährt
Glaube und Behinderung: «Behinderte zeigen, dass der Lebenssinn nicht nur in Leistung zu finden ist»
Glaube und Behinderung: «Das Leiden hat seine Aufgabe»
Datum: 17.07.2019
Autor: Thomas Feuz
Quelle: idea Schweiz