Veränderung erwünscht?
Das Problem: Ich trage gern und oft braune Kleidung. Das ist eigentlich noch kein Problem. Nur wenn ich dazu keine passenden Schuhe habe, wird es zum Problem. Die Lösung: Ich kaufe Schuhe. Um ein weiteres Problem – nämlich die drastische Reduzierung meiner Finanzen – zu vermeiden, kaufte ich ein Paar, das nicht nur schön, sondern auch preislich schön reduziert war.
Eine gute Lösung, die mich vor das nächste Problem stellt. Im Eifer des eiligen Schuhkaufs hatte ich übersehen, dass die Schuhe eine Nummer zu klein waren. Was wiederum zu zwei veränderten Varianten des Ausgangsproblems führte: a) Ich hatte zwar farblich passende Schuhe, zog sie aber nicht an. Und b) In heroischen masochistischen Momenten (»Irgendwie muss es doch gehen«) zog ich die engen Schuhe trotzdem an. Damit hatte ich farblich passende Schuhe – und bereits nach wenigen Minuten starke Schmerzen in den Füßen.
Manche Lösung bringt neue Probleme
Um Problem a und b mit einem Hausfrauenstreich zu lösen, griff ich zu drastischen Hausfrauentricks. Eine Ausgabe einer Berliner Tageszeitung verschwand, zu feuchten Kugeln gepresst, im Inneren der Schuhe. Nasses Zeitungspapier dehnt Leder aus – so hatte man es mir erklärt – und ich hatte es natürlich geglaubt. Das funktionierte auch tatsächlich. Ich kann die Schuhe tragen. Was die Tippgeber verschwiegen hatten: Das feuchte Zeitungspapier hinterlässt beim Trocknen weiße Streifen auf dem Leder – auf der Außenseite! Was dazu führt, dass ich jetzt wohl zu brauner Schuhcreme greifen muss, um die Flecken zu entfernen.
Für mich waren diese Erfahrungen mal wieder eine Bestätigung der alten (Coaching-)Weisheit: »Jede Lösung kann der Beginn eines neuen Problems sein.« Meist habe ich das nicht im Blick. Wir verändern, lösen etwas. Damit verändert sich etwas. Trotzdem denken wir fälschlicherweise, nur die eine Sache würde sich verändern, und alles andere würde beim Alten bleiben.
Eingebunden ins System
Unser Leben, unsere Beziehungen sind eingebunden in ein ganzes System. Wenn man an einer Stelle etwas ändert, wirkt sich das wiederum auf eine andere Stelle aus:
- Man verändert den Ablauf von Treffen, weil man damit die Bedürfnisse einer Gruppe befriedigen möchte – und erschreckt die anderen.
- Das Ehepaar versteht sich nach der Beratung endlich wieder gut – nur die Tochter ist irritiert, weil sie nun in ihrer bisherigen Rolle als »Puffer« nicht mehr gebraucht wird – sie zieht sich zurück, verändert ihr Verhalten.
- Man nimmt ab – und die Beziehung zu der Freundin, die Leidensgenossin im Kampf gegen die Pfunde war, verändert sich.
- Es gelingt einem durch effektiveres Arbeiten mehr freie Zeit zur Verfügung zu haben, aber man weiß plötzlich nicht mehr, was man mit sich und der Zeit anfangen kann.
Mit Auswirkungen rechnen
Wann immer Menschen etwas lösen und verändern, bedeutet das Veränderung. Damit wird Neues geschaffen und das wiederum wirkt sich aus. Das ist eigentlich wunderbar – es wird nur dann stressig, wenn man erwartet, man könnte lediglich eine Sache verändern und alles andere würde dauerhaft gleich bleiben.
Wer im Blick hat, dass Veränderung nicht zu einem statischen Zustand führt, sondern zu immer neuen Veränderungen, kann sich gelassen darauf einlassen und gespannt sein, welche Auswirkungen die eine oder andere Veränderung bringt.
Zum Thema:
Acht Impulse für mehr Lebendigkeit und Leuchtkraft
Mit 44 hat man noch Träume
Datum: 17.09.2012
Autor: Kerstin Hack
Quelle: Jesus.ch