Sister Sue: ein Interview mit einer aufgestellten Diakonisse

Sister Sue
Schwestern
Sister Sue mit Gitarre

Schwester Susanne Oberhänsli, Sister Sue, wie sie sich selber nennt, ist 35 Jahre alt und die einzige in ihrer Ordensgemeinschaft, die weisse Turnschuhe trägt. Sie lebt im Ordenshaus „Ländli“ in Oberägeri, AG, studiert am Theologisch-Diakonischen Seminar Aarau- und erntet schon mal schräge Blicke, wenn sie im Ordenskleid mit dem Laptop auf dem Schoss im Zug sitzt. Revolution-one hat sie über ihren Schwestern-Alltag und ihr Glaubensleben ausgefragt.

Wie sieht ein ganz gewöhnlicher Tag in eurer Schwesterngemeinschaft aus?
Sister Sue: Wir kommen am Morgen um 7.30 Uhr zu einer gemeinsamen Andacht zusammen. Um 08.00 Uhr geht jede Schwester ihrer Arbeit nach. Diese sieht je nach Arbeitsgebiet ganz individuell aus. Um 11.40 Uhr beten wir unser Mittagslob. Dann essen wir gemeinsam Zmittag. Am Nachmittag beginnt unsere Arbeit in der Regel um 14.00 Uhr. Um 18.00 Uhr ist unser Abendgebet mit Fürbitte. Nach dem anschliessenden Nachtessen treffen wir uns zweimal in der Woche für ein gemeinsames Programm.

Was macht ihr in eurer Freizeit?
Die Freizeit verbringen wir sehr individuell! Die einen Schwestern nutzen ihre Freizeit, um sich in die Stille zurückzuziehen um dort aufzutanken, die anderen unternehmen gemeinsam mit Mitschwestern oder alleine etwas (z. Bsp. Freundschaften ausserhalb der Gemeinschaft pflegen, Radfahren, Wandern, Schwimmen, Skaten, Kulturelle Angebote nutzen etc. ). Wie Du siehst, auch wir gestalten unsere Freizeit ganz bunt und vielfältig. Das Besondere unserer Gemeinschaft ist für mich, dass wir jährlich zwei unserer fünf Ferienwochen gemeinsam irgendwo in der Schweiz oder im Ausland geniessen können.

Was denkst du, ist in deiner Beziehung zu Gott anders als bei jemandem, der nicht in einer Ordensgemeinschaft lebt?
Durch mein Ordenskleid ist gegen aussen klar, dass Leute mit mir über Gott sprechen können. So ergeben sich viele Gespräche über den Glauben in meinem Alltag. Das Besondere für mich ist, dass ich regelmässig Zeit habe, die Beziehung zu Gott zu pflegen. Mindesten dreimal am Tag kann ich mich zusammen mit meinen Mitschwestern auf Gott ausrichten, mit ihm sprechen und auf ihn hören. In der heutigen Zeit haben viele Leute einen derartigen Stress, dass sie oft gar nicht wissen, wie und wann sie ihre Beziehung zu Gott noch pflegen können. Wir aktiven Schwestern haben oft auch einen randvollen Terminkalender - doch da sind die Zeiten mit Gott eingeplant. Dieser Aspekt ist für mich je länger je wertvoller.

Was macht dir persönlich Mühe, was macht dir Freude in deinem Leben als Schwester?
Es macht mir Mühe zu erleben, wie viele Leute ein einseitiges, starres und total veraltetes Bild von uns Schwestern haben. Ein Bild, das oft durch Filme oder Bücher entstanden ist und nicht aus einer persönlichen Begegnung heraus. Wenn ich im Ordenskleid im Zug unterwegs bin und auf meinem Laptop arbeite, muss ich mir einige Bemerkungen und schiefe Blicke gefallen lassen... Ich selber habe den Eindruck, dass ich eine "ganz normale Frau" bin, die mit der Zeit geht.

Doch die Freude an meinem Schwesternleben überwiegt weit mehr! Das Gefühl, ein sinnvolles Leben in der Hingabe an Gott und die Menschen zu leben und in meiner Gemeinschaft verwurzelt zu sein gibt mir innere Freiheit, mein Leben aus der Fülle zu leben. Seit ich Schwester bin habe ich schon so viel Spannendes mit Gott und Menschen erlebt, dass ich mein Leben mit gar niemandem tauschen will! Ich erlebe in unserer Gemeinschaft auch eine Offenheit, meine eigenen Ideen und Wünsche einzubringen. Ich bin zur Zeit in Aarau in einer WG mit drei andere Frauen (keine Schwestern) und absolviere ein vierjähriges Studium am Theologisch Diakonischen Seminar, um meine Bibel-Kenntnisse zu erweitern. Ich fühle mich nicht eingeengt und fremdbestimmt, sondern verwurzelt. Dies löst in mir immer wieder eine tiefe Dankbarkeit aus.

Hast du persönliche Ziele in Bezug auf deinen Glauben- was möchtest du als Christin, als Schwester erreichen?
Ich wünsche mir in Bezug auf meinen Glauben, dass ich vor meinem Tod an den Punkt hin reife, an dem ich gelassen, lächelnd und voller Überzeugung sagen kann: ER-REICHT = Gott allein genügt.

Mit meinem Leben als Schwester will ich probieren, Menschen zu ermutigen, ihre eigene persönliche Beziehung zu Gott zu leben und mutige Schritte vorwärts zu tun - auch wenn diese von der Gesellschaft belächelt werden.

Datum: 19.03.2003
Quelle: revolution-one.ch

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