Im Emmentaler Städtchen Huttwil führen Johann Ulrich und Anna-Katharina Grädel die Firma «Spycher-Handwerk». Zum Unternehmen gehört eine Schaf-Farm mit Wollverarbeitung, die besichtigt werden kann. «Bereits mein Vater war Landwirt», erzählt Grädel und fährt fort: «Als ich nach meiner landwirtschaftlichen Ausbildung den Betrieb übernehmen sollte, habe ich erst mal gerechnet.» Er sei zum Schluss gekommen, dass ein herkömmlicher Landwirtschaftsbetrieb nicht rentieren würde. «So musste ich also neue Wege suchen. Ich hatte damals ein paar Schafe und beschloss, Wolle zu produzieren», erzählt Grädel. Gerade in den Achtzigerjahren sei die Nachfrage nach kardierter Wolle gross gewesen. Deshalb habe er 1981 zusammen mit seiner Schwester die Firma «Spycher-Handwerk» gegründet. Sie hätten als Erstes eine Kardiermaschine gekauft, die dazu dient, die Wolle zu kämmen. Dann sei immer mehr dazu gekommen: Sie hätten die kardierten Wollfasern zu Wolle verarbeitet und Spinnräder und Webrahmen verkauft. Zudem boten sie Spinnkurse an. Mitte der Achtzigerjahre ging das Interesse am Spinnen zurück, und Grädel musste sich überlegen, wie es nun weitergehen solle. «Wir haben uns überlegt, was man sonst noch mit Wolle produzieren kann», sagt Grädel. Deshalb hätten sie 1985 angefangen, Schurwoll-Duvets, Bettauflagen und Kissen zu verkaufen. Dies ist bis heute das Hauptgeschäft. Manchmal sei er mit seinen Ideen nicht verstanden worden, erzählt Grädel. Als er beschlossen habe, Wolle zu produzieren, habe er oft gehört: «Du spinnst, du würdest besser einen rechten Landwirtschaftsbetrieb führen!» Er habe aber gewusst, dass Gott ihm die Ideen gebe. Immer wenn er nicht mehr weitergewusst habe, habe Gott ihm die nächsten Schritte gezeigt. Auch heute sei das noch so: Eben hätten zwei Angestellte gekündigt. Johann Ulrich und Anna-Katharina Grädel vertrauen, dass Gott ihnen neue Mitarbeiter schicken wird. Sie sagen: «Bisher sind immer die richtigen Leute zur rechten Zeit gekommen, dann wird das auch jetzt so sein.» Als besondere Herausforderung in seinem Alltag bezeichnet Johann Ulrich Grädel, dass sein Betrieb nicht ein reiner Produktions-, sondern auch ein Verkaufsbetrieb ist. So falle die Arbeit unregelmässig an. Ob Kunden kommen, ist stark vom Wetter abhängig. Deshalb sei es recht schwierig, die Mitarbeiter einzuteilen. Ihr sei vor allem wichtig, dass das Evangelium zu den Leuten komme, sagt Anna-Katharina Grädel. Sie fährt fort: «Erst habe ich gedacht, dass sich dieser Wunsch mit einem Landwirtschaftsbetrieb nicht unter einen Hut bringen lässt.» Sie habe dann aber immer mehr gemerkt, dass sich im Schau- und Verkaufsbetrieb viele Kontakte ergeben. Johann Ulrich Grädel meint: «Andere gehen zu den Leuten, zu uns kommen sie.» Oft hätten sich Gelegenheiten ergeben, über den Glauben zu sprechen, so etwa im betriebseigenen Bistro: Viele Besucher würden dort noch eine kleine Zwischenverpflegung zu sich nehmen. Zum Kaffee gebe es Zuckerbeutel, auf denen Bibelverse stehen. Auf diese seien sie auch schon angesprochen worden, sagen Grädels. Das Ehepaar ist neben seinem Engagement in der Heilsarmee in Huttwil auch bei den Gideons dabei und hat darum immer ein Neues Testament zur Hand. Oft habe er seinen Kunden auch schon eines mitgeben können, berichtet Grädel. Grädels wollen ihr Christsein im Geschäftsalltag leben. Dazu gehört für sie auch, dass sie ihren momentan 14 Angestellten eine Stelle bieten können, an der sie sich wohl fühlen. Oft seien dies Menschen, die sonst keinen Arbeitsplatz hätten, etwa IV-Bezüger, sagt Anna-Katharina Grädel. Der Hof in Huttwil soll als Arche-Hof bei «Pro Specie Rara» angemeldet werden. Diese Vereinigung setzt sich für die Erhaltung seltener Rassen ein. In den Arche-Höfen können seltene Rassen besichtigt werden. Am 24. Juni soll die Eröffnungsfeier des Arche-Hofes stattfinden. Am 21. Oktober kann im «Spycher-Handwerk» die jährlich stattfindende Schafschur besucht werden. Neben dem Scheren der Schafe wird auch die weitere Verarbeitung der Wolle vorgeführt. «Die Milchproduktion würde auf meinem Land nicht rentieren», sagt Johann Ulrich Grädel. Seine Idee habe sich hingegen bewährt: Grädels haben heute auf zehn Hektaren Land etwa 100 Schafe, ein paar Ziegen sowie Lamas und Kamele. Das Unternehmen führt den ganzen Wollverarbeitungsprozess vom Schaf bis zum Endprodukt selber durch. So halten Grädels verschiedene, teils seltene Schaf-Rassen, waschen die Wolle, kämmen und spinnen sie. Der Kunde kann die Wolle von eigenen Schafen zur Verarbeitung liefern, sich den Produktionsablauf in einer Führung zeigen lassen oder sich selber in diesem Handwerk versuchen. «Spycher-Handwerk» bietet Kurse an, in denen man das Spinnen, Weben, Filzen und Färben erlernen kann. In einem grossen Laden werden Produkte angeboten: Von der Wolle über Wollbetten bis zu Spinnrädern. Zudem sind Übernachtungen in mongolischen Jurten möglich. Der Hof in Huttwil zieht viele Besucher an. Pro Jahr finden 100 bis 200 Führungen mit Besuchern aus der ganzen Schweiz statt.
Datum: 21.04.2006Spinnerei statt Milch
Gottes Führung im Alltag
Für Kunden auch die Bibel
Stellen für IV-Bezüger
Anlässe im Jahr 2006
Vom Schaf zur Wolle
Wer sich heute in der Landwirtschaft behaupten will, muss innovative Ideen haben. Dies hat der Huttwiler Landwirt Johann Ulrich Grädel schon früh erkannt – und gehandelt.