Neue Begriffe für eine neue Zeit

Soll man Missionare noch Missionare nennen?

Missionseinsatz in Afrika
Menschen, die auf Jesus vertrauen, machen ihren Glauben gern zum Gespräch. Früher nannte man das «Mission», doch dieser Begriff wird immer schwieriger, da er vielfach negativ besetzt ist. Etliche plädieren deshalb dafür, ihn wegzulassen.

Kein Mensch hat damit Probleme, wenn eine neue «Mars-Mission» angekündigt wird – okay, mit der Finanzierung und den Auswirkungen vielleicht schon, aber nicht mit dem Begriff –, doch wenn ein Ehepaar aus dem Stuttgarter Vorland seine Koffer packt und in den Tschad «in die Mission» geht, dann sieht das ganz anders aus. Dann schwingt da etwas mit von antiquierten Vorstellungen, von Kolonialismus und unverantwortlichem Handeln (besonders, wenn das Ehepaar auch noch Kinder hat) und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch im Tschad.

Kein Wunder, dass viele Missionsgesellschaften deshalb die Mission aus ihrem Namen streichen. Aus der 1951 gegründeten «Deutschen Missionsgemeinschaft DMG» in Sinsheim wurde so schon vor Jahren «DMG interpersonal», wobei die Grossbuchstaben inzwischen für «Damit Menschen Gott begegnen» stehen. Und das Werk ist damit in guter Gesellschaft. Ist das Versteckspiel? Ein Anpassen an den Zeitgeist? Oder eine sinnvolle Veränderung, um nach wie vor tun zu können, was das Wort Mission einmal beinhaltete? Vieles spricht für die letztere Annahme. Es scheint, als ob die Begriffe «Mission» und «Missionar» nicht mehr zeitgemäss sind und ihr heutiges Verständnis einer konstruktiven Verkündigung des Evangeliums eher im Wege stehen als sie stärken würde.

Mission ist gesellschaftlich geächtet

Zwei Namen stehen exemplarisch dafür, wie stark sich die Wahrnehmung von Mission in den letzten 60 Jahren gewandelt hat. 1956 versuchte der US-Missionar Jim Elliot, in Ecuador Kontakt zum Stamm der Huaorani aufzunehmen. Die damals als «Aucas» (Barbaren) bekannten Indianer galten als besonders abweisend. Elliot wurde zusammen mit weiteren Missionaren bei diesem Missionsversuch ermordet. Ihr Tod war der Beginn einer neuen Missionsbewegung, Elliot selbst galt für viele als Märtyrer und Held.

2018 kam der US-Missionar John Allan Chau ebenfalls durch Speere ums Leben (Livenet berichtete). Er hatte sich über ein Kontaktverbot der indischen Regierung zu den Sentinelesen hinweggesetzt und war auf eigene Faust zu dem isoliert lebenden Volk auf die Adamanen gereist. Sein Tod erntete weltweit jedoch eher Unverständnis darüber, wie man heutzutage nur so ignorant und kolonialistisch eingestellt sein könne – selbst in christlichen Kreisen wurde Chau nicht zum Helden erklärt. Offensichtlich hat Mission im Laufe der letzten Jahrzehnte viel ihrer ursprünglichen Strahlkraft eingebüsst.

Mission steht weitgehend für ein kolonialistisches Weltbild

Der weisse Missionar sitzt königsgleich auf einer Art Thron, umgeben von schwarzen Menschen in deutlich einfacheren Kleidern, die wie ein Hofstaat wirken. Alte Schwarzweissfotos wie diese geistern immer noch in Berichten über Mission und Kolonialismus herum und prägen das Missionsverständnis nachhaltig. Tatsächlich schlossen sich zahlreiche Missionare den britischen, spanischen, portugiesischen oder auch deutschen Eroberern an und arbeiteten aktiv daran mit, für die jeweiligen Herren gehorsame und fromme Untertanen heranzubilden. Gleichzeitig widersetzten sich viele Missionare solchen kolonialistischen Bestrebungen. Der «Vater der modernen Mission», William Carey, arbeitete so stark gegen britische Interessen, dass seine Regierung es der East Indian Company bei Strafe verbot, ihn zu befördern – vergeblich. Carey liess sich nicht stoppen und setzte sich zeitlebens vehement für die Rechte der Menschen in Indien ein – genauso wie er gegen kulturelle Eigenheiten vorging, die er als unchristlich sah, wie die Ermordung neugeborener Mädchen oder die verbreitete Witwenverbrennung.

Die Wirklichkeit sieht also differenzierter aus, doch für viele sind Missionare der Inbegriff des westlichen Kolonialismus. Diese Wahrnehmung wird in unserer Welt, wo wir uns ungesunder Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten immer stärker bewusst werden, zu einer ernsten Belastung.

Der Begriff Mission hat seine Bedeutung nachhaltig verloren

Viele Christen haben Bedenken, Mission nicht mehr so zu nennen, weil sie meinen, damit biblischen Boden zu verlassen, dabei kommt der Begriff «Mission» oder auch «Missionar» in der Bibel nicht vor. Aus dem neutestamentlichen Apostel (Gesandter) wurde im Laufe der Jahrhunderte der Missionar (Lateinisch für Gesandter), der Gottes Wort weitergab. Der Begriff setzte sich allerdings erst im 16. bis 17. Jahrhundert durch, als die Jesuiten sich in der Gegenreformation als Missionare bezeichneten, die Gottes Reich aufrichten wollten.

Inzwischen ist «Mission» fast zum Unwort geworden. Der Begriff klingt in Bezug auf den Glauben nicht mehr positiv. Damit befindet er sich in einer Linie mit zahlreichen anderen Wörtern, die ihre Bedeutung verloren oder so stark verschoben haben, dass wir sie nicht mehr verwenden. Niemand spricht heute noch von einem «Krüppel» und in Deutschland ist man kein «Führer» mehr. Die Liste liesse sich beliebig verlängern um Worte, die aus der Mode gekommen sind, als diskriminierend wahrgenommen oder aus anderen Gründen nicht mehr verwendet werden. Noch in den 1950er- oder 60er-Jahren standen in vielen Kirchen und Gemeinden Missionsspardosen, sogenannte «Nickneger», weil sich nach dem Einwurf von Geld der Kopf bewegte – heute wäre das undenkbar. Dabei geht es weniger darum, dass Wörter oder damit zusammenhängende Taten nicht auch eine positive Geschichte haben können, sie lassen sich nur heute nicht mehr verwenden.

Das heutige Missionsverständnis ist breiter geworden

Viele frühere Missionarinnen und Missionare arbeiten heute als Lehrerin, als Sozialarbeiter in der Entwicklungszusammenarbeit oder als Ärztin. Das gab es auch früher schon, doch das Selbstverständnis der Menschen, die im Auftrag Gottes unterwegs sind, hat sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte tatsächlich erweitert. Damit kommt es wieder näher an das heran, was Jesus und seine Jünger selbst taten – wie das Essen mit anderen Menschen und ihr Versorgen mit einem Abendessen. Haben Kirchen und Gemeinden vielleicht lange zu enge Vorstellungen von Mission gehabt, die nun breiter werden? Selbst wo es «nur» um Verkündigung geht, spricht man heute oft vom «fünffältigen Dienst» (vgl. dazu die Erklärung von Jens Kaldewey) für Evangelisten, Lehrer, Hirten, Propheten und Apostel (also Missionare) und unterstreicht, dass christliche Berufung über reine Mission hinausgeht.

Der Begriff Mission behindert weltweite Aktionen

«Mission» lässt sich nicht nur im Westen schwerer kommunizieren, auch in den Zielländern entstehen zahlreiche Missverständnisse und Schwierigkeiten deswegen. Nicht alle lassen sich ausräumen, aber es scheint mehr als sinnvoll zu sein, den Begriff «Mission» nicht mehr oder nur noch sparsam zu verwenden. Das bedeutet gleichzeitig, dass alternative Formulierungen gefunden werden müssen, denn auch wenn die Welt keine «weissen Retter» mehr braucht, so kann sie noch weniger Christinnen und Christen gebrauchen, die sich aus ihrem Engagement für die Welt zurückziehen.

Datum: 15.01.2023
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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