«unbubble» – Mit Christfluencern im Gespräch
Nächstenliebe an und für sich ist selten ein Streitthema. Wenn sie konkret wird und auch mit Diskriminierung oder der Frage nach Homosexualität zu tun bekommt, wird das Ganze schon kontroverser. Und wenn drei Christfluencer und Christfluencerinnen auf drei Personen treffen, die deren Meinungen kritisch gegenüberstehen, dann muss das Gespräch doch eskalieren, oder? Muss es nicht. Obwohl das Reden weder leicht war noch zur grossen Einigung geführt hat.
«Influencer im Namen Gottes?»
Mit diesem Thema trafen im ZDF-Fernsehen sechs Menschen im Debattenformat «13 Fragen» aufeinander. Unter dem Motto «unbubble» sollten sie kontroverse Fragen beantworten und sich dabei jeweils einen Schritt aufeinander zubewegen, wenn sie der Meinung eines anderen zustimmten, und sich bei Ablehnung einen Schritt voneinander entfernen. Die Idee dahinter: sich der eigenen Bubble (der Meinung Gleichdenkender) bewusst zu werden, sich immer mal wieder davon zu lösen und im wörtlichen Sinn aufeinander zuzugehen.
Die Themen der Sendereihe reichen von Migration über Muskelwahn bis hin zum Männerbild von heute. In der Sendung «Influencer im Namen Gottes» kamen diese sechs Personen miteinander ins Gespräch: Auf der einen Seite des Feldes standen Toni Dreher-Adenuga (ehemalige Siegerin von «Germany’s Next Topmodel» und Christfluencerin), Jonathan Albrecht (Musiker, Betreiber eines Online-Shops und Christfluencer) und Leona Ruben «Rubi» (gläubige Schauspielerin und Rapperin). Ihnen gegenüber standen Tim Lahr (queerer Pfarrer mit Instagram-Kanal über toleranten und bunten Glauben), Daniela-Marlin Jakobi (ehemalige Christfluencerin, Feministin, Freikirchen-Aussteigerin) und Adrian Rosetta (atheistischer Content Creator).
Harte Fragen – persönliche Antworten
Moderator Jo Schück stellte seine Fragen in der Sendung nicht angriffig, aber durchaus mit dem Potenzial, sich «um Kopf und Kragen» zu reden. So wollte er wissen, wie eindeutig die Bibel für die Einzelnen ist, ob Homosexualität nun Sünde ist oder nicht, wann Missionieren problematisch wird oder wie gross die Schnittmenge von Christfluencern mit rechtsextremen Gedanken sind. Insgesamt 30 Minuten Sendezeit liessen keinen Raum für erschöpfende Diskussionen, aber sehr wohl für klare Statements der Beteiligten. Jakobis Kritik am «Drinnen-Draussen-Denken» vieler Gläubiger kam genauso an wie Albrechts Erwiderung, dass es da für ihn kein Entweder-Oder gäbe, «Himmel oder Hölle – da gibt es keinen Kompromiss». Homosexualität nannte er «Rebellion gegen Gott», während Lahr unterstrich: «Gott hat mich schwul gemacht.» Er habe sich seine sexuelle Orientierung nicht ausgesucht. Was sich in der Zusammenfassung wie der übliche Austausch der üblichen Argumente liest, war tatsächlich etwas, das in der Praxis nicht oft geschieht: ein Austausch. Hier wurde nicht in der eigenen Bubble über jeweils Andersdenkende gesprochen, sondern miteinander.
Gespräch als Lösungshilfe
Ein erster Eindruck beim Zusehen war, dass die scheinbaren Fronten nicht so klar verliefen wie gedacht. Während die Christfluencerin Dreher-Adenuga biblische Aussagen nicht so wörtlich, sondern vom Kontext her verstanden wissen wollte, unterstrich Jakobi, dass sie zwar Freikirchen-Aussteigerin, aber durchaus christlich gläubig sei. Erwartungsgemäss gab es bei den Hauptfragen keine Einigung auf eine gemeinsame Position, doch trotz etlicher gegensätzlicher Auffassungen standen am Schluss alle Teilnehmenden nah beieinander in der Spielfeldmitte – weitgehend einig darüber, selbstkritisch und machtsensibel mit der eigenen Rolle als einflussreiche Person im Internet umzugehen und Nächstenliebe auch dort konkret werden zu lassen.
Am Ende hielt Schück als Moderator erstaunt fest: «Ich hatte am Anfang nicht den Eindruck, dass ihr hier so nahe zusammenkommt.» Damit fasst er wahrscheinlich die Erfahrung zusammen, die man immer wieder macht, wenn man sich sowohl mit der Person als auch der Position eines Andersdenkenden tatsächlich auseinandersetzt. In diesem Sinne ist «unbubble» mehr als ein Fernsehformat. Es ist die Einladung an kritische Menschen, in Kirchen und Gemeinden nachzufragen: «Wie meinst du das?» Und es ist die Herausforderung für Christen, sich solchen Fragen zu stellen, dabei nicht die eigenen Überzeugungen zu verraten, aber durchaus offen für Überraschungen zu bleiben, wie Jo Schück als Schlusssatz festhielt: «Wir müssen alles erwarten, auch das Gute.»
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Datum: 05.11.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet