Die wilde Mutterliebe Gottes
Actionfilmer haben seit einer Weile ein neues Motiv entdeckt. Früher hat der einsame und stets männliche Held die Szene beherrscht. Mehr oder weniger schweigsam hat er die Welt in Ordnung gebracht oder Rache genommen. Inzwischen gibt es immer mehr Filme, bei denen Frauen in seine Fussstapfen treten, genauer: Mütter. Die Filme heissen «The Mother» oder «Muttertag» und sie zeigen, wie diese Mütter alle Konventionen über Bord werfen und zu stahlharten Kämpferinnen werden, wenn es um ihre Kinder geht. Das mag man oder man mag es nicht, aber es zeigt eines deutlich: Mutterliebe ist nicht nur warm und herzlich, sondern kann auch kämpferisch sein. Im wirklichen Leben holen die meisten Mütter dazu keine Maschinenpistole aus dem Geheimversteck hinter dem Kühlschrank, aber sie treten trotzdem als «Löwin» für ihre Kinder ein. Damit ist Mutterliebe ein Stück weit so wie Gottes Liebe zu seinen Menschen.
Es steht tatsächlich da
Immer wieder wird Gott in der Bibel als Vater dargestellt, doch das ist keine geschlechtliche Einordnung – er ist kein Mann, er/sie ist Gott. Prominent und bekannt sind Aussagen wir das «Vater unser» in der Bergpredigt und viele andere Texte, die das Vaterwesen und Vaterherz Gottes beschreiben. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Abschnitte, die die weibliche Seite Gottes unterstreichen. So stellt Gott im Buch Hosea heraus: «Ich war es doch, der Ephraim gehen lehrte, der sie auf seine Arme nahm. Aber sie haben nicht erkannt, dass ich sie heilte. Mit menschlichen Banden zog ich sie, mit Seilen der Liebe; ich hob ihnen gleichsam das Joch auf vom Kinn und neigte mich zu ihnen, um ihnen Nahrung zu geben.» Gott als stillende und fütternde Mutter, die ihrem Kind das Laufen beibringt? Ja, genau!
Oft stehen auch väterliche und mütterliche Handlungen nebeneinander, um ein runderes Bild Gottes zu zeichnen, wie zum Beispiel im 5. Buch Mose, wo Gott seine Beziehung zu Israel mit Zeugung und Geburtsvorgang beschreibt: «Den Fels, der dich gezeugt hat, hast du ausser Acht gelassen; und du hast den Gott vergessen, der dich hervorbrachte!» Da sagt Gott, dass er «schreit wie eine Gebärende» (Jesaja) oder verspricht: «Wie einen, den seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten.» (auch Jesaja) Gottes Schutz ist wie der einer Henne oder einer anderen Vogelmutter, die uns mit ihren Fittichen decken und unter ihren Flügeln bergen will – so drückt es ein Psalmschreiber in Psalm 91, Vers 4 aus.
Eine wichtige Seite Gottes
Die obigen Aussagen und noch etliche andere zeigen deutlich, dass die weibliche Seite Gottes eine wichtige Rolle in unserem Gottesbild spielen sollte. Es ist eben nicht so, dass die Ebenbildlichkeit Gottes sich auf den Mann bezieht und die Frau dort irgendwie nicht ganz hereinpasst. Stattdessen ist Gott weder Mann noch Frau, sondern Gott und vereint darin männliche und weibliche Eigenschaften. Gerade letztere reichen von liebevoller Fürsorge über unverbrüchliche Treue bis hin zu kämpferischem Schutz. Wer diese Seite herabwürdigt, streicht sowohl die weiche und zugewandte Seite als auch ihr Löwinnenherz aus dem Gottesbild, was danach erschreckend einseitig und maskulin daherkommt.
Kein Angriff aufs Vaterbild
Sollte man nun von Göttin statt von Gott reden? Sie sagen statt er? Tatsächlich könnte das manchmal hilfreich sein, und sei es nur, um uns bewusst zu machen, dass Gott wirklich kein Mann ist – so wenig wie eine Frau. In gewisser Weise tut es das Alte Testament, wenn es «die Heilige Geistin» (das hebräische Wort «ruach» ist weiblich) erwähnt. Diese Ruach hat vielschillernde Bedeutungen wie Hauch, Atem, Luft, Wind, Wehen, Wutschnauben, aber auch Geist, Seele, Energie, Leidenschaft oder göttliche Eingebung. Das mag zeigen, was man sowieso schnell bemerkt, wenn man sich näher mit Gott beschäftigt: Unsere Erkenntnis ist und bleibt Stückwerk und Bilder helfen uns dabei, wenigstens einzelne Aspekte besser zu verstehen. Dabei ist die weibliche oder mütterliche Seite Gottes kein Kampfbegriff, um gegen die männliche ins Feld zu ziehen. Sie ist eine wichtige Ergänzung. Wahrscheinlich kommt auch niemand auf die Idee, Aussagen von Jesus über sich selbst gegeneinander auszuspielen. Wenn der sich an einer Stelle als der «Weinstock» vorstellt und an einer anderen als «Weg, Wahrheit und Leben», sind das keine Gegensätze, sondern unterschiedliche Seiten, die neben weiteren zu ihm gehören. Auf diese Weise kann uns auch ein Mutterbild Gottes dabei helfen, ihn bzw. sie ganz neu in den Blick zu nehmen.
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Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet