Handwerk fördern, Glauben wecken

«Talente soll man nutzen – sonst nützen sie nichts»

Elisabeth und Heinrich Roth
Heinrich und Elisabeth Roth leben im Toggenburg und in Benin. Er leitet dort ein Berufsbildungszentrum und Landwirtschaftsprojekt, sie betreut Gäste und setzt ihre Erfahrung als Krankenschwester und Seelsorgerin ein. Sie vergraben ihre Talente nicht.

«Ich habe Maschinenmechaniker gelernt und mich in verschiedenen technischen Berufen und architektonisch weitergebildet, aber Landwirt bin ich nicht», gibt Heinrich Roth zu. Doch der 74-Jährige ist Visionär, verfügt über ein gutes Vorstellungsvermögen und grosses Gottvertrauen. Wenn er eine Idee hat – manchmal schenkt sie ihm Gott im Traum – denkt er sie durch und setzt sie um. Er möchte den Beruf des Landwirts aufwerten: «Der erste Mensch war ein Bauer – und wenn er nichts zu essen hat, nützt auch Bildung nichts.»

Einladung nach Benin

Vor 20 Jahren bat ein Missionsehepaar die beiden, für sie ein Begegnungszentrum zu bauen. Sie wollten die Ältesten der von ihnen gegründeten Gemeinden vor Ort schulen. So müssten sie nicht mehr alle Dörfer einzeln aufsuchen, und die Einheimischen profitieren zudem vom Austausch miteinander. Während er mehrere Häuser baute, erkannte Heini das Potential, das vor ihm lag. Viele junge Männer leben hier, doch sie haben kaum eine Perspektive für die Zukunft. Unter anderem, weil Islam und Ahnenkult ihnen verbieten, Neues zu entwickeln. «Sie befürchten, die Geister ihrer Ahnen könnten sich rächen, wenn sie nicht weiter so das Land bearbeiten wie gehabt oder etwas anderes ausprobierten», haben Roths erfahren.

In Grenznähe zu Burkina Faso überfallen islamistische Rebellengruppen wie Boko Haram immer wieder Dörfer, Schulen und Kirchen, töten, verschleppen Kinder und Mädchen. Und verängstigte Menschen trauen sich kaum mehr, ihre Felder zu bestellen. «Die Aufrührer stiften die Jungen an, für sie zu arbeiten – wer ihnen Nahrungsmittel oder Informationen beschafft, wird gut bezahlt.» So schliessen sich etliche von ihnen den Rebellen an.

Handwerk als Alternative

Dies wollte Heini nicht hinnehmen und baute während weiteren Aufenthalten ein Berufsbildungszentrum auf. Hier werden drei- bis vierjährige Lehren angeboten, ähnlich dem dualen Bildungssystem der Schweiz. «Es ist eine Freude zu sehen, wenn einer unserer Berufsschüler später stolz berichtet, wie er das Gelernte als Polymechaniker, Maurer, Automechaniker, Elektriker, Biolandwirt oder Schneider umsetzt.» Zur Ausbildung gehört auch die Vermittlung der biblischen Sozialethik. Viele Mitarbeitenden sind Jesus-Nachfolger und möchten mit diesem Lebensstil anstecken.

Adam war der erste Bauer

Anfangs jeweils für ein paar Monate, seit 18 Jahren lebt das Ehepaar nun mehrheitlich in der Republik Benin, 2006 gründete es den Verein Liweitari. Eine deutsche Frau wollte in Benin Tomaten anbauen und bat einen Rotarier-Club um Unterstützung. Das Gemüse ist auf dem Markt sehr begehrt. Heini kam in Kontakt mit ihnen und daraus entstand das EPAL Projekt (Ecole Pratique d'Agriculture Liweitari), das nun ans Berufsbildungszentrum angegliedert ist. Land gibt es in Hülle und Fülle, Sonne und fruchtbare Erde auch. «Wenn wir Wasserspeicher bauen, können wir mehrmals pro Jahr ernten», erkannte der Visionär. Die Rotarier sagten die Finanzen für drei Jahre zu, bis Ende Oktober 2024. 

Farming Gods Way

So vertiefte sich Heini ins Thema «Farming Gods Way». Er ging mit seinem Team von einheimischen Mitarbeitern daran, Musterfelder anzulegen. «Wir pflanzen Bäume und Leguminosen, dazwischen Ackerfrüchte und Gemüse in Reihen an, nicht auf grossen Feldern.» So spenden wieder aufgeforstete Bäume Schatten, Leguminosen reichern den Boden an, verbessern zusammen mit Kompost die Bodenfruchtbarkeit und geben ein beliebtes Tierfutter. Durch Seminare von «Farming Gods Way» und eigenes Experimentieren gewonnenes Wissen geben Teams an Interessierte in den Dörfern der Region weiter.

«Von 30 Teilnehmenden setzen vielleicht zwei das Gehörte sofort um», weiss Heini. Aber wenn sie sorgfältig vorgehen, verändere sich viel. «Eine Witwe pflanzte auf ihrem kleinen Acker den Mais so, wie wir es erklärt hatten. Ihr Ertrag war um einiges höher als zuvor.» Das fiel ihrem Nachbarn auf, der nachlässiger gewesen war. «Nun ist er hochmotiviert, es ihr gleich zu tun – die beiden sind nun die besten Multiplikatoren.» Durch das Vermeiden von Brandrodung und Holzschlag ist bereits ein beachtlicher Wald entstanden. Nun wird auch mit der Methode von Tony Rinaudo grossflächig aufgeforstet. «Es ist noch viel mehr möglich», bestätigt Heini begeistert.

Gebet als Grundlage

Elisabeth hat als Krankenschwester und Hebamme 16 Jahre in einem Spital in Benin gearbeitet. Seit der Heirat mit Heini hilft sie mit im Begegnungszentrum und betreut Gäste. Geistliche oder Verantwortungsträger ziehen sich zur persönlichen Retraite in die Gästehäuser zurück. «Meine engsten Mitarbeiter und ich beten jeden Morgen für alle.» Das Mitarbeiter-Ehepaar hat eben eine Seelsorgeausbildung absolviert, um auch damit zu dienen.

Ab und zu wird Elisabeth auch als medizinische Fachfrau um Hilfe gebeten. So zeigte ihr eine Mutter die grosse Wunde am Bein ihres Kindes. Elisabeth behandelte sie mit gereinigtem Kohlepulver, und zeigte der Mutter, wie sie dieses in Form eines Wickels regelmässig aufgetragen sollte. Der Erfolg war verblüffend: Die Wunde heilte schnell und ohne weitere Komplikationen. Auch Kräuter und ätherische Öle wendet sie an. «Ich bitte Gott um Weisheit und forsche immer weiter, wie ich einheimische Pflanzen verwenden kann.»

Abfallprodukt verwenden

«Wir verwenden lastwagenweise Kohleabfall», erklärt Heini. Auf dem Kohlemarkt bleibt täglich viel Staub liegen, den niemand interessiert. Die Leute vom EPAL holen ihn ab, aktivieren ihn mit Mist und Urin auf und arbeiten ihn mit Kompost oberflächlich ein. «So wird der Boden gelockert und der Wasserhaushalt reguliert. Ausserdem müssen die Leute keinen Kunstdünger mehr kaufen.» Seit Beginn des Projektes EPAL ist der Ertrag um das Drei- bis Vierfache gestiegen. Heini Roth ist begeistert von den Möglichkeiten, die im biologischen Landbau vor ihm liegen.

Etwas bewirken statt ausruhen

Elisabeth und er wohnen nun die meiste Zeit in Benin. «Hier können wir von unserer Rente gut leben – alle Spenden fliessen in die Projekte.» Solange Gott ihnen ihre Gesundheit erhält, wollen sie weitermachen. «Etwas weitergeben, Neues entwickeln und es sofort umsetzen – das macht mehr Spass, als nach der Pensionierung im Liegestuhl zu dösen», findet Heini Roth. Er und Elisabeth sind überzeugt: «Wer seine Talente einsetzt, Kopf, Hände, Geld, der tut den Willen Gottes.»

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Datum: 12.09.2024
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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