Streng, aber freundschaftlich

Und Joseph gebot, dass man ihre Gefässe mit Getreide fülle und ihr Geld zurückgebe, einem jeden in seinen Sack, und ihnen Zehrung gebe auf den Weg. Und man tat ihnen also.
1. Mose 42,25

Aus allen Teilen der Welt zogen viele Menschen nach Ägypten hinab, um Korn zu kaufen. Viele von ihnen bekamen Joseph nicht zu sehen. Andere hatten das Vorrecht, ihm vorgestellt zu werden. Aber unter allen, die kamen, lese ich von keinem, der so streng von ihm behandelt wurde, wie seine Brüder.

"Seltsam!" werdet ihr sagen, und wenn euch der weitere Verlauf der Geschichte nicht bekannt wäre, würde es euch nicht nur seltsam, sondern grausam erscheinen.

Diese Haltung ist der Art und Weise unseres himmlischen Joseph, von dem jener Joseph in Ägypten ein vortreffliches Vorbild war, sehr ähnlich. Es leben Tausende von Menschen in dieser Welt, mit denen der Herr, unser Gott, nach seiner Weisheit verfährt. Wir alle haben in einem gewissen Mass Trübsal zu erleiden, denn "der Mensch ist zu Leiden geboren". Manche erleiden mehr Trübsale wie andere, und bei diesen trifft oft zu, dass sie die Lieblinge des Herrn sind. Wer auch der Rute entgehen mag - die echten Kinder der königlichen Familie des Himmels entgehen ihr nicht. Manche mögen sündigen, und es mag ihnen alles gelingen; aber wenn die Gerechten sündigen, haben sie zu leiden. Den Gottlosen mag gestattet sein, sich zu pflegen und für die Schlachtbank fett zu werden; sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast. Sie sind nicht im Unglück, wie andere Leute, und werden nicht wie andere Menschen geplagt. Was aber Gottes Volk betrifft, so wird ihnen ihr volles Teil zugemessen. Sie müssen durch viele Trübsale ins Reich Gottes eingehen. Ihnen ist eine besondere Verheissung gegeben, die sicher an ihnen erfüllt wird: "In der Welt habt ihr Trübsal." Wenn wir nun das Ziel des Herrn und seine grosse Absicht mit den Seinen nicht kennen würden, könnte es uns als ein seltsames, unerklärliches Geheimnis scheinen - dass die am meisten Geliebten auch die am meisten Leidenden sind und dass die Brüder des herrschenden Heilandes gerade diejenigen sind, die er am strengsten behandelt. Andere nehmen ihre Getreidesäcke und ziehen weiter; diese aber - es ist wahr, dass auch ihre Säcke gefüllt werden und sie noch mehr dazu erhalten - sie können nicht weiter ziehen, ehe nicht ein strenger Wortwechsel stattgefunden hat zwischen ihnen und dem Bruder, welcher sehr kurz angebunden gegen sie ist, obwohl er sie so innig liebt.

Indem wir es denn als eine Regel gelten lassen, dass Gottes Kinder streng von ihrem Herrn behandelt werden und die Brüder Christi sich das gefallen lassen müssen, will ich weitergehen und einige Gedanken aussprechen, welche denjenigen Kindern Gottes, die sich in Trübsal befinden, zum Trost gereichen dürften.

Wenn der Herr die Absicht hat, grosse Gunst zu gewähren, handelt Er oft streng gegen die, welche sie erhalten sollen

Joseph hatte die Absicht, seinen Brüdern wohlzutun. Er hatte freigebige Absichten und wahrhaft königliche Pläne, aber zuvor verfuhr er hart mit ihnen.

Ehe der Herr Jesus kommen wird, um seinem Volk in der glänzenden Herrschaft des Tausendjährigen Reiches ihre letzten und grossartigsten Segnungen zuzuwenden, gibt es Zornesschalen, die ausgegossen werden müssen. Es gibt Krieg und Kriegsgeschrei. Himmel und Erde werden bewegt werden, es wird grosse Not, Teuerung, Pest und Erdbeben geben. Je grösser der Segen, desto grösser die Trübsal, die ihm vorangeht.

So ist es auch mit unseren Seelen. Als der Herr Jesus sich vornahm, uns zu retten und uns das Bewusstsein von der Vergebung unserer Sünden zu schenken, begann er damit, indem er uns von unseren Missetaten überzeugte. Er teilte schwere Schläge gegen unsere Selbstgerechtigkeit aus. Er legte uns in den Staub und schien uns in Schmutz zu ziehen. Es schien, als mache es Ihm Freude, auf uns herumzutreten, jede Hoffnung aus uns herauszudrücken und jede freudige Erwartung zu zerstören. Aber alles geschah, um uns von unserer Selbstgerechtigkeit zu befreien und uns zu zwingen, uns auf sein Blut und auf seine Gerechtigkeit zu verlassen und das Leben unserer Seele einzig und allein von ihm zu beziehen. Diesem grossen Segen des Heils gingen - jedenfalls bei den meisten von uns - dunkle Wolken und schwere Stürme voraus. Wir wurden überführt von der Sünde, von der Gerechtigkeit und von dem zukünftigen Gericht und unser Herz zitterte. Aber später, nachdem er so streng mit uns umgegangen war, sagte er: "Deine vielen Sünden sind dir vergeben, gehe hin in Frieden."

Es scheint daher, dass unsere Erfahrung allgemein und gemeinsam ist und deutlich macht, dass die Liebesbriefe unseres Herrn Jesus uns in schwarzen Umschlägen zugesandt werden und dass im allgemeinen dem sanften Schauer besonderer Barmherzigkeit ein Gewittersturm vorangeht und dass auf den Regen der Sonnenschein folgt: Die Flut ist herrlich hereingebrochen, aber zuvor war Ebbe da. Es ist bis jetzt stets so bei uns gewesen. Ich denke, erfahrene Christen fangen an, ihre Freuden zu fürchten und aus ihren Bekümmernissen Segnungen zu erwarten. Wenn die Dinge scheinbar übel aussehen, wissen sie, dass alles in bester Ordnung ist, und wenn alles gut zu gehen scheint, sollten wir geneigt sein, bei all dem Guten, das Gott an uns vorüberführt, zu zittern und zu fürchten, dass in der toten Ruhe irgendein Unheil für unsere Seelen versteckt liegen könnte.

Warum verfährt der Herr streng gegen die Seinen, wenn er beabsichtigt, sie zu segnen? Geschieht es nicht, um sie nüchtern zu halten? Hohe geistliche Freuden haben für unsere arme Natur ein berauschendes Element in sich. "Darum, damit ich mich nicht überhebe", sagte der Apostel, "wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe." Oft kommt die Trübsal vor der Barmherzigkeit, manchmal mit der Barmherzigkeit zugleich oder auch nach der Barmherzigkeit. Aber Trübsal und ein hoher Grad geistlicher Freude sind gewöhnlich eng miteinander verbunden, so dass, wenn ihr das eine erhaltet, ihr ziemlich sicher nach dem andern ausschauen müsst. Dies geschieht, um uns nüchtern zu halten. Hier bläst ein frischer, kräftiger Wind geistlichen Einflusses in unsere flatternden Segel. Warum und wozu? Unser armseliges Boot würde bald umgeworfen werden, aber Gott legt eine Menge Ballast in Gestalt von Leiden hinein, damit sich das Fahrzeug inmitten der Wogen gleichmässig weiterbewegen kann.

Der Puritaner Brookes gibt uns ein Gleichnis, in welchem er uns die Gefahr zeigt, die selbst in den besten und geistlichsten Genüssen liegt. Er sagt: "Angenommen, ein Mann liebt seine Frau so sehr, dass er ihr viele Ringe und Juwelen und Ohrringe bringt, um sie zu erfreuen. Und sie freut sich sehr und schätzt die Dinge hoch und trägt sie mit Vergnügen, bis sie anfängt, so für ihre Schmucksachen zu schwärmen, dass sie darüber ihren Mann vergisst. Ihr werdet ihm keine Vorwürfe machen, wenn er ihr alles wegnimmt, weil er ihre Liebe für sich, aber nicht für seine Gaben haben will." Anstatt uns nun diese Dinge wegzunehmen - Gott lässt sie uns zum Teil, um uns vor dem geistlichen Untergang zu bewahren - gefällt es dem Herrn, unser Leben zu durchkreuzen. Es gibt leuchtende Streifen oder Beweise der Gnade, und dann gibt es dunkle Querstreifen unserer Trübsale und Leiden. In dieser Weise wird ein Gleichgewicht geschaffen, wir werden nicht erdrückt sondern befähigt, sicher in den Wegen des Herrn zu wandeln. Das ist ein Grund, aus welchem er uns sowohl hart anredet als auch freundlich gegen uns handelt: Er will uns nüchtern halten.

Geschieht es nicht auch, um uns demütig zu halten? Wenn ein Kind Gottes in seiner Selbstschätzung einen Zoll über die Erde hervorragt, dann ist es ein Zoll zu hoch gewachsen. Wenn das Kind Gottes sagt: "Ich bin reich und bin reich geworden und brauche nichts", dann ist es dem geistlichen Bankrott nahe. Niemand ist so reich in der Gnade, als der, der sich nach mehr sehnt. Niemand ist der Fülle so nah, als der, welcher seine Leere betrauert, welcher seine Fülle nicht in sich selbst, sondern in dem Herrn Jesus Christus findet.

Brüder, jene zehn Söhne Jakobs mussten fühlen, wie ihre Wichtigkeit verloren ging, als Joseph sie ins Gefängnis brachte. Sie waren "redliche Leute", wie sie sagten, "eines Mannes Söhne". Aber weder dem Patriarchen, noch ihrer patriarchalischen Abstammung zollte Joseph irgendwelche Hochachtung. Sie wurden ins Gefängnis gebracht, als ob sie Spione wären, deren Ruf gewöhnlich der schimpflichste ist. Nun fangen sie an, sich selbst in einem anderen Licht zu betrachten, als sie es taten, bevor sie ihre Reise antraten und ihr Geld bei sich trugen, wofür sie ihr Getreide kaufen wollten. Sie waren Herren und Kaufleute, als sie Ägypten betraten, aber nach kurzer Zeit kamen sie sich wie Bettler vor, und - was noch besser war - sie fingen an, sich ihrer Sünden zu erinnern. Sie riefen es sich ins Gedächtnis zurück, dass sie sich sehr an ihrem Bruder versündigt hatten. Und der Herr will keineswegs, dass wir auf hohem Ross reiten und dass wir grosse Dinge von uns selber halten. Eins habe ich als Beobachter stets festgestellt, dass, wo ein Mann Gottes auch nur anfängt, gross zu werden, Gott ihm stets Schmerzen bereitet. Ich meine nie einen Bruder gesehen zu haben, der in seinem Dienst besondere Erfolge hatte und sich deshalb für zu gross hielt, um sich mit seinen Brüdern zu verbinden - zu gut und vielleicht zu heilig -, um mit gewöhnlichen Christen zu verkehren, der sich lange auf seiner Höhe gehalten hätte. Der Ballon kam bald wieder herab; die Seifenblase zerplatzte nach kurzer Zeit.

Das Bekenntnis einer besonderen Heiligkeit endet gewöhnlich mit der schmerzlichsten Sünde, und die Erhebung des Herzens auf Grund besonderer Begabung oder besonderer Erfolge führt gewöhnlich zum Fall und zur Schmach. Dann spricht der Herr - welcher nicht will, dass wir uns überheben - hart zu uns, um uns ebenso demütig wie nüchtern zu machen.

Warum geht der Herr streng mit uns um? Geschieht es nicht, um uns neu zu veranlassen, zu ihm zu kommen? Die Söhne Jakobs spürten sicher kein besonderes Verlangen, noch einmal nach Ägypten hinabzuziehen. Vielleicht dachten sie: "Wir wollen lieber hungern, als hingehen, um uns von dem Herrn des Landes so übel behandeln zu lassen." Aber weil Simeon im Gefängnis lag, mussten sie hinabziehen. Es lag ein Grund vor, der sie zwang, so sehr sie sich auch dagegen sträubten.

Kind Gottes, wenn der Herr dich mit seinem Lächeln begünstigt und dich mit dem Licht seines Angesichts erfreut, so trägt er zugleich Sorge dafür, dir eine Trübsal zu senden, die dich zwingen wird, zum Gnadenthron zu kommen. Viele beten aus Gewohnheit, und vielleicht ist das gut. Aber ich glaube, es gibt kein Beten, das dem Beten eines Menschen gleichkommt, welcher einen Auftrag erhalten hat. Wer zu Gott kommt, weil er notwendig zu ihm kommen muss, hat etwas zu erbitten, und diese strenge Behandlung Gottes veranlasst uns, viel auf unseren Knien zu liegen, mit dem Vater der Barmherzigkeit zu ringen, dass Er uns von den Leiden und aus der Versuchung befreit. Ist es nicht lauter Gütigkeit, wenn Er streng gegen uns handelt, um uns dadurch zur süssen Pflicht des Gebets zu zwingen?

Weiter, Brüder, fällt es euch nicht auf, dass das strenge Verhalten des Herrn gegen seine Kinder, wenn er sie zu segnen beabsichtigt, die Wirkung hat, sie einsehen zu lassen, wie völlig abhängig sie hinsichtlich dieses Segens von Ihm sind? Jakobs Söhne konnten nun einsehen, dass Joseph sie in seinen Händen hatte. Er konnte sie lebenslang einsperren, er konnte ihnen das Leben nehmen, oder er konnte - wenn es ihm gefiel - sie auch mit leeren Säcken zurückgehen lassen, so dass sie vor Hunger sterben mussten. Sie waren völlig in seiner Gewalt. Sie hatten ebensowenig Kraft, sich ihm zu entziehen, wie die Taube unter den Krallen des Habichts. Auf diese Weise möchte Gott uns bewusst machen, dass wir ganz und absolut in seiner Hand sind, wie der Ton in der Hand des Töpfers. Wenn es ihm gefallen sollte, seine Hand von uns zurückzuziehen, so können alle Himmel und die ganze Welt uns nicht helfen. Wenn der Herr dir nicht helfen würde, woher könnte dir Hilfe kommen? Wenn dieser Brunnen verstopft ist, dann ist alles verstopft. Es gibt keine anderen Quellen, aus denen du deinen Durst löschen könntest.

Kind Gottes, du bist heute ebenso abhängig von der Güte und dem Wohlwollen deines Herrn, wie du es anfangs bei deiner Bekehrung warst. Ein Säugling in der Gnade ist nicht mehr abhängig von Gott, als der reife und erfahrene Christ. Unser Leben ist in Christi Hand. Wenn die Grundfesten unseres Lebens - sowohl des natürlichen wie des geistlichen Lebens - uns durch die Entziehung der göttlichen Kraft weggenommen würden, müssten wir in geistlichen und in physischen Tod versinken. Gott sei Dank, wir werden unseren Weg gehen, aber wahrlich nicht durch irgendeine Kraft, die in uns ist, noch durch irgendeine uns angeborene Stärke. Dies alles verschwindet unter den Anforderungen unserer geistlichen Pilgerschaft. Wir müssen unsere Hilfskräfte aus dem überfliessenden Brunnen der unerschöpflichen Stärke beziehen und so bis ans Ende fortfahren. In eine solche Notlage versetzt, zeigt uns dieses strenge Verfahren, dass alles, was geschehen ist, nicht durch unser Verdienst, noch durch unsere Mitwirkung, sondern einzig und allein durch seine Barmherzigkeit und Autorität zu Stande gekommen ist.

Und nun, Kind Gottes, lass mich dir einfach diesen einen Punkt vorhalten und fragen: Befindest du dich zur Zeit in grosser Trübsal? Gehen Gottes Wasserwogen und Wellen über dich, so dass hier eine Tiefe und dort eine Tiefe braust? Dann erwarte, dass nun irgendein grosser Segen im Anzug ist. Jener Stein auf dem Rad des Juweliers ist geschnitten und wieder geschnitten und geschliffen worden. Jener andere Stein im Winkel der Werkstatt ist nur ein gewöhnlicher Kieselstein und wird nie von dem Schleifstein belästigt, denn er ist wertlos. Aber je wertvoller der Stein in den Augen des Meisters ist, desto fleissiger und vorsichtiger schleift er ihn. Du bist deinem Gott wertvoll und teuer, darum geschieht es, dass Er dich immer wieder prüft. Aber es kommt etwas Gutes danach, und du wirst noch von verschiedenen Gnaden glänzen und glitzern, die dir sonst unbekannt geblieben wären. Deine Trübsal wird in dir Geduld wirken und die Geduld Erfahrung und die Erfahrung Hoffnung, und Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden, weil die Liebe Gottes in dein Herz ausgegossen worden ist. Du handelst auf einem nutzbringenden Markt. Es ist kein Gewinn so gross, wie die Zinsen, die die Leiden tragen. Die schwarzen Schiffe der Trübsal kehren mit Perlen der Gnade beladen wieder heim. Darum sei gutes Muts. Lass dir die strenge Behandlung von deinem Bruder Joseph gefallen, du wirst gewinnen.

Der Herr stärkt uns, um seine Strenge zu ertragen und alle Schwierigkeiten zu überwinden

Beachtet, dass Joseph Simeon ins Gefängnis gelegt und seine anderen Brüder sehr hart behandelt hat. Trotzdem füllte er ihre Säcke mit Getreide und legte einem jeden sein Geld wieder in seinen Sack und als dritten Segen gab er ihnen Nahrung mit auf den Weg. Niemals hat ein Kind Gottes den dunklen Weg durch Trübsal zu gehen, ohne dass der Herr für die Zeit der Not in einer besonderen Weise Fürsorge träfe.

Aber welche Nahrung ist das? Nun, liebe Brüder, es gibt je nach den verschiedenen Bedürfnissen auch verschiedene Wegzehrungen. Manchmal hat ein Kind Gottes, wenn es unter den Trübsalen leidet, ein wundervolles Bewusstsein von der göttlichen Liebe. "Wie hat er mich doch so lieb", sagt der Christ. Es folgt Schlag auf Schlag; der Mann stirbt, das Kind wird begraben, das Eigentum geht verloren, und dennoch sagt das Kind Gottes: "Ich kann nicht weinen oder murren, denn ich fühle, dass Gott mich liebt. Ich weiss nicht, wie es zugeht; aber ich fühle es so frisch und stark in meiner Seele, und ich habe einen so wundervollen Eindruck von seiner Liebe, dass er meine Trauer überwindet und meinem Kummer seine Schärfe nimmt."

Lasst mich euch sagen, dass in unserer Trübsal nichts die Seele so aufrecht erhalten kann, wie die Liebe Gottes, die in unser Herz ausgegossen ist durch den Heiligen Geist. Zu wissen, dass mein Vater alles sieht und alles aus Liebe zu mir kommt, dass macht den Rücken stark genug, um eine Welt voll Trübsal zu erdulden und doch nicht müde zu werden.

Zu anderen Zeiten sind Gottes Kinder mit einem Blick auf den Gnadenbund erquickt worden. Ich habe manche kennengelernt, welche in ihren Leiden dahingebracht worden sind, die tiefen Lehren des Wortes zu verstehen, wie sie sie vorher nie verstanden haben, so dass sie mit David sagen konnten: "Obwohl mein Haus nicht also ist bei Gott, so hat er mir doch einen ewigen Bund gesetzt, geordnet in allem und verwahrt." Indem sie sich die Versorgungen, die Sicherheit, die Segnungen und die ewige Natur dieses Bundes vergegenwärtigten, sind ihre Seelen so von Freude erfüllt worden, dass sie Armut oder Schmerz, oder welche Form die Strenge ihres himmlischen Josephs auch annehmen mochte, gern ertragen konnten.

Andere von dem Volk des Herrn sind in ihrer Trübsal durch einen Ausblick auf das Ende all ihrer Leiden und auf das bessere Land jenseits des Jordan aufrecht erhalten worden. O, es hat Heilige auf Krankenbetten gegeben, die durch das Vollmass von Seligkeit, die sie in dem Vorgeschmack von dem besseren Land genossen haben, kaum die Torturen und Schmerzen ihrer Krankheit empfanden. Wir haben von Märtyrern gehört, welche die Scheiterhaufen ihre Rosenbetten nannten und manchmal fragt man sich, ob sie überhaupt gelitten haben. Die körperlichen Schmerzen müssen dagewesen sein, aber die wunderbare Empfindung der heiligen Freude bei dem Gedanken, dass sie bald bei Christus sein würden, machte die brennenden Scheiterhaufen nur zu einem feurigen Wagen, der sie zu ihrem Geliebten hinauftrug und das erhob sie über jede Qual. Sie waren hart behandelt worden, aber sie hatten eine solche Nahrung mit auf den Weg bekommen, dass sie, als sie sich mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude freuten, die Strenge vergessen konnten. Wohl mag der Wanderer auch über einen rauhen Pfad dahinhüpfen, wenn seine Heimat - die glitzernden Turmspitzen des neuen Jerusalems - die ewige Ruhe so nahe vor ihm ist. O, wenn wir stehen könnten, wo Mose stand, um das herrliche Land zu überschauen! Kein Jordan und kein kalter Tod würde uns erschrecken, keine Leiden würden uns abhalten können, die Seligkeit im Vorgeschmack zu geniessen. Behandle uns so streng, wie es Dir gefällt, gütiger Herr, wenn wir dieses Geld in unserem Sack und diese Nahrung auf dem Weg haben, wollen wir gern zufrieden sein! Oft hält der Herr die Seinen in seiner Nähe durch die Erinnerung an ihre früheren Erfahrungen. "Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir; darum gedenke ich deiner aus dem Lande des Jordan und des Hermon, vom Berge Mizpar." Das Kind Gottes wurde so lebendig an die Treue Gottes in vergangenen Tagen erinnert, dass es nicht wagen konnte, Zweifel zu hegen. Die Beweise der Liebe Gottes waren so stark und so frisch in seiner Seele, dass es ausrief: "Und auch wenn Er mich töten wollte, will ich doch auf Ihn hoffen. Er tue, was Ihm wohlgefällt. Ich weiss dennoch, dass er treu ist, während er mich leiden lässt."

Mag die Höllenpauke so laut geschlagen werden, wie der Teufel sie nur schlagen kann, und mögen Leiden vom Himmel, von der Erde und selbst aus der Hölle alle zugleich kommen - solange wir wissen, dass Gottes Güte ewig währt, soll unser Mund voll Lachens sein, und wir wollen den Namen des Herrn loben!

Die Heiligen Gottes haben auch diese Nahrung auf dem Weg erhalten: In ihren Leiden hat sie der Anblick der grösseren Leiden Christi getröstet. Christi Weg war viel rauher und dunkler, als ihn je ein Menschenkind zu gehen hatte und sollten wir murren, während er so unaussprechlich für uns litt? Ein Blick auf den Gekreuzigten hat oft die Tränen, die über die Wangen liefen, trocknen können, während das getröstete Kind Gottes dasteht und sich sagen kann, dass Christus niemand der Seinen dunklere Wege führt, als Er sie selber gegangen ist.

So möchte ich fortfahren, zu zeigen, welche Art von Nahrung es ist, welche Christus seinen Duldern mit auf den Weg gibt, aber es fehlt mir an Zeit. Übrigens nützt es nichts, nur von der Nahrung zu sprechen, wenn ihr dieselbe nicht erhaltet. O Kind Gottes, ich kann sie dir nur nennen, aber möge der Heilige Geist dich damit trösten. Du wirst nie ohne Nahrung auf eine Reise geschickt werden, und du sollst nie auf eignen Sold in den Krieg ziehen. Wenn der Herr dich prüft, soll es nie über dein Vermögen hinausgehen, denn er sorgt dafür, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass du es ertragen kannst. Er mag dich hart behandeln, er mag scharfe Worte sprechen, aber er wird dein Geld in deinen Sack legen. Er mag deinen Simeon nehmen und ihn vor deinen Augen binden, aber Er wird dir Nahrung auf den Weg geben, bis du in das gute Land kommst, wo du keine Nahrung mehr bedarfst, weil dann das Lamm dich weiden und zu den lebendigen Wasserbrunnen führen wird.

Auch wenn der Herr die Seinen streng behandelt, haben sie doch den grössten Gewinn davon

Seine Brüder waren die einzigen, zu welchen Joseph hart redete, aber sie waren auch die einzigen, denen er nachher um den Hals fiel und weinte. Sie waren die einzigen, die ihm Tränen in die Augen brachten. Sie waren die einzigen, zu denen er sagte, dass er sie am Leben erhalten wolle. Sie waren die einzigen, denen er die Wagen sandte, um sie hinab zu holen, indem er zu ihnen sagte: "Seid nicht betrübt wegen eures Hausrates, denn das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euch gehören." Sie waren die einzigen, die er dem Pharao vorstellte, indem er sagte: "Siehe, mein Vater und meine Brüder." Sie wurden hoch begünstigt, denn sie wohnten im Lande Gosen und hatten Ruhe.

Kind Gottes, du wirst bald das Beste haben. Jetzt schon gehörst du zu den einzigen, die Christus würdigt, seine Brüder zu heissen. Du gehörst zu dem einzigen Volk, von welchem geschrieben steht, dass es ihm teuer ist. Du gehörst zu dem einzigen Volk, für welches Christus betete, denn Er sagte: "Ich bitte nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien." Du gehörst zu dem Volk, bei dem alle Dinge zum Guten mitwirken. So viele von euch an den Herrn Jesus glauben und sich auf ihn verlassen, gehören zu dem einzigen Volk, das Gott selbst zum Herzog seiner Seligkeit - seine Wolken- und Feuersäule zur Leitung hat und welches die ewige Ruhe, das ewige Teil erlangen wird, obwohl sein Pfad hier rauh und dornig sein mag. Habt guten Mut. Eure Reichtümer, die euch aufbewahrt werden, sind derartig, dass ihr über eure Armut hinwegblicken könnt. Eure zukünftige Ruhe ist eine solche, dass ihr wohl die Mühe und Arbeit, die euch nötigt, euer Brot im Schweiss eures Angesichts zu essen, gering anschlagen könnt. Eure Herrlichkeit, die noch zukünftig ist, ist so vortrefflich, dass ihr eure Armut und Schmach vergessen könnt. Euer Sein bei Christus wird so überaus köstlich und selig sein, dass ihr wohl für eine kurze Zeit ertragen könnt, einige wenige harte Worte von ihm zu hören.

Auf ewig bei dem Herrn Soll meine Lösung sein!

Ja, wenn ihr auf ewig bei dem Herrn sein werdet und es dann noch möglich wäre, dass man sich schämen könnte, so würdet ihr euch schämen, daran zu denken, dass ihr jemals murren oder auch nur einen Gedanken der Klage wider den freundlichen und gnadenvollen Herrn in euch aufkommen lassen konntet, zumal er alles zu eurem Besten und Nutzen und zu seiner Ehre zu ordnen wusste.

Möchte euch, die ihr gedrückt und niedergeschlagen seid, dieser Gedanke trösten, damit ihr eure Strasse fröhlich ziehen könnt.

Was nun solche unter euch betrifft, die Christus nicht vertrauen, so macht es mein Herz traurig, dass ich über solche Dinge nicht zu euch sprechen kann, denn diese köstlichen Gedanken sind nicht für euch. Ungläubiger, du bist entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, und du bist fern von den Vorrechten der himmlischen Bürgerschaft. Für dich gibt es keine Seligkeit, weder jetzt noch hernach. Warum willst du ein Ungläubiger bleiben? Warum willst du fortfahren, sorglos und gottlos und ohne Christus zu leben? Ich vertraue, dass der Herr Absichten der Liebe mit dir hat. Gib deine Sünden auf, denn du musst sie entweder aufgeben oder verloren gehen. Vertraue dem Heiland. Verlass dich ganz auf sein Blut und auf seine Gerechtigkeit, denn es gibt keine andere Gerechtigkeit, die dir jemals helfen könnte. Wenn sich deine Seele aber auf ihn verlässt, soll es dir ewig wohl ergehen. Gott gebe, dass wir alle am Tag der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus erfunden werden als Brüder, die in Gehorsam und Treue zu Ihm stehen. Amen.

Datum: 25.01.2008
Autor: Charles H. Spurgeon
Quelle: Christus im Alten Testament

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