Kirche im Chaos

Und wenn Jesus schläft?

Wenn das Leben im Chaos versinkt
Das Wunder von der Sturmstillung ist mehr als ein Machterweis von Jesus – es ist ein Aufruf zum Vertrauen, wenn unser Leben scheinbar im Chaos versinkt.

«Ich kann’s nicht fassen! Die Welt geht unter und der schläft!» Was sich anhört wie ein sehr berechtigter Vorwurf, ist tatsächlich ein Satz, den die Freunde und Jünger Jesus an den Kopf werfen. Die Geschichte der Sturmstillung gehört zu den bekannteren Wundern, die im Neuen Testament beschrieben werden. Kurz und eindrücklich schildert Markus sie in seinem Evangelium: «Und an jenem Tag, als es Abend geworden war, sprach er zu ihnen: Lasst uns hinüberfahren an das jenseitige Ufer! Und nachdem sie die Volksmenge entlassen hatten, nahmen sie ihn mit, wie er da in dem Schiff war; es waren aber auch andere kleine Schiffe bei ihm. Und es erhob sich ein großer Sturm, und die Wellen schlugen in das Schiff, sodass es sich schon zu füllen begann. Und er war hinten auf dem Schiff und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir umkommen? Und er stand auf, befahl dem Wind und sprach zum See: Schweig, werde still! Da legte sich der Wind, und es entstand eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Wie, habt ihr keinen Glauben? Und sie gerieten in große Furcht und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, dass auch der Wind und der See ihm gehorsam sind?»

Was bedeutet die Geschichte?

Die verschiedenen Wundererzählungen der Evangelien unterstreichen, dass Jesus als Gottes Sohn in Gottes Auftrag unterwegs ist. Seine Autorität stellt er dabei immer wieder unter Beweis. Hier zum Beispiel seine Autorität über die Natur und Naturgewalten. Wie hilflos wir da als Menschen sind, wird oft schon bei einem Starkregen mit ordentlichem Wind deutlich. Bei schönem Wetter fühlen wir uns schnell wie die Herren der Elemente, doch sobald etwas dazwischenkommt, ist das vorbei: Ohnmächtig müssen wir zuschauen, wie Flüsse über die Ufer treten, Dämme brechen und sogar Menschen sterben. Das Wunder der Sturmstillung macht Gottes Kraft deutlich: Er spricht und es geschieht. Am Ende fragen sich die Freunde von Jesus – darunter professionelle Fischer, die ihren See in- und auswendig kennen – verwundert: «Wer ist denn dieser, dass auch der Wind und der See ihm gehorsam sind?»

Was tun wir, wenn Chaos hereinbricht?

Eine weitere Ebene entsteht in dem Moment, wo ich mich frage, wie ich als Christ auf chaotische Situationen in meinem Leben reagiere. Ich meine zu wissen, dass Gott mein Leben und die Umstände im Griff hat, doch das ist immer leichter zu glauben, wenn alles so läuft wie erwartet. Aber was ist, wenn «Stürme» kommen? Wenn ich selbst oder auch wir als Kirche und Gemeinde in schweres Fahrwasser geraten? Denn das schwingt hier mit: Die Nachfolger von Jesus sitzen gemeinsam in einem Boot und erfüllen seinen Auftrag. Trotzdem bricht das Chaos über sie herein.

Ähnliches erfahren wir auch in unseren Gemeinschaften: Da gibt es plötzlich Gegenwind von der politischen Gemeinde, weil wir ein Event planen. Da zerbrechen jahrelang gewachsene Beziehungen über ein unterschiedliches Verständnis zum Thema Gendern. Da steigen die Anforderungen an die Gemeindearbeit und gleichzeitig ziehen sich immer mehr Mitarbeitende zurück. Da steht plötzlich ein Vorwurf nach Missbrauch im Raum. All diese grossen und noch grösseren Herausforderungen verursachen Chaos. Sie schwappen wie Wellen über uns hinweg. Warum geschieht das? Sind wir nicht im Auftrag Gottes unterwegs?

Der Wunderbericht gibt keinen allgemeinen Hinweis auf das richtige Verhalten in dieser Situation, aber Markus und seine Evangelisten-Kollegen halten fest, dass die Jünger sich schnell und nachdrücklich an Jesus wenden – eine gute Richtung für die eigenen Fragen.

Was tun wir, wenn Gott sich zurückhält?

Spannend ist in dieser Lage, dass Jesus sich zunächst stark zurückhält. Er, von dem es in den Psalmen heisst: «Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht», schläft eben doch. Für Buddhisten ist es völlig normal, dass sie zu Beginn ihres Gebets ein Glöckchen nehmen, um Buddha zu wecken, doch der Gott der Bibel stellt sich immer wieder als Herr für jeden Augenblick dar, als 24/7-Gott. In dieser Situation tun die Jünger das, was das Naheliegendste ist: Sie wenden sich an Jesus und sie machen weiter mit dem, was sie können und was ihnen von Gott aufgetragen ist.

Auch im Gemeindeleben bedeuten Schwierigkeiten nicht unbedingt, dass Gott eine Tür zugemacht hätte. Schon Paulus hielt im ersten Korintherbrief fest: «Eine Tür hat sich mir aufgetan, weit und vielversprechend; und es gibt viele Widersacher.» Scheinbar gehören Schwierigkeiten dazu. Offensichtlich greift Gott ein, aber nicht unbedingt so schnell, wie wir wollen. Oft sind erst einmal Aushalten, Weitermachen und dabei Vertrauen angesagt. Hier kann es wichtig sein, sich auf das zu fokussieren, was wirklich klar ist. Den Nächsten lieben ist nie verkehrt…

Deutlich wird ausserdem, dass es nicht die sieben einfachen Schritte heraus aus der «bösen Welt» gibt, sondern dass wir mittendrin im Chaos des Lebens bleiben. Aber bevor wir resignieren, zeigt ein Blick aufs Ende der Geschichte: Wir erleben Chaos. Wir haben Angst. Aber Gott ist grösser als unsere Ängste. Im Kindergottesdienst wird dieses Wunder gern nachgespielt, zum Beispiel mit wild wedelnden blauen Tüchern. Es ist unwahrscheinlich, dass die Kinder dabei Angst bekommen – das sollen sie auch gar nicht. Aber wenn Klein und Gross realisieren, dass Jesus mitten im Durcheinander unseres Lebens da ist und bleibt, ist schon viel gewonnen – für Einzelne wie für gesamte Gemeinden.

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Datum: 15.06.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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