Bezeichnung für die Heilige Schrift
»Der Weg« war bei den Zeitgenossen Jesu eine Hauptbezeichnung für die Heilige Schrift; im engeren Sinne sagte man vom mosaischen Gesetz, es sei »der Weg.« Im deutlichen Gegensatz dazu sagt Jesus: »Ich bin der Weg« (Joh. 14,6).Es bedarf keiner schwierigen Überlegungen, um zu verstehen, wie das gemeint ist. Jesus nimmt die Ausdrücke, die er gebraucht, immer in ihrem einfachsten Wortsinn. Den Weg kennen, der zu einem Ort führt, heisst: orientiert sein, wie man zu gehen hat.
»Einen klaren Weg vor sich haben« bedeutet: genau wissen, was man zu tun hat, welche Richtung man einzuschlagen hat; ohne Furcht und Zweifel handeln können.
Die Auskunft der Schriftgelehrten auf die Frage nach dem Weg
Der Mensch fragt: Wie kann ich mich auskennen im Leben? Wie treffe ich das Richtige? Wie kann ich bei allen Wechselfällen meines Lebens ohne Schwanken vorwärtsgehen? Wie werde ich die Unruhe des Gewissens los, ob ich nicht am Ende doch irregehe?Auf diese Fragen antworten die Schriftgelehrten: Da musst du die Bibel sehr gründlich studieren und dir alle ihre einzelnen Worte genau merken. Das Gesetz sagt dir pünktlich, was geboten und was verboten ist. Ist dir aber im Gesetz etwas nicht verständlich, so halte dich an die Auslegungen der Väter: da ist alles noch genauer erklärt; da sind noch viel mehr Einzelfälle des Lebens vorgesehen als in der Bibel.
Das ist gerade so, wie wenn einer nach dem Weg fragt und ihm geantwortet wird: du musst erst hier gehen, dann da, diesen Abweg beiseite lassen, und an jenem Kreuzweg, der später kommt, das Zeichen beachten, dann einmal links einbiegen und zweimal rechts, und dann so und dann so, und dass du nur ja nichts davon vergisst.
Die Antwort Jesu
Und dann, wenn der Arme von alledem ganz dumm wird und er schon beim nächsten Scheideweg fehlgeht und bald nicht mehr aus und ein weiss, steht ein anderer vor ihm und sagt: Sei ohne Sorge, ich werde dir vorangehen; du brauchst nur mir zu folgen!Christus sagt: »Ich bin der Weg.« Das heisst: ruhig seinen Weg gehen; frei sein vom Zweifel, ob er richtig handelt, kann der, dem Christus persönlich nahe ist. Wer von Fall zu Fall Fingerzeige von Christus erhält, geht sicher.
Der Weg ist nicht ein Gesetz, ein System, eine Lehre. Der Weg ist eine Person. Der Weg ist nicht etwas, was aus der Vergangenheit stammt, sondern der gegenwärtige Herr. Erst die Gegenwart Christi lässt das göttliche Gesetz leuchten und macht die einzelnen Bibelworte zu Wegweisern.
Ist Christus fern, so ist auch die Bibel ein Umweg, eine Sammlung von Rätseln, und die einzelnen Bibelworte sind lauter Beängstigungen und Fragezeichen.
Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch