Werte und Entwicklungen

Glaubwürdiges Christsein in gesellschaftlichen Spannungsfeldern

Christen brauchen Antworten inmitten der gesellschaftlichen Spannungsfelder
In unserer Gesellschaft gibt es viele Themen, die die Gemüter spalten und gerade Christen dazu auffordern, sich auf ihre Werte zu besinnen. Hanspeter Schmutz stand im Magazin «Christus im Brennpunkt» dazu Rede und Antwort.

Manche Christen trauern einem sogenannt «christlichen Abendland» nach. Hand aufs Herz: Hat es das jemals gegeben?
Hanspeter Schmutz: Ja, das gab es. Im Jahr 313 machte Kaiser Konstantin das Christentum nach einer langen Zeit der Verfolgung zu einer anerkannten Religion. In der übernächsten Kaisergeneration wurde es zur Staatsreligion ausgerufen. Damit war es chic geworden, Christ zu sein. Päpste und christliche Orden hatten zeitweise einen grossen Einfluss in staatlichen Strukturen. Ob die Mehrheit der Bevölkerung aber wirklich von Herzen Christ war, ist eine völlig andere Frage.

Verschiedentlich wird von sogenannt christlichen Werten gesprochen. Was sind deiner Meinung christliche Werte, die man so anderweitig kaum oder gar nicht findet?
Unser Schöpfer hat uns Menschen Werte gegeben – alttestamentlich etwa mit den Zehn Geboten oder später mit der Bergpredigt – welche Gemeinschaften ermöglichen, Wahrheit und Liebe, Gerechtigkeit und Gleichheit zu kombinieren sowie die Freiheit und das Leben zu fördern. Diese Werte findet man aber überall, wo Menschen nach sinnvollen Werten suchen. Typisch christlich ist einzig Christus und der Weg, wie er es uns möglich macht, diese Werte trotz unserer Unvollkommenheit zu leben.

Auch wenn es aus christlicher Sicht aktuell einige bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen gibt – für welche breit abgestützten Überzeugungen und Werte können wir als Christen in der Schweiz dankbar sein?
Primär für die direkte Demokratie und die Gewaltenteilung in Judikative (Rechtssprechung), Exekutive (ausführende Gewalt) und Legislative (gesetzgebende Gewalt) sowie für den Föderalismus. Diese Strukturen verhindern Machtkonzentrationen, geben rechtliche Sicherheit und ermöglichen eine geordnete Mitsprache von allen, die von einer Frage betroffen sind. So können sie auch ihre jeweiligen Werte einbringen.

Welche Entwicklungen und Wertverschiebungen in den letzten Jahren sind nach deiner Einschätzung kritisch einzuschätzen?
Unsere Gesellschaft orientiert sich immer mehr an rein säkular begründeten und von wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen geleiteten Werten und weniger an gottgegebenen, übergeordneten Prinzipien. Das bringt die gesellschaftlichen Ordnungen durcheinander und verlangt nach immer mehr staatlichen, manchmal zweifelhaften Interventionen.

Hanspeter Schmutz

Christen befinden angesichts des schwindenden Einflusses von christlichen Prägungen in dem Spannungsfeld, sich entweder anzupassen oder aber in die Konfrontation zu gehen bzw. sich «von der Welt» abzuschotten. Gibt es noch eine konstruktivere Art des Umgangs mit schwierigen gesellschaftlichen Entwicklungen?
Die Konfrontation sollte durch gelebte, überzeugende Beispiele geschehen, die öffentlich und säkular verständlich erklärt werden. Ich denke an Ehen und Familien, die zeigen, wie anspruchsvolle Gemeinschaften gelebt werden können, wenn sie aus der Kraft «von oben» schöpfen und in Vergebung und Demut geführt werden. Oder an Firmen, die «von oben» inspiriert Produkte und Dienstleistungen entwickeln und eine Firmenkultur leben, die in einem umfassenden Sinne nachhaltig sind. Zudem gilt: In unserm direktdemokratischen System sind Menschen, die gemeinschaftsfördernd unterwegs sind, in der Regel sehr gesucht.

Christen befinden sich oft in der Minderheit. Was gibt ihnen in emotionaler und in geistlicher Hinsicht die Möglichkeit, bestehende gesellschaftliche Spannungsfelder auszuhalten und sich nicht von unguten Emotionen beherrschen zu lassen?
Christen waren immer in Gemeinschaften unterwegs, egal wie gutgesinnt oder feindlich ihre Umgebung war. Im Gottesdienst, in Hauskreisen, in Wohngemeinschaften können sie ihren gemeinsamen Herrn feiern, über die Umsetzung ihrer ewigen Werte anhand der Bibel nachdenken und einander in Alltagsfragen unterstützen und ergänzen. Das macht sie stark, auch als Minderheit.

Auf welche Weise meldest du dich als Christ in kontroversen gesellschaftlichen Diskussionen zu Wort? Welche Erfahrungen machst du dabei?
Ich melde mich tatsächlich zu Wort: in der Gemeindeversammlung meiner Wohngemeinde, über die Ortspartei, in Vereinen und zeitweise auch durch ein politisches Mandat – und in meinem Falle auch durch Publikationen wie das Internetportal «Forum Integriertes Christsein». Ich stütze mich dabei auf Fachleute ab, die sich in ihrem Fachgebiet auskennen und ihren Glauben für Nicht-Christen verständlich mit ihrem Fachgebiet verknüpfen können.

Was ist deine Empfehlung an Christen und (Frei)Kirchen angesichts herausfordernder Tendenzen in der Gesellschaft? Wie sollen sie sich verhalten?
Wenn wir mit christlichen Werten unterwegs sind, bereiten wir die (ewige) Zukunft vor. Da lohnt sich jede Mühe und Geduld. Jesus hat uns dafür bis jetzt gut 2000 Jahre Zeit gegeben. Setzen wir also unsere Begabungen für das Reich Gottes ein und lassen wir uns auf die lebenslangen Lernprozesse ein, die damit verbunden sind. Das bringt manchmal Leiden, oft aber auch Freuden – im Himmel und auf Erden –, bis Jesus wieder kommt.

Dieses Interview erschien zuerst bei «Christus im Brennpunkt» der VFMG-Zeitschrift. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung vom Forum Integriertes Christsein.

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Datum: 10.05.2025
Autor: Hanspeter Schmutz
Quelle: Forum Integriertes Christsein

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