Sekte will Terroropfer von Beslan gegen Geld auferwecken

Grigori Grabowoi verspricht seinen Anhänger das ewige Leben.

Eine dubiose russische Sekte hat den Einwohnern der Stadt Beslan angeboten, ihre bei dem Geiseldrama umgekommenen Verwandten wieder zum Leben zu erwecken. Sektenführer Grigori Grabowoi sieht sich als neuer Christus.

Umgerechnet 1131 Euro stellt Grigori Grabowoi für seine einmalige Dienstleistung in Rechnung: Der russische Wunderheiler, Hellseher und selbst ernannte Messias behauptet, Tote wieder zum Leben auferwecken zu können. Seit dem Geiseldrama von Beslan laufen Grabowois Geschäfte mit dem Elend verzweifelter Menschen.

Mit dem Bewusstsein die Umwelt steuern?

Vor vollen Zuschauersälen hält der Mann, der vom Aussehen her eher an einen Buchhalter als an einen Sektenführer erinnert, regelmässig Vorträge darüber, wie das menschliche Bewusstsein die Umwelt steuern könne. Alle Interessierten müssen sich vor dem Besuch namentlich anmelden mit Privatadresse und Telefonnummer. Helfer des neuen «Christus» verbreiten dessen angebliche Heilslehre in ganz Russland und der ehemaligen Sowjetunion.

Die Bibel warnt vor selbst ernannte Religionsführer: „Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus; siehe, da ist er!, so glaubt es nicht. Denn es werden sich erheben falsche Christusse und falsche Propheten… Ihr aber seht euch vor!“

Schnell wachsende Sekte

Er wiederhole sich ständig, ganz so, als ob er sich bewusst in seinen eigenen Gedanken verheddere, erinnert sich eine Moskauerin, deren Sohn beim Anschlag im Moskauer Nord-Ost-Musicaltheater starb, in einem Zeitungsinterview. Grabowoi will nicht verständlich sein. Seine Anhänger seien dennoch zu einer der am schnellsten wachsenden Sekten in Russland geworden, sagt der Moskauer Sektenexperte Alexander Dvorkin. Es gibt genügend Russen, die allen Ernstes an die Macht der von Grabowoi praktizierten Konzentrationsübungen glauben.

Bescheidenheit ist eine Tugend, die dem 41 Jahre alten Mechaniker aus dem usbekischen Taschkent fremd ist. Auf seiner offiziellen Webseite sind «Diplome» zu bewundern, mit denen er sich schmückt: Der Sektenchef präsentiert sich als Mitglied der New Yorker Akademie der Wissenschaften und Ehrenmitglied der russischen Weltraum-Akademie und zeigt noch dazu eine Urkunde über die Aufnahme in den Adelsstand. Nach Angaben seiner Helfer wurde er wie Jesus Christus von einer Jungfrau geboren.

Bald politische Macht?

Der Sekten-Chef plant dem Bericht zufolge inzwischen auch seine Teilnahme an den kommenden Präsidentschaftswahlen. „Wir müssen bald die politische Macht in unsere Hände nehmen“, erklärte er auf dem Kongress.Eine eigene Partei namens Freiwillige Bewegung zur Verbreitung der Lehren von Grigori Grabowoi hat er bereits gegründet. Seinen potenziellen Wählern verspricht er in seiner Zeitung Progress (Fortschritt) nicht mehr und nicht weniger als das ewige Leben.

Grabowois Sternstunde begann, als er auf einem Kongress seiner Anhänger 15 Mitglieder des Bürgerkomitees Mütter von Beslan samt deren Vorsitzender Susanna Dudijewa präsentieren konnte. Dudijewa, deren Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin wenige Wochen zuvor von den TV-Kanälen der ganzen Welt gezeigt worden war, bezeichnete sich vor den versammelten Teilnehmern als Schülerin Grabowois.

Opfer angeblich auferstanden

Dass die Toten trotz des Versprechens nicht zurück gekehrt seien, habe der Sekten-Chef anschliessend damit erklärt, die umgekommenen Geiseln hätten sich entweder geweigert, auferweckt zu werden, oder sie würden sich an einem unbekannten Ort aufhalten. Um sie aufzufinden, müssten die Angehörigen ihre Kenntnisse in Grabowois Lehren vertiefen, so die „Iswestia“.

Wunderwaffe der Geheimdienste?

In Nordossetien, wo bei dem blutigen Ende der Massengeiselnahme in der Schule von Beslan 330 Menschen umgekommen waren, regt sich zunehmend Unmut gegen die Sekte. Dass die für den Kreml unbequeme Mütter-Organisation sich dank der Irrsinnslehre Grabowois diskreditiert habe, sei eine Provokation der Geheimdienste, vermutet die oppositionelle Moskauer Wochenzeitung «Nowaja Gaseta».

Die Mütter von Beslan hätten noch mehr Mitglieder, ausser den zehn, die Grabowois als Anhängerinnen präsentieren konnte, heisst es in einem offenen Brief der Organisation. Die überwiegende Mehrheit der Hinterbliebenen sei klar im Kopf geblieben. Sie will nun auch dafür kämpfen, dass sich die Staatsanwaltschaft mit dem Moskauer Guru befasst.

Quelle: epd/Livenet

Datum: 05.10.2005

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