Gott kam nicht zu uns in seiner Macht und Herrlichkeit, weil wir dann keine Chance mehr gehabt hätten. Sondern Er ist zu uns ‚heruntergekommen'. Sören Kierkegaard hat das in einer bewegenden Geschichte zum Ausdruck gebracht. "Ein König verliebte sich in ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen ohne adeligen Stammbaum und ohne Bildung. Sie wohnte in einer armseligen Hütte und lebte als Bäuerin. Aber der König verliebte sich in diese Frau, wie es Könige eben manchmal tun. Und er konnte nicht aufhören, sie zu lieben. Aber dann machte sich im Herzen des Königs eine Sorge breit: wie konnte er dieser Frau seine Liebe offenbaren? Wie konnte er die Kluft zwischen ihnen überbrücken? Seine Ratgeber sagten ihm natürlich, er solle ihr einfach befehlen, seine Frau zu werden. Denn er war ein Mann, der alle Macht dazu besaß - jeder fürchtete seinen Zorn, alle Nachbarländer zitterten vor ihm, jeder am Hof warf sich nieder vor der Stimme des Königs. Die Frau wäre ihm ewige Dankbarkeit schuldig gewesen. Er hätte ihr befehlen können, in seinen Palast zu kommen, aber Macht kann keine Liebe erzwingen. Er könnte sich ihren Gehorsam sichern, aber erzwungene Unterwerfung war nicht, was er wollte. Er sehnte sich nach Vertrautheit und Liebe. Alle Macht der Welt kann die Tür eines Herzens nicht aufschließen. Sie muss von innen geöffnet werden. Der König wollte sein Herz keiner anderen Frau schenken. Und so wurde seine Liebe auch zu seinem Schmerz. Kierkegaard schreibt: "Welche tiefe Trauer liegt in dieser unglücklichen Liebe. Keinem Menschen ist solche Trauer bestimmt. Gott hat sie für sich reserviert. Denn die Liebe Gottes ist diese unergründliche Liebe, die nicht zufrieden sein kann." Der König könnte die Frau auch in den Adel erheben, sie mit Geschenken überschütten, in Purpur und Seide kleiden, sogar zur Königin krönen lassen. Wenn er sie in seinen Palast bringen, die Sonne seiner Macht über ihr erstrahlen ließe; wenn sie seinen Reichtum, seine Macht und Größe sähe, wäre sie wahrscheinlich überwältigt. Wie könnte dann aber jemals wissen, ob sie ihn wirklich liebte, um seiner selbst willen oder nur um all dessen willen, was er hatte und ihr gab? "Wäre sie in der Lage, genug Vertrauen aufzubringen, um das zu vergessen, was der König zu vergessen wünschte, nämlich dass er König war und sie ein armes Bauernmädchen?" Es gab nur eine Alternative, wie er sein Ziel erreichen konnte. Der König verließ seinen Thron, setzte seine Krone ab, legte sein Zepter weg und zog seinen Purpurmantel aus. Er wurde selbst zum Bauern. Er nahm nicht nur die äußere Gestalt eines Bauern an, sondern sein ganzes Leben, sein Wesen, seine Last. Damit ging er natürlich ein großes Risiko ein. Würde das Mädchen ihn so haben wollen? Als Bettler?" Genau dieses Risiko ist Gott eingegangen. Er kam in Sein Eigentum in Gestalt eines ärmlichen Menschen. Er lief Gefahr, verkannt zu werden, bis heute. Viele nahmen Ihn nicht auf. Aber dieses Risiko ging Er ein, weil Er Dich liebt. Und weil Er nicht nur Deine ergebene Anerkennung sucht, sondern Deine Liebe. Ernst-Gerhard Fitsch Rummel, Legende oder was?
Ist Weihnachten eine rührende Legende? Oder was steht eigentlich dahinter? Sicher hat viel von dem, was sich an volkstümlichem Weihnachtsrummel entwickelt hat, wenig mit dem eigentlichen Anlass zu tun. Tannenbaum im Schnee, Weihnachtsmann, Christkind, Geschenke - das alles ist aus verschiedenen Quellen zusammengeflossen. Aber die eigentliche Initialzündung und das Ereignis von Weihnachten ist ein Ereignis von existentieller Bedeutung für uns.
Liebe macht ‚verrückte' Sachen
Das grundlegende Ereignis ist so ungewöhnlich, dass viele es in den Bereich der Legende verfrachten. Doch es gibt eine ganz andere Möglichkeit, das total Fremde oder Unwirkliche zu deuten. Die Menschwerdung Gottes ist nicht das Produkt eines Weltbildes. Sondern sie hat einen inneren Grund: Liebe, die ganz ungewöhnliche Wege geht.
Datum: 21.11.2002