Am vierten Tag ihrer Safari schafften sie 24 Kilometer, dann legten sie an einem aus riesigen Bäumen bestehenden Gehölz eine Rast ein, nahe an einem klaren Gewässer. Sie hatten einen schönen Tag hinter sich; aber beide waren müde. Gewöhnlich entfachte Setobe ein Feuer zur Abschreckung der Schakale und Hyänen; und normalerweise pflegte Arnot aufzuwachen, wenn die nächtlichen Geräusche des Urwaldes allmählich laut wurden. Diesen Abend jedoch fielen sie beide in einen tiefen Schlaf, und keiner war sich auch nur im geringsten der Gefahr bewusst, die ganz dicht neben ihrem Zeltplatz auf sie lauerte. Zuerst wachte Setobe auf. Gerade wurde das erste Morgenlicht sichtbar. Er öffnete die Augen und hörte ein tiefes Knurren, das unmittelbar neben ihm aus der Erde zu kommen schien. Er lauschte. Wieder dieses wilde und erschreckende Knurren, das ihm eiskalte Schauer über den Rücken trieb. Jetzt war er wach genug, um auch den ätzenden Geruch von Tierurin wahrzunehmen. Der erfahrene Wildnisführer wusste sofort, dass sich da ein Löwe befand - nur wenige Meter von ihrem Schlafplatz entfernt, wo der Missionar immer noch schlief. Geräuschlos kroch er über den schlafenden Mann - den Speer in der Hand. Er rüttelte Arnot wach und hielt ihm gleichzeitig den Mund zu, als Warnung, keinen Laut von sich zu geben. Beide standen auf und sahen sich um. Plötzlich wurden sie durch ein ohrenbetäubendes Gebrüll dicht neben ihnen erschreckt. Sie konnten kaum ihren Augen und Ohren trauen; denn das Brüllen kam aus einem Erdloch, das nur ungefähr vier Meter von Arnots Nachtlager entfernt war. Gestern Abend war noch alles ruhig gewesen, doch was war das nun? Als Arnot so vorsichtig wie möglich Setobe bis an den Rand der Grube gefolgt war, begriff er, dass sie ihr Lager direkt am Rand einer Fallgrube aufgeschlagen hatten und während der Nacht ahnungslos als Köder fungiert hatten. Ursprünglich war das Loch mit Zweigen, Blättern und Gras abgedeckt. Doch nun, am Rand der Grube liegend, sahen sie gut drei Meter unter sich einen ausgewachsenen männlichen Löwen. Es war ein stattliches Exemplar, und sobald sie auf ihn niedersahen, begann er zu knurren und zu brüllen. Dann bemerkten sie, dass er sich nicht aus seiner kauernden Stellung aufrichten konnte, weil beim Absturz eines seiner Hinterbeine gebrochen war. Setobe wies Arnot an, ein Stück zurückzukriechen, zielte voll konzentriert und jagte den Speer mit aller Kraft in Richtung auf das Herz des Tieres. Der Löwe stiess ein furchtbares, markerschütterndes Gebrüll aus und warf seinen Körper immer wieder gegen die Grubenwand. Die Wucht der Bewegungen wurde allmählich schwächer, und nach einigen Minuten hörte man, dass das Tier in Todeskämpfen röchelte. Setobe lag flach auf dem Boden und lehnte sich weit über den Rand, um den Schaft des Speeres zu erhaschen. Als ihm das gelungen war, riss er die Waffe aus dem Körper des Löwen und - immer noch liegend - versetzte er ihm den Gnadenstoss. Mit einem leisen Klageton machte der Löwe noch eine letzte Angriffsbewegung mit einer seiner Vorderpfoten, dann brach er tot zusammen. 1 Fortsetzung: Buschmänner als Lebensretter 1 Tony Lawman, F. S. Arnot - Errettet aus den Händen der Bösen (Bielefeld: CLV 1993), Seite 76-78.
Datum: 10.10.2006
Autor: William Mac Donald
Quelle: Ein Gott der Wunder tut