DIAGNOSTISCHE KRITERIEN

Zwangsstörungen

Das Hauptmerkmal einer Zwangskrankheit besteht in wiederholten Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Diese sind so schwer, dass sie erhebliches Leiden verursachen, zeitraubend sind oder den normalen Tagesablauf, die beruflichen Leistungen oder die üblichen sozialen Aktivitäten oder Beziehungen beeinträchtigen. Zwangsgedanken
Zwangshandlung

sind länger andauernde Ideen, Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die – zumindest anfänglich – als lästig und sinnlos empfunden werden: z. B. ein Elternteil hat wiederholte Impulse, das eigene geliebte Kind zu töten, oder ein religiöser Mensch hat wiederholt gotteslästerliche Gedanken. Die Person versucht, solche Gedanken bzw. Impulse zu ignorieren, zu unterdrücken oder sie mit Hilfe anderer Gedanken oder Handlungen auszuschalten. Die Person erkennt, dass die Zwangsgedanken von ihr selbst kommen und nicht von aussen aufgezwungen werden (wie beim Eindruck der Gedankeneingebung der Schizophrenie).

Die häufigsten Zwangsgedanken sind wiederkehrende Vorstellungen von Gewalttätigkeiten, Angst vor Verschmutzung und zwanghafte Zweifel.

Zwangshandlungen sind wiederholte, zweckmässige und beabsichtigte Verhaltensweisen, die auf einen Zwangsgedanken hin nach bestimmten Regeln oder in stereotyper Form ausgeführt werden. Das Verhalten dient dazu, Unbehagen oder schreckliche Ereignisse bzw. Situationen unwirksam zu machen bzw. zu verhindern. Jedoch steht die Handlung in keinem realistischen Bezug zu dem, was sie unwirksam machen bzw. verhindern soll, oder sie ist eindeutig übertrieben. Die Handlung wird mit einem Gefühl des subjektiven Zwangs durchgeführt mit dem gleichzeitigen Wunsch, Widerstand zu leisten (zumindest anfänglich). Die Person sieht ein, dass ihr Verhalten übertrieben oder unvernünftig ist. Die betroffene Person hat keine Freude am Ausführen der Handlung, obwohl dies zu einer Spannungsverminderung führt.

Weil der Filter der Gedanken seine Funktion nicht erfüllt, werden angstbesetzte Impulse ohne die nötige Dämpfung ins Stirnhirn weitergeleitet, wo sie wie eine zweite von aussen aufgezwungene Wirklichkeit erlebt werden. Zudem wird das Referenzsystem der Werte verzerrt und in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. So wird statt einer angepassten Verhaltensreaktion das oberste Ziel allen Handelns und Denkens die Abwehr einer subjektiv erlebten Gefahr.

Begleiterscheinungen

Depression und Angst sind häufig. Oft besteht ein phobisches Vermeiden von Situationen, die den Inhalt des Zwangsgedankens betreffen, wie Schmutz oder Verschmutzung. Beispielsweise vermeidet eine Person öffentliche Toiletten oder Fremden die Hand zu schütteln (aus Angst vor Verschmutzung oder Ansteckung mit einer Krankheit).

Komplikationen

Bei schweren Verläufen können die Zwänge zum beherrschenden Lebensinhalt werden. Die daraus folgende Vereinsamung führt zu Depressionen; der Versuch, die Ängste und Zwänge zu dämpfen, kann in einen Missbrauch von Alkohol oder Tranquilizer führen.

DIAGNOSTISCHE KRITERIEN

A. Es bestehen entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen

Zwangsgedanken

1) wiederholte, länger andauernde Ideen, Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die als lästig und sinnlos empfunden werden und ausgeprägte Angst und Spannung erzeugen.

2) die Gedanken, Impulse und Vorstellungen sind nicht einfach Sorgen über Probleme im realen Leben.

3) die Person versucht, solche Gedanken bzw. Impulse zu ignorieren oder zu unterdrücken oder sie mit Hilfe anderer Gedanken oder Handlungen zu neutralisieren.

4) die Person sieht ein, dass die Zwangsgedanken von ihr selbst kommen und nicht von aussen aufgezwungen werden (wie bei der Gedankeneingebung).

Zwangshandlungen

1) wiederholte Verhaltensweisen (z.B. Händewaschen, Ordnen, Kontrollieren) oder gedankliche Handlungen (z.B. Beten, Zählen, stilles Wiederholen von Wörtern), die auf einen Zwangsgedanken hin nach bestimmten Regeln oder stereotyp ausgeführt werden.

2) das Verhalten dient dazu, äusserstes Unbehagen oder schreckliche Ereignisse bzw. Situationen unwirksam zu machen bzw. zu verhindern. Jedoch steht die Handlung in keinem realistischen Bezug zu dem, was sie unwirksam machen bzw. verhindern soll, oder sie ist eindeutig übertrieben.

B. Die Person sieht ein, dass ihr Verhalten übertrieben oder unvernünftig ist.

C. Die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen verursachen erhebliches Leiden, sind zeitraubend (mehr als eine Stunde pro Tag) oder beeinträchtigen den normalen Tagesablauf, die beruflichen Leistungen oder die üblichen sozialen Aktivitäten oder Beziehungen zu anderen.

Dossier:www.angst.jesus.ch  
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Weitere Informationen:

Eine ausführliche Übersicht gibt das Arbeitsheft ZWANG UND ZWEIFEL in der Reihe Psychiatrie und Seelsorge. www.seminare-ps.net 

Datum: 17.12.2004
Autor: Dr. med. Samuel Pfeifer
Quelle: seminare-ps.net

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