Literatur und Religion begegnen sich
Im Festvortrag erzählte der Preisträger Thomas Hürlimann aus seiner religiösen Biographie, um zu zeigen, wie viel sich in der Kirche in den letzten fünf Jahrzehnten verändert habe. In seinem poetisch gestalteten Referat beklagte er, die Kirche habe ihre "Mütterlichkeit" verloren. Er bekannte, als Student in Berlin Heimweh gehabt zu haben nach der "verlorenen Ober- und Überwelt".
Der Autor des Einsiedler Welttheaters von 2000 erinnerte sich voller Dankbarkeit an den damaligen Abt Georg Holzherr, der ihm volle künstlerische Freiheit gelassen habe. Diese Offenheit habe er anlässlich der zweiten Inszenierung von 2007 beim neuen Abt schmerzlich vermisst.
Frauliche Lebensgeschichten
In der Widmungsurkunde der Preisträgerin Beatrice Eichmann-Leutenegger heisst es, sie habe den Preis 2010 für ihr schriftstellerisches Schaffen und für ihre publizistische Vermittlungstätigkeit erhalten. Darin habe sie Lebensgeschichten - besonders von Frauen - mit ihrem literarischen Niederschlag verbunden.Nikolaus Klein, Chefredaktor der Ende 2009 eingegangen Zeitschrift "Orientierung", erinnerte an das publizistische Werk seiner ehemaligen Mitarbeiterin: "Sie verfasste Rezensionen zu literarischen Neuerscheinungen und veröffentlichte essayistische Darstellungen über das Gesamtwerk von Autoren des 20. Jahrhunderts." Klein hob Eichmanns Werk "Dreizehn Portraits ausserordentlicher Frauen" hervor.
Christliche Literatur
Die Laudatio für Karl-Josef Kuschel hielt seine Aachener Kollegin Magda Motté. Sie unterstrich die Vorbehalte, die sie beide gegenüber der traditionellen christlichen Literatur hatten: "Uns war klar: Was bis in die sechziger Jahre hinein als christliche Literatur gepriesen wurde, verfehlte total unsere Welt und Zeit, sowohl thematisch ob einer verengten Moral und dogmatisch geprägten Glaubenssicherheit als auch ästhetisch ob am Stil des 19. Jahrhunderts angelehnter Strukturen und Sprache."Die Germanistin skizzierte dann, wie der Preisträger sich mit Dichtern befasste, die aus unzähligen Perspektiven "ihren Blick auf das unfassbare Geheimnis Gottes richten". Seit Mitte der 1990er-Jahre habe Kuschel zusammen mit seinem Freund Hans Küng sich intensiv mit der Theologie des interreligiösen Dialogs befasst.
Preis für die Untergrundkirche
Die Preisträger des nächsten Jahres, war am Schluss der diesjährigen Preisübergabe im Luzerner Hotel Schweizerhof zu erfahren, werden der Luzerner Bibelwissenschafter Walter Kirchschläger und die illegal zu Priestern und Bischöfen geweihten, zum Teil verheiraten Frauen und Männer der Untergrundkirche in der ehemaligen Tschechoslowakei sein. Einer diese Bischöfe habe sich beklagt: "Die Kommunisten konnten uns nicht zum Schweigen bringen, wohl aber nach der Wende der Vatikan."25 Jahre Herbert-Haag-Stiftung
In seiner Begrüssung zur diesjährigen Preisverleihung der Herbert-Haag-Stiftung "Für Freiheit in der Kirche" erinnerte Hans Küng an die Anfänge der Stiftung vor 25 Jahren: "Herbert Haag fragte damals mich, seinen Kollegen und Freund, um Rat, wie nach seinem Tod wohl sein Vermögen am besten angelegt wäre. Er wollte weder die Kirche noch die Universität bedenken. Ich empfahl ihm, eine Herbert-Haag-Stiftung zu gründen und zwar ´Für Freiheit in der Kirche´."Die beiden Theologen waren überzeugt, dass die autoritäre Verfassung der heutigen Kirche im Widerspruch steht zur Botschaft Jesu, der ein Evangelium der Freiheit verkündete. Sie waren überzeugt, dass die Stiftung diese Freiheit nicht herbeiführen konnte. Sie wollte aber ermutigende Zeichen setzen.
Hans Küng führte dazu weiter aus: "Solche Zeichen haben wir nicht wenige gesetzt. Es war für uns eine Freude, jedes Jahr einige tapfere Männer und Frauen, aber auch Gruppierungen, Institutionen oder Medien auszeichnen zu können, die sich im Dienst an der Freiheit in der Kirche hervorgetan haben."
Datum: 25.03.2010
Quelle: Kipa