Leseprobe: John Eldrege: «Folge deinem Traum»

Traum

John Eldredge spricht aus, was viele Menschen in unserer hektischen Welt empfinden: Das Leben, von dem ich träume, muss doch anders aussehen als die tägliche Tretmühle, die ich erlebe. Sind unsere Herzenswünsche nur dazu gedacht, dass wir sie mit fortschreitendem Alter immer weiter ins Land der Illusionen verbannen? – Eine Leseprobe aus dem neuen Buch «Folge deinem Traum».

Wie Herzenswünsche wahr werden

Nachdem wir einige Jahre auf unserer geistlichen Reise unterwegs sind, vernehmen wir mitten in allem, was wir tun, eine Stimme. Es fehlt etwas, sagt die Stimme. Es gibt noch mehr. Oft kommt die Stimme mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden, wenn wir unser Herz am wenigsten im Griff haben. Anfangs verkennen wir die Quelle dieser Stimme. Wir schütteln unser Kissen auf, drehen uns um und schlafen wieder ein. Tage, Wochen, sogar Monate vergehen, und die Stimme spricht wieder zu uns:

Bist du denn nicht durstig? Hör auf dein Herz. Es fehlt etwas.

Schon sehr früh hat uns das Leben gelehrt, das Verlangen unseres Herzens zu ignorieren und unserer Sehnsucht zu misstrauen. Das Leben unterweist uns in der Kunst, unsere Sehnsucht zu unterdrücken und nur in der äusseren Welt zu leben, wo Effizienz und Leistung alles sind. In der Schule, bei der Arbeit und selbst von unseren geistlichen Mentoren haben wir gelernt, dass unser Herz – und das heisst unser eigentliches, tiefstes Wesen – nicht von Belang ist.

Wo man uns haben will, da will man uns oft wegen der Funktion, die wir zu bieten haben. Wenn wir reich sind, finden wir Anerkennung für unseren Wohlstand; wenn wir schön sind, für unser Aussehen, wenn wir intelligent sind, für unser Hirn. So lernen wir, nur das von uns anzubieten, was auf Zustimmung stösst. Wir riegeln uns ab von unserem Herzen und fangen an, ein Doppelleben zu führen.

Das ist die äussere Geschichte unseres Lebens. Robert ist Buchhalter; Maria arbeitet in der Verwaltung; Fred ist Anwalt. Die Schmidts sind die Familie mit dem gepflegten Rasen und den netten Kindern; die Müllers sind jene Leute, deren Kinder ständig in Schwierigkeiten sind. Das ist das äussere Leben:

Geschäftigkeit ersetzt Sinn.
Effizienz ersetzt Kreativität.
Funktionelle Beziehungen ersetzen Liebe.

Stellen Sie sich nur einmal vor Augen, was das Leben von Männern heute gewöhnlich ausmacht. Endlose Stunden am Computer; Sitzungen, Memos, Telefongespräche. Firmen-Spielregeln und Arbeitsabläufe sind gewöhnlich so gestaltet, dass sie einem Ziel dienen: einen Menschen derart einzuspannen, dass er produktiv wird.

Aber die Seele bäumt sich gegen diese Art von Unterjochung auf. Sie weiss nichts von Terminplanern und Deadlines und Firmenphilosophien. Die Seele sehnt sich nach Leidenschaft, nach Freiheit, nach wirklichem Leben.

Die meisten Männer in christlichen Gemeinden sind, so ist mein Eindruck, davon überzeugt, dass Gott sie dazu geschaffen hat, brave Jungen zu sein. Das Hauptproblem von Männern, so sagt man uns, sei dieses: Sie wissen nicht, wie man Verpflichtungen einhält, geistliche Autorität erwirbt und ausübt, mit Frauen redet oder die eigenen Kinder erzieht. Aber wenn sie sich nur richtig anstrengen, dann können sie das hohe Ziel erreichen: Sie können... nette Kerle werden. Das wird uns als das Ideal christlicher Reife vorgeführt: richtig nette, brave Kerle. Wir trinken nicht, wir rauchen nicht, wir tun niemandem was zuleide: das macht uns zu Männern. Nun, meine Herren: Haben Sie in all Ihren Jungenträumen jemals davon geträumt, ein harmloser, netter Kerl zu werden? Meine Damen: War der Prinz Ihrer Mädchenträume verwegen und mutig – oder war er nur nett?

Das Christentum verfehlt allzu oft auch das Herz der Frau. Suchen Sie eine Gemeinde auf, schauen Sie sich um, und dann beantworten Sie die Frage: Was macht eine christliche Frau aus? Halten Sie sich nur an das, was Sie sehen? Höchstwahrscheinlich werden Sie zu folgendem Ergebnis kommen: Eine christliche Frau ist ... müde. Alles, was wir der weiblichen Seele zu bieten hatten, war die Aufforderung, «demütig und hilfsbereit» zu sein.

Im Herzen jedes Menschen wohnt ein Geheimnis. Oft nehmen wir keine Notiz davon, wir könnten es auch kaum in Worte fassen, und doch begleitet es uns alle Tage unseres Lebens. Dieses Geheimnis bleibt grösstenteils in unserem tiefsten Innern verborgen. Es ist unser Verlangen nach einem Leben, wie es eigentlich gedacht war. Gibt es da nicht ein Leben, nach dem Sie immer schon gesucht haben? Vielleicht ist diese Suche Ihnen nicht immer bewusst, und es gibt Zeiten, da scheint es, als hätten Sie die Suche vollends eingestellt. Aber wieder und wieder kehrt sie zu uns zurück – jene Sehnsucht, die sich nach einem Leben verzehrt, das wir feiern können. Wenn wir diese Sehnsucht zu fassen kriegen würden, dann hätten wir einen wahren Schatz in Händen. Dann würden wir das Geheimnis unseres Daseins erkennen.

Wer bin ich eigentlich?
Wo finde ich Leben, das diesen Namen verdient?
Wozu lebe ich?

Dies sind die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens. Und weil es sie gibt, müssen wir uns auf eine Reise machen, um das Leben zu finden, das wir ersehnen.

Sehen Sie sich um: Die meisten Menschen haben diese Reise bereits aufgegeben. Sie haben sich eingerichtet im Haus der Resignation, am Boulevard des Genusses, oder sie sind gefangen in den Kerkern der Verzweiflung. Das Leben liefert jede Menge Gründe und Gelegenheiten, um unser tiefstes Verlangen zu unterdrücken.

«Aus dem Herzen quillt das Leben» (Sprüche 4,23, L). Alles echte Mitgefühl, alle sinnvolle Arbeit, alle echte Hingabe und alle Opferbereitschaft entspringen dem Herzen. Am Ende kommt es nicht darauf an, wie viel wir geleistet oder was wir erreicht haben – ein Leben, bei dem wir nicht «mit dem Herzen dabei» sind, ist es nicht wert, gelebt zu werden. Wer die lebendige Verbindung zu seinem eigenen Herzen verliert, der verliert alles.

Und ein solcher «Verlust des Herzens» ist eine treffende Beschreibung für die meisten Männer und Frauen unserer Zeit. Es sind nicht nur die Süchte und Affären und Depressionen und Leiden, die uns umgeben. Dazu kommt die Geschäftigkeit, das Getriebensein, die Tatsache, dass es den meisten nur noch ums Überleben geht. Darunter fühlen wir uns rastlos, erschöpft und schutzlos. Die vielen Kräfte, die das moderne Leben antreiben, haben nicht nur das Leben unseres Herzens angegriffen, sie haben auch die Heimat des Herzens zerstört – jenes Land des Geheimnisvollen und der Transzendenz, das wir als Kinder so gut kannten.

Aber es ist ein Akt der Gnade Gottes, dass wir unsere Sehnsucht nie gänzlich zum Erlöschen bringen können. Und vielleicht überrascht es Sie, das zu hören: Den entscheidenden Hinweis auf die Frage: Wer bin ich wirklich und wozu lebe ich? – diesen Hinweis gibt uns das tiefste Verlangen, die Sehnsucht unseres Herzens.

So stelle ich diese Frage nun an Sie: Wenn Sie tun könnten, was Sie wirklich tun wollen – was würden Sie tun?

Fragen Sie nicht nach dem Wie. Wie ist niemals die richtige Frage. Der Unglaube fragt wie und meint damit: «Solange ich den Weg vor mir nicht klar erkennen kann, werde ich es nicht glauben und werde keinen Schritt in diese Richtung machen. Als dem Priester Zacharias ein Engel erschien und ihm verkündete, dass seine betagte Frau einen Sohn gebären werde, fragte Zacharias: «Wie …?» – und wurde prompt mit Stummheit geschlagen.

Um das Wie kümmert sich Gott. Er aber fragt Sie nach dem Was. Was steht in Ihrem Herzen geschrieben? Was macht Sie lebendig?

Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus: John Eldredge, «Folge deinem Traum», Brunnen-Verlag Giessen, 2005

Bestelllink: http://www.shop.livenet.ch/index.html?nr=111880&k=3&f=0

Datum: 11.04.2005
Quelle: Chrischona Magazin

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