Bücher über die Kirche

Das grösste Abenteuer

Seelenschmerz und fremde Welten, dramatisch arrangiert, garantieren Scharen von Lesern. Das grösste Wagnis ist Gott eingegangen, als er sich mit Menschen auf den Weg machte – in der Kirche. Dem spüren die vier hier angezeigten Bücher auf ganz unterschiedliche Weise nach: Kirche für Europa und im Nahen Osten, Kirche für Gemeindemüde und im pluralistischen Umfeld.
Vier Bücher
Kämpfer für den offenen Diskurs in der theologischen Ausbildung: Shafique Keshavjee.

Joel Edwards ruft die Christen Europas auf, sich ohne Reserve für ihren Kontinent einzusetzen und ihm Jesus Christus neu vorzustellen. Christian Lange und Karl Pinggéra stellen die Kirchen im Orient vor, die über tausend Jahre im Schatten des Islam gelebt und das Evangelium auf ihre Weise bewahrt haben.

Larry Crabb sehnt sich nach der Gemeinde, die die Menschen mitnimmt auf die beste Reise – sein Buch richtet sich an Gemeindemüde. Shafique Keshavjee sucht den Kern des Evangeliums, den die Kirche im Umbruch zur Postmoderne festzuhalten hat. Er weist einen Weg aus der Krise der Pfarrer-Ausbildung an den welschen Universitäten.

Mehr zu den vier Büchern auf www.lkf.ch

«Jesus war nicht labil»

Wie geht es weiter in Europa – nicht mit der Währung, sondern der Seele des Kontinents? Unwiderstehlich ist das Plädoyer von Joel Edwards für eine Kirche, die Jesus verkörpert, für ein herzhaftes Engagement der Christen in einer Gesellschaft, die den Gott der Väter verabschiedet hat.

Zuerst, so Edwards, ist Jesus richtig zu verstehen – nicht als «labiler Wunderheiler in einer Identitätskrise». Jesus ist «erstaunlich widerstandsfähig und unverwüstlich». Der britische Pastor, der die Evangelische Allianz leitete und nun das Entwicklungsnetzwerk Micah Challenge koordiniert, ist überzeugt, dass die Europäer Jesus nicht wirklich kennen. Auch weil ihn die Christen zurechtgebogen haben. Der echte Jesus habe sich nicht vor fremden Religionen und Kulturen gefürchtet.

Edwards macht Mut, an Wunder zu glauben. «Wenn Christen das Übernatürliche aus dem Evangelium ausklammern, wird seine Wahrheit seichter, nicht reizvoller.» Und er fordert den respektvollen Dialog mit der Umgebung. Der prominente Evangelikale findet, Christen sollten die Bibel ernst nehmen, ohne ihre eigenen kulturellen Filter absolut zu setzen. «Wir wissen, dass die Wahrheit immer grösser sein wird als das, was wir von ihr kennen.»

Im zweiten Teil seines angriffig geschriebenen Buchs geht Edwards auf die Vielfalt der evangelikalen Bewegung ein: Linke, Rechte und die Mitte. «Die weltweite evangelikale Familie braucht ihren linken Flügel.» Die evangelikale Rechte bittet der Autor, für ihre Anliegen kreativ und ohne Rechthaberei und Richtgeist zu kämpfen. Und: «Das Schlimmste, was wir Christen in der post-christlichen Gesellschaft einbüssen könnten, wären nicht unsere religiösen Freiheiten – es wäre das Recht, ihr zu dienen.» Darum geht es dem engagierten Theologen im Kern: dass Christen unablässig an der «geistlichen und sozialen Erneuerung der Welt» mitwirken, dass sie Zustände nicht nur kritisieren, sondern eine Alternative zu ihnen entwickeln und leben. «Unsere Gesellschaft geht auf dem Zahnfleisch – wir dürfen nicht länger warten!»

Joel Edwards: Unwiderstehlich
Neufeld Verlag Schwarzenfeld, 2010, 160 Seiten, Fr. 23.90, ISBN 978-3-86256-004-2
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Kirchen im Orient

In den Medien erscheinen sie zunehmend als Opfer von Terroranschlägen. Gehen uns die orientalischen Kirchen darüber hinaus etwas an? Ein neues, treffliches Handbuch erinnert an den Orient vor dem Islam und deutet auf den beharrlichen Glauben der Bedrängten.

Im Nahen Osten und Nordafrika hat sich der Glaube an den Messias Jesus zuerst verbreitet. Die Kirchen kamen im 7. Jahrhundert unter islamische Herrschaft. Ihre Bedrängnis, Diskriminierung und Verfolgung sollte den Blick nicht verstellen für die Eigenart und die geistliche Tradition. Das Buch «Die altorientalischen Kirchen» versammelt auf 170 Seiten grundlegende Informationen. Herausgegeben haben es Christian Lange (Erlangen) und Karl Pinggéra (Marburg).

Die verwirrende Vielfalt der Kirchen im Orient ist im wesentlichen das Ergebnis von Lehrstreitigkeiten in der Antike und von römischen Bestrebungen, östliche Kirchen an sich zu binden. Altorientalische Kirchen haben durch ihre Eigenständigkeit «das eigene orientalisch-christliche Erbe vollständiger als andere Kirchen bewahren können»: Weder von Byzanz noch von Rom wurden sie fremdgeprägt.

Bei der Islamisierung traf die Christen am härtesten das Verbot, «neue Kirchen oder Klöster zu errichten, oder verfallende neu in Stand zu setzen». Lehrstreitigkeiten und Mission, die Schrumpfung zur Minderheit, Spaltungen und die Umbrüche des 20. Jahrhunderts, Emigration und ökumenische Kontakte, Spiritualität und Gottesdienst: Die Apostolische Kirche des Osten der Assyrer (Nestorianer), die alten Kirchen Äthiopiens und Eritreas, Armeniens, Ägyptens und der syrisch-orthodoxen Tradition haben viel durchgemacht, was sich nicht zwischen Buchdeckel drucken lässt. Der mit Grafiken und Karten versehene Band (laut Verlag aktuell vergriffen!) gibt eine Ahnung davon.

Christian Lange, Karl Pinggéra (Hrsg.): Die altorientalischen Kirchen
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2010, 192 Seiten, Fr. 43.50, ISBN 978-3-534-22052-6
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Die Gemeinde, die ich suche

Bekanntlich ist die perfekte Kirche, die ich suche, nicht mehr perfekt, sobald ich zu ihr gehöre. Und doch ist das Sehnen nach der Gemeinde, die ihre Leute gründlich bewegt, ernst zu nehmen. Bei Larry Crabb ist aus dem Sehnen ein Buch geworden. Crabb gehört durch seine Bücher zu den bekanntesten Seelsorgelehrern Nordamerikas. «Gemeinde. Aber richtig!» befasst sich in der 1. Person mit der «Real Church»: «Gibt es sie wirklich? Kann ich sie finden?» Der Psychologe ist dafür bekannt, dass er nicht bei Betrachtungen stehen bleibt, sondern Einsatz fordert: «Kann ich mithelfen, sie aufzubauen? Was für eine Gemeinde würde in mir den Drangen wecken, zu ihr gehören zu wollen?»

Wie sieht die ideale Gemeinde für Crabb aus? «1. Sie hungert nach der Wahrheit, die Süchtige frei macht. 2. Sie achtet auf die nötigen Zutaten im Heilmittel gegen Sucht. 3. Sie findet Zufriedenheit darin zu wollen, was Jesus will. 4. Sie ist voller Energie für die Mission.» Am Ende des sehr persönlich geschriebenen Buchs appelliert Crabb an den Leser, mit der Kritik an allem Mangelhaften und Fehlenden aufzuhören. Und: «Erweckung hängt von dem Gebet ab. Gottes Geist möge uns sehen und hören lassen, was Jesus sah und hörte.»

Lawrence J. Crabb: Gemeinde. Aber richtig!
Brunnen Verlag Basel, 2010, 280 Seiten, Fr. 29.80, ISBN 978-3-7655-1460-9
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Krise der Theologie – Zukunft der Kirche

Pfarrerinnen und Pfarrer geben der Kirche ein Gesicht. Die Schwäche der Kirche und gesellschaftliche Entwicklungen lassen das Theologiestudium als weniger attraktiv erscheinen. An den staatlichen Fakultäten der welschen Schweiz ist die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern in eine tiefe Krise geraten. In Lausanne hat die Religionswissenschaft der Theologie den Rang abgelaufen. Am Lac Léman wird debattiert, ob die christliche, dem Glaubensgut verpflichtete Theologie an der säkular ausgerichteten Universität überhaupt einen Platz hat.

Der bekannte Waadtländer Theologe Shafique Keshavjee, Professor für ökumenische und Religionstheologie an der Universität Genf, hat sich in den öffentlich ausgetragenen Debatten exponiert. Er verlässt seinen Lehrstuhl Ende Jahr im Protest gegen die Nachgiebigkeit von Theologen, die akademisches Terrain halten, indem sie das Bekennende der Theologie preisgeben, im Protest auch gegen das, was er als Einschränkung der Methoden- und Meinungsvielfalt an den Fakultäten sieht. In seinem neuen Buch «Une théologie pour temps de crise» entwirft Keshavjee einen Ansatz, der die Krise zuerst als Krise der Theologie selbst begreift und Auswege aus ihr aufzeigt.

Anhand zweier bekannter welscher Theologen (einer ist Gisel) erörtert der Autor, wie Theologie und Religionen sich zueinander verhalten. Die Schweiz ist multireligiös geworden. «Diese Pluralisierung der Überzeugungen kann sowohl Öffnung wie Abschliessung provozieren, zunehmende Gastfreundschaft wie verstärkte Feindschaften.» Vor diesem Hintergrund fordert Keshavjee, dass Theo-logie sich nicht nur als menschliches Reden über Gott, sondern auch als Gottes Reden zum Menschen begreift. Die universitäre Theologie, die sich an Glaubensüberzeugungen hält, und die «philosophische, historisch-kritische» Theologie sollen sich gegenseitig in Frage stellen und stimulieren zu mehr Freiheit und Treue. Theologie muss im 21. Jahrhundert bekennend, öffentlich, akademisch und geistlich sein.

Shafique Keshavjee: Une théologie pour temps de crise
Labor et Fides, Genf, 2010, 230 Seiten, Fr. 35.00,  ISBN 978-2-8309-1386-6
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Datum: 11.12.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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