Locher gegen Deckmantel

«Gesicht zeigen heisst Mensch sein»

Die Burka sei ein ideologisches Problem, kein religiöses, sagt Gottfried Locher. Für den Präsidenten des Evangelischen Kirchenbundes hat in der Öffentlichkeit jeder Gesicht zu zeigen, denn dies heisse, Mensch zu sein.
Mit Vollverschleierung beim Kiosk einkaufen
SEK-Präsident Gottfried Locher

Das «Egerkinger Komitee» startete im März eine Initiative, welche das Verhüllen im öffentlichen Raum im ganzen Land verbietet; darunter auch die Burka und den Nikab. Eine Umfrage des «Tages-Anzeigers» unter über 15'000 Schweizern ergab eine Zustimmung von über 70 Prozent.

Im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» nennt Gottfried Locher seine Kurzformel: «Gesicht zeigen heisst Mensch sein.» Er sei dagegen, dass sich jemand öffentlich vermummt. Selbstredend ausgenommen sei die Fasnacht, so der SEK-Präsident. Insgesammt sollen keine Kleidervorschriften gemacht werden, sondern Grenzen in beide Richtungen gesetzt werden. «Wir gehen aus sittlichem Empfinden nicht nackt auf die Strasse. Andererseits stellen wir sicher, dass jemand, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, eine Identität besitzt. Dazu gehört, dass man sein Gesicht sieht.»

«Im Koran steht nichts von Verschleierung»

Gottfried Locher hält fest, dass im Koran nichts über eine solche Verschleierung stehe. «Ein Mitglied des hohen geistlichen Rats der Al-Azhar-Universität in Kairo sagte neulich, der Gesichtsschleier habe nichts mit dem Islam zu tun, ja, die Burka schade dem Ansehen des Islam. Zu meinen, die Gesichtsverschleierung gehöre zum Islam, scheint mir schlicht nicht angebracht.» Die Burka sei kein Merkmal des gesamten Islam.

Weiter hielt Locher fest: «Wer dieser Identität beraubt wird oder darauf verzichtet, ist gesichtslos. Es gibt eine Diskriminierung dadurch, dass man jemandem die Identität nimmt. Das aber ist unabhängig von der Religion und vom Geschlecht. Es geht um das Grundrecht der Identifikationsmöglichkeit.»

«Grundwert, der für alle gilt»

Im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» spricht Locher von einem Grundrecht, das für alle gilt. «Alle in unserem Land, Frauen und Männer, haben dasselbe Recht auf Identität in der Öffentlichkeit.» Die Grundrechte würden für alle gelten. Locher nennt die europäische Menschenrechtskonvention. «Das ist nicht eine theologische, sondern eine juristische Institution. Auch die Migranten müssen sich daran halten. Wir haben im säkularen Staat einen Wertekanon, der nicht verhandelbar ist und das Zusammenleben reguliert.»

Wer vermummt ist, sei nicht beziehungsfähig und auch nicht öffentlichkeitsfähig. «Eine vermummte Person kann beispielsweise kein Generalabonnement haben, kann hingegen Straftaten leichter anonym begehen.»

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Datum: 02.09.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet /idea Schweiz / Tages-Anzeiger

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