Gastkommentar

Eine Replik zur Livenet-Abstimmungsanalyse

Der Kommentar «Das Stimmvolk hat Reife bewiesen» provozierte teils heftige Reaktionen. Livenet bot den Kritikern die Möglichkeit eines Gastkommentars an. Der Berner EDU-Grossrat Samuel Kullmann hat diese Chance ergriffen. Hier seine Replik zum Livenet-Kommentar.
Bundeshauskuppel
Sam Kullmann

Am 19. Mai 2019 hat das Stimmvolk über zwei eidgenössische Vorlagen befunden. Im Kanton Bern stand mit dem revidierten Sozialhilfegesetz zusätzlich ein sehr emotionales Thema zur Debatte. In diesem Kommentar möchte ich - als Reaktion auf eine ungewohnt einseitige Analyse von Livenet - gerne einen anderen Blickwinkel auftun.

Zu den eidgenössischen Vorlagen:

Mit der Steuer-AHV-Vorlage (STAF) und der Übernahme der EU-Waffenrichtlinie standen zwei Vorlagen zur Abstimmung, die einige technische Details beinhalten. Fast ausnahmslos bei jeder Abstimmungsvorlage gibt es viele gute Pro-Argumente, oftmals aber auch zahlreiche Contra-Argumente. Je nach Gewichtung der Argumente, je nach persönlicher Prägung und je nach Zukunftserwartung kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Handelten alle Bürgerinnen und Bürger nicht «reif», welche die STAF-Vorlage ablehnten? Ist die Erhöhung der Lohnabzüge in einem Land, mit bereits sehr hohen Löhnen, wirklich der Weisheit letzter Schluss? 

Viele Gegner der EU-Waffenrichtlinie störten sich daran, dass die EU immer mehr Aspekte der nationalen Souveränität (auch in der Schweiz) aufhebt und sagten aus diesem Grund Nein zur Vorlage.

Zur umstrittenen Abstimmung ums Sozialhilfegesetz im Kanton Bern:

Besonders starke Kritik musste man einstecken, wenn man sich für ein Ja zum revidierten Sozialhilfegesetz aussprach. «Unchristlich, unsolidarisch, menschenverachtend» waren einige der Vorwürfe, mit denen man konfrontiert war. Da die Ausgaben für die Sozialhilfe zwischen 2006 und 2017 von 300 Millionen Franken auf 470 Millionen Franken stiegen, ist es nicht falsch, Ansätze zu suchen, wodurch das Ausgabenwachstum etwas gebremst werden kann.

Sinnvolle Reform

Das revidierte Sozialhilfegesetz war jedoch nicht in erster Linie eine Sparübung, sondern eine sinnvolle Reform, die bessere Anreize gesetzt hätte. Diese Reform sah eine generelle Kürzung des materiellen Grundbedarfs um 8 Prozent vor, bezogen auf die Gesamtausgaben entspricht dies einer massvollen Kürzung um 2,8 Prozent. Weitere Kürzungen wären möglich gewesen bei jungen Erwachsenen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen, die nach über sieben Jahren das tiefste Sprachniveau noch nicht erreicht haben, also keinerlei Integrationsbemühungen zeigten.

Gutes Verhalten belohnen

Kürzlich wurde eine Statistik veröffentlicht, gemäss der 84 Prozent der Somalier in der Schweiz von der Sozialhilfe leben. Dies mag in vielen Fällen nachvollziehbare Gründe haben, doch wo schlicht und einfach die Integrationsbereitschaft fehlt, soll man auch die Sozialhilfe kürzen dürfen.

Auf der anderen Seite sah die Gesetzesrevision eine grössere finanzielle Belohnung für kooperative Sozialhilfebezüger vor, z.B. eine Erhöhung der Integrationszulagen um bis zu 200 Franken und länger gewährte Einkommensfreibeträge, also Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die man behalten kann. Diese ausgleichenden Massnahmen hätten dafür gesorgt, dass die Sozialhilfereform nicht eine Sparübung auf dem Buckel der Ärmsten gewesen wäre, sondern sinnvolle Anreize verstärkt worden wären.

Hier geht's zum Livenet-Kommentar vom 20.05.2019

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Datum: 27.05.2019
Autor: Samuel Kullmann
Quelle: Livenet

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