Der abgelehnte Entwurf des "Gesetzes zu den Ursprüngen des Lebens" sah vor, dass Lehrer verpflichtet werden sollten, Schülern zu erklären, dass nicht alle Wissenschaftler mit der Evolutionstheorie und ihren Aussagen über den Ursprung des Lebens einverstanden seien. Alternative Theorien zur Evolutionslehre hätten laut dem Gesetzentwurf aber nicht genannt werden sollen. Befürworter wie Gegner des Entwurfes sahen darin jedoch eine Ermutigung zur Lehre des "Intelligent Design", nach der ein intelligentes Wesen die gesamte Entwicklung des Lebens steuert. Der Gesetzentwurf wurde abgelehnt, nachdem der Führer der Republikaner in Utah, Stephen Urquhart, sich für eine allgemeine Trennung von Wissenschaft und Religion ausgesprochen hatte. "Gott hat kein Problem mit Wissenschaft", sagte Urquhart. Auch mormonische Abgeordnete lehnten den Entwurf mehrheitlich ab, weil sie die Theorie des "Intelligent Design" als nicht im Einklang mit der mormonischen Glaubensauffassung sehen. Im Parlament von Utah wurde schliesslich lediglich beschlossen, dass die Schulbehörde des Bundesstaates "Lehrplanauflagen zum Wissenschaftsunterricht" ausarbeiten soll. In den vergangenen Monaten hatten auch die Anhänger des "Intelligent Design" im Bundesstaat Ohio und im Nachbarstaat Pennsylvania Rückschläge erlitten. Der Bundesstaat Ohio zog Mitte Februar einen Rahmenlehrplan für den Biologieunterricht zurück, in dem eine kritische Infragestellung der klassischen Evolutionstheorie nach Darwin gefordert wurde. Ohio war seit 2002 der erste US-Staat, der die Evolutionstheorie mit besonderer Distanz lehrte. Im Dezember entschied ein Bundesgericht in Pennsylvania, dass die Lehre des "Intelligent Design" im Biologieunterricht nicht verfassungskonform sei. Sie dürfe nur im Religionsunterricht behandelt werden. Von Bruno Graber Die Evolutionstheorie entzweit die Menschen in den USA. In einer Gallup-Umfrage meinen 53 Prozent aller Amerikaner, "dass das Leben in seiner heutigen Form genauso erschaffen wurde, wie es in der Bibel steht". Es ist also verständlich, dass viele Eltern wünschen, dass dies auch so in der Schule gelehrt wird. Das grosse Problem: Da Religionsunterricht in öffentlichen US-Schulen gesetzlich verboten ist, soll ID (Intelligent Design) im Biologieunterricht gelehrt werden – was wiederum im ganzen Land zu scharfen Kontroversen zwischen Eltern, Lehrern und nicht selten auch Schülern führt. Der tiefere Grund für diese Auseinandersetzung: Die Menschen wollten schon immer ihre Freiheit, Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Da kommt die Evolutionstheorie wie gerufen. Die Konsequenz daraus: man kann sich scheinbar nicht länger als Geschöpf Gottes verstehen. Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie hat den Tod seiner 10jährigen Tochter Annie damals weder verkraften noch begreifen können. Das war auch ein Grund, weshalb er seine ganze Energie für die Evolutionstheorie aufwandte, um sich von Gott, dem er sich anfangs durchaus verbunden fühlte, loslösen zu können. Ein Schritt in die Eigenständigkeit, weg von dem Gott, der seiner Tochter nicht geholfen hatte. Auch heute sind persönliche Gründe ausschlaggebend dafür, auf welche Seite man sich stellt. Wissenschaftliche Argumente spielen eine Nebenrolle. Mich stört an dieser Auseinandersetzung auch, dass sie nur scheinbar geführt wird. Wirkliche Diskussionen zwischen den Vertretern der beiden Richtungen werden umgangen oder nicht wirklich kontrovers geführt. Man delegiert die Wahrheitsfindung lieber an die Richter. Wissen die denn besser, wie es wirklich ist? Letztlich müssen Laien und Richter an das Wissen der Forscher glauben. Die sorgen dafür, dass das Wissen immer weiter wächst und sich alle paar Jahre verdoppelt oder verdreifacht und viele frühere „Erkenntnisse“ wieder berichtigt werden. Momentaufnahmen, die sich uferlos ausbreiten. Wer kann da noch wirklich Schritt halten? Was die Wissenschaft erkundet und eine Wissensgesellschaft ausmacht, müssen wir mehr glauben als wissen. Wir glauben, etwas zu wissen, und wissen doch nur, dass wir glauben müssen, was man uns sagt. Wieso soll ich nicht einem anderen Wissenschaftler glauben, der behauptet: „Das Leben einem chemischen Unfall auf der Erde zuschreiben zu wollen, käme dem Versuch gleich, ein bestimmtes Sandkorn an allen Stränden auf allen Planeten im Universum zu suchen – und es zu finden“ (Chandra Wickramsinghe, Professor am University College in Cardiff, England). Ich wundere mich immer wieder, wie untolerant in diesen Fragen miteinander umgegangen wird. Wer eine andere Meinung vertritt, wird verfolgt: Caroline Crocker hat es beispielsweise ihren Job gekostet. Die Biologie-Dozentin wurde vor kurzem von der George Mason University in Virginia vor die Türe gesetzt, weil sie Studenten dort erklärt hatte, dass Zweifel an Darwins Evolutionstheorie durchaus angebracht sind und vieles für "Intelligentes Design", sprich göttliche Schöpfung, als Ursprung alles Lebens spricht. Darf man heute so etwas nicht mehr sagen?Mormonen ausschlaggebend
Nur im Religionsunterricht
Kommentar
„Die Auseinandersetzung wird nur scheinbar geführt“
Datum: 02.03.2006
Quelle: Kipa