Aus dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit entsteht Zuversicht

Eine sechste Lektion, die ich aus dem Leben William Cowpers gelernt habe, ist, wie Gott es im Leben an-derer Menschen zu gebrauchen scheint. Vor einigen Jahren habe ich eine frühere Version dieses Kapitels bei einem Sonntagsabend-Gottesdienst der Bethlehem Baptist Church vorgetragen. Schon seit langer Zeit, so stellte sich heraus, hatte ich die Gemeinde nicht mehr so sehr ermutigt wie an diesem Tag. Die Beschreibung über dieses unglückliche Leben schenkte vielen Zuversicht und Hoffnung. Zweifellos gibt es dafür genauso viele verschiedene Gründe, wie es verschiedene Menschen gibt. Aber ganz bestimmt lernt man daraus, dass diejenigen unter uns, die lehren, predigen und andere Menschen ermutigen wollen, ihren Glauben und ihre Hoffnung nicht aufzugeben, sich nicht nur auf Erfolgsgeschichten beschränken sollten. Das Leben William Cowpers hatte eine Mut machende Wirkung. Das ist eine sehr wichtige Lektion.

Auch die Bibel rechtfertigt dieses merkwürdige Konzept der Ermutigung. David, der König Israels, spricht zum Beispiel in Psalm 40,2-4 über sein langes Elend in der »Grube des Verderbens aus Schlick und Schlamm«. »Beharrlich habe ich auf den Herrn geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört. Er hat mich heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm.« Er sagt uns nicht, wie lange er so »beharrlich« gewartet hat. Stunden? Tage? Wochen? Monate? Zuerst geht es darum, dass er nicht über Gott fluchte , so der nach ihm rief , obwohl er so la ge warten musste. Doch der Hauptpunkt ist der, dass Menschen durch das Zeugnis seiner Errettung geholfen wird – nicht trotz, sondern weil David sein allgemein bekanntes Elend mit ihnen teilt. »Er hat meine Füsse auf Felsen gestellt, meine Schritte fest gemacht. Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang auf unseren Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den Herrn vertrauen.« Die Menschen fürchteten Gott und setzten ihr Vertrauen auf ihn, weil der König in der »Grube des Verderbens« war und Gott sein Schreien hörte und ihn errettete. Wer weiss schon, ob ein Schicksal, das uns trifft, nicht für solch einen schmerzvollen Weg vorgesehen ist, damit andere Menschen Gott loben können?

Natürlich könnte man dagegenhalten: »Ja, aber Davids Leben wurde gerettet, und ihm wurde ein ›neues Lied‹ in den Mund gelegt. Bei William Cowper war es anders.« Das ist wahrscheinlich richtig. Ich sage »wahrscheinlich«, weil es sein kann, dass nach der immer wiederkehrenden selbstmörderischen Finsternis Cowper immer wieder neue Lieder gegeben wurden. Ob es am Ende so war, ist fraglich. Aber auch dieser Fall wird in der Bibel erwähnt.

Wenn David in Psalm 139,7 sagt: »Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist, wohin fliehen vor deinem Angesicht?«, impliziert seine Antwort »nirgendwohin«. och sein letzter Zufluchtsort in verzweifelten Zeiten ist die Finsternis seiner eigenen Seele. »Und spräche ich: Nur Finsternis möge mich verbergen und Nacht sei das Licht um mich her: Auch Finsternis würde vor dir nicht verfinstern, und die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht« (Psalm 139,11-12). Achten Sie darauf, dass es hier nicht um die objektive überwältigende Finsternis geht; es geht um Davids Aussage: »Nur Finsternis möge mich verbergen.« Es ist das subjektive Gefühl der Finsternis. Es sind Gefühle der Verzweiflung. Das hört sich genauso an wie Cowpers Worte in seinen letzten Tagen. »Das Licht um mich herum wird wie die Nacht sein.« Doch darauf ist die Antwort: »Auch Finsternis würde vor dir nicht verfinstern.« Was Gottes Kinder als finster empfinden - objektiv und subjektiv -, ist vor Gott nicht finster.

Der Punkt ist nämlich der, dass es in der Bibel, in der Geschichte und in unserem Leben Geschichten gibt, die kein glückliches und frohes Ende haben. Doch auch diese sind nicht hoffnungslos, sondern von Gottes allmächtiger und barmherziger Weisheit geplant, um jenen Menschen Hoffnung zu geben, die sich davor fürchten, mit ihrer Verzweiflung zutiefst allein zu sein. Diesen Grundsatz erklärt Paulus in 1. Timotheus 1,16: »Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteil geworden, damit Jesus Christus an mir als dem Ersten die ganze Langmut beweise, zum Vorbild für die, welche an ihn glauben werden zum ewigen Leben.« Die Beispiele von Gottes Langmut in der Vergangenheit können nicht ihren Zweck erfüllen, nämlich zu retten und Kraft zu spenden, wenn sie nicht erzählt werden wie die Geschichte von William Cowper.

Fortsetzung: Standhaft im Leid

Datum: 04.03.2008
Autor: John Piper
Quelle: Standhaft im Leiden

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