Geschäfte mit dem Sudan – auf wessen Kosten?

Omer al-Bashir, Präsident der Republik Sudan
Kind

Christian Solidarity International (CSI) äusserte seine tiefe Besorgnis über den Arbeitsbesuch von General Omer al-Bashir, den "islamistischen Präsidenten" des Sudan vom Donnerstag in der Schweiz. CSI bezeichnet diesen als mutmasslichen Kriegsverbrecher.

CSI-Präsident Pfarrer Hansjürg Stückelberger forderte, es solle eine besondere Parlamentskommission gegründet werden, um die Verantwortung von General Bashir für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen zu untersuchen. General Bashir müsse zudem seinen Aufruf zum gewaltsamem Jihad (Heiligen Krieg) zurücknehmen und ein Friedensabkommen mit der sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) unterzeichnen. Erst dann sei ein solcher Besuch statthaft.

Die Mitglieder der schweizerisch-arabischen Handelskammer sowie die schweizerischen Geschäftsleute ruft CSI auf, von einem Treffen mit Bashir abzusehen und auf jegliche Handelsbeziehungen mit dem Sudan so lange zu verzichten, bis Bundesrat Deiss dafür garantieren könne, dass die sudanesischen Streitkräfte nicht von Schweizer Investitionen in die sudanesische Wirtschaft profitierten.

Bundespräsident Villigers Gast steht laut CSI für ein Regime, das für ethnische Säuberung, Sklaverei, künstlich produzierte Hungersnot, Manipulation humanitärer Hilfe, Bombenangriffe und Überfälle auf humanitäre Einrichtungen verantwortlich ist (u.a. von IKRK und CSI), dazu für Folter und Verfolgung von Christen und anderen Minderheiten.

Sudan zur Ratizifizierung der Genfer Konvention aufgefordert

Die Schweiz hat Sudan zur Ratifizierung der Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention aufgefordert. An dem Treffen vom Donnerstag in Interlaken von Bundesrat Joseph Deiss mit dem sudanesischen Präsidenten Omar el Baschir kamen auch Fragen der Menschenrechte zur Sprache, wie das EDA mitteilte.

Man habe auch über den Waffenstillstand in den Nuba-Bergen und dessen Bedeutung für den Rest des Landes und die ganze Region gesprochen, sagte der Sprecher des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Livio Zanolari. Intensiv sei dabei zudem über die Menschenrechte diskutiert worden, die insbesondere auch in Kriegssituationen beachtet werden müssten. Die Schweiz habe Sudan aufgefordert, die Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention und die Kinderschutzkonvention zu ratifizieren sowie die Anti-Minenkonvention zu unterzeichnen. Gleichzeitig sei der Sudan auch zu einem Beitritt zum internationalen Strafgerichtshof aufgefordert worden. Die Schweizer Regierung habe zudem ihren Standpunkt gegen die Todesstrafe und insbesondere gegen die Todesstrafe bei Kindern betont.

Investitionsschutzabkommen unterzeichnet

Laut Zanolari wurde ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Sudan unterzeichnet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat sich in einer Mitteilung für die Fortsetzung der Schweiz in der Rolle als Vermittler ausgesprochen. Der Krieg im Sudan dürfe hingegen nicht mit Schweizer Investitionen verlängert werden.

Gestern nahm der sudanesische Präsident am „Forum économique Soudan“ (Wirtschaftsforum Sudan) teil, das von der Arabisch-Schweizerischen Handelskammer und von der sudanesischen Botschaft in Genf organisiert wurde. Im Rahmen einer Kampagne zur Förderung der Investitionen kam die Delegation, die Präsident al-Bashir begleitet, mit mehreren Schweizer Privatunternehmen, die Interesse für den sudanesischen Markt bekundenzusammen.

Auf wirtschaftlicher Ebene ist der Sudan der achtgrösster Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent (die Exporte beliefen sich im Jahr 2001 auf 28 Millionen Schweizer Franken). In der Region Afrikas südlich der Sahara ist der Sudan der viertgrösste Absatzmarkt für Maschinen und pharmazeutische Produkte.

Medien verschweigen weitere Hintergründe

Von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen findet seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg im Sudan statt, der bisher über zwei Millionen Tote und fünf Millionen Flüchtlinge forderte.

Nachrichten- und Fernsehsender, Zeitungen und Illustrierten schweigen überwiegend zu dieser Katastrophe. Nur einige Eingeweihte wissen um die Hintergründe dieser mörderischen Auseinandersetzung im grössten afrikanischen und zehntgrössten Land der Welt.

Nicht primär ein Religionskrieg

Es herrscht kein Religionskrieg zwischen Moslems und Christen. Moslems und auch grosse Gruppen der Animisten, Anhänger traditioneller Naturreligionen, werden in den von Khartoum nicht besetzten Regionen in gleicher Weise bekämpft, bombardiert, vertreiben und entführt wie Christen. Der Islam wird instrumentalisiert, wird als Machtmittel missbraucht, um andere zu unterwerfen.

Ökonomische Gesichtspunkte spielen eine entscheidende Rolle: Die bisher grössten Ölquellen wurden im Süden entdeckt. Fast alle Ölkonzerne der Welt suchen dieses Öl zu fördern, ein Rohstoff, der Milliarden Dollar Gewinne verspricht.

Zum Schutz der Ölfelder haben Regierungstruppen und verbündete Milizen Zehntausende von Dorfbewohnern vertrieben, Männer, Frauen und Kinder sind ermordet oder in den Hunger getrieben worden, ihre Dörfer wurden niedergebrannt.

Zusammenhang zwischen Ölförderung und Kampfhandlungen

Die Regierungspolitik der "verbrannten Erde" hat Zehntausende Südsudanesen zu Flüchtlingen gemacht, Hunderte sind getötet worden. Es wurde berichtet, dass in einem neuen Fördergebiet in der Region Eastern Upper Nile, welches im März 2001 in Betrieb genommen wurde, 48 Dörfer niedergebrannt wurden. Daraufhin sind 55.000 Menschen geflohen. Augenzeugen berichten, dass es entlang einer Strasse im Ölfeld, die für europäische Firmen gebaut wurde, kein einziges Lebenszeichen mehr gibt.

Darüber hinaus verwendet der Sudan das Geld aus dem Ölexport, etwa 1 Million US $ täglich, um Waffen für den eskalierenden Krieg. Diese Waffen werden auch gegen Zivilisten in der Ölregion eingesetzt. Ein riesiges Gebiet ist daher zum neuen Kriegsschauplatz geworden. Die ganze Region ist von einer massiven Militarisierung betroffen, der die Menschen schutzlos ausgeliefert sind. Die sudanesische Regierung hat Hilfsflüge in diese Region verboten. Daher wächst die Gefahr einer schweren Hungersnot.

Mitarbeiter der Ölfirmen jedoch haben freien Zugang. Menschenrechtsorganisationen warnen, dass aus weiteren riesigen Landstrichen, wie dem Gebiet, wo der Ölkonzern TotalFinaElf, auf 120.000 km² in der Nähe der Stadt Bor, Konzessionen besitzt, Menschen auf die brutalste Art und Weise durch Bombardierungen und massive Gewalt von Seiten der sudanesischen Armee bzw. von sudanesischen Milizen vertrieben werden könnten.

Menschenrechtler gegen Sudans «Scheinfrieden»

Gestern haben der sudanesische Präsident Omar Hassan Ahmed al-Bashir und Bundesrat Jospeh Deiss in Bern ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet. Dies als weiteren Schritt im Friedensprozess zwischen dem Norden und dem Süden des afrikanischen Landes. Bereits am 19. Januar dieses Jahres wurde auf dem Bürgenstock ein Waffenstillstandsabkommen für das Gebiet der Nuba-Berge (Sudan) unterzeichnet.

Weil es für die Entwicklung und Stabilität von Sudans Süden finanzielle Ressourcen brauche, stärke dieses Abkommen das Vertrauen von Investoren, sagte Bundespräsident Kaspar Villiger vor den Medien.

Etwas anders sieht es die Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI), die vor dem Bundeshaus gegen den Besuch des sudanesischen Präsidenten demonstrierte. Sie wirft al-Bashir Verfolgung und Folter von Christen und anderen religiöser Minderheiten sowie Bombenangriffe auf humanitäre Einrichtungen vor. Zu denken gibt zudem die kürzliche Aufforderung al-Bashirs zum Jihad.

Daniel Rehfeld hat den Leiter der CSI zur gestrigen Aktion der Menschenrechtsorganisation vor dem Bundeshaus befragt.

Audio-Beitrag

Datum: 26.10.2002
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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