Was die anderen Pub-Besucher für einen guten Witz hielten, entpuppte sich im Nachhinein als die reine Wahrheit: Der britische Biologe und sein 24-jähriger US-Kollege James Watson hatten unmittelbar zuvor in ihrem Labor die Doppelhelix-Struktur der DNA entdeckt - jenes Molekül, das die Erbinformation aller Organismen trägt. So bedeutend diese Erkenntnis auch war, zunächst ging sie fast unter. Schliesslich gab es 1953 genug andere Ereignisse, die die Menschen in ihren Bann schlugen: Stalin starb, Elizabeth II. wurde zur Königin gekrönt, der erste Mensch bezwang den Mont Everest. Die Doppelhelix erschien da nicht so wichtig. Erst im Laufe der Zeit wurde die Dimension deutlich. Denn Crick und Watson beschrieben nicht nur die Struktur des DNA-Moleküls. Sie erkannten auch, dass das Geheimnis der Vererbung in der Trennung der sich umschlingenden Stränge steckt, von denen die Natur dann identische Kopien herstellt. Die Doppelhelix ist inzwischen zum grafischen Symbol des Lebens geworden. Entsprechend gross wurde am Freitag das 50-jährige Jubiläum weltweit gefeiert. Die Bedeutung der Entdeckung umschrieb Watson einmal so: "Wir dachten immer, unser Schicksal steht in den Sternen. Nun aber wissen wir, dass unser Schicksal in unseren Genen bestimmt ist." Das Wissen über die in der DNA versteckten Gene hat sich in den vergangenen Jahren enorm vergrössert. Die Diskussion über Fluch oder Segen der Gentechnik wird nicht mehr nur unter Wissenschaftlern geführt, sie beschäftigt jeden Einzelnen. Dabei ist die Genforschung mit vielen Ängsten behaftet. So oder so wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis der erste Mensch geklont ist. Die Raelianer-Sekte will dieses Tabu sogar schon gebrochen haben, auch wenn es dafür bisher keinen Beleg gibt. Die Genforschung allerdings hat auch sehr viel Gutes gebracht. So können etwa Erbkrankheiten heute genauer beschrieben werden, was immer den ersten Schritt zur Heilung bedeutet. Und unabhängig von den medizinischen Hoffnungen hat die Entschlüsselung der DNA allen Rassisten den Wind aus den Segeln genommen. Denn die Genom-Analyse hat gezeigt, dass alle sechs Milliarden Menschen auf der Welt von wenigen kosmetischen Unterschieden abgesehen gleich sind: Genetisch stimmen wir zu 99,9 Prozent überein. Voraussetzung für all diese Erkenntnisse war die Entdeckung der DNA-Struktur durch Crick und Watson. Dafür erhielten sie und ihr Mitarbeiter Maurice Wilkins 1962 den Nobelpreis für Medizin. Dabei wurde nach Ansicht vieler Wissenschaftler allerdings der Beitrag einer Frau unterschlagen: Rosalind Franklin. Sie bearbeitete seit Beginn der 50er Jahre in London kristalline DNA mit Röntgenstrahlen und erschloss daraus deren dreidimensionale Gestalt. Doch in der männerdominierten Wissenschaftler-Szene wurde ihr Anteil an der Entdeckung der DNA-Struktur unterschlagen. Im Alter von 37 Jahren starb sie an Krebs - ohne die ihr gebührende wissenschaftliche Anerkennung.
Datum: 03.03.2003
Quelle: pte online