Verbietet Indonesien private Ehen?

Indonesische Frauen schminken sich für ein bevorstehendes Hochzeitsfest.

Die indonesische Regierung will nicht-standesamtliche Eheschliessungen verbieten und die Hürden für Polygamisten erhöhen. Der Gesetzesentwurf erhitzt die Gemüter im südostasiatischen Inselreich.

Mit der Vorlage, die noch vom Präsidenten abgesegnet und danach vom Parlament genehmigt werden muss, will das Religionsministerium Musliminnen besser schützen. Indonesiens Muslime sollen eine Ehe nur vor dem staatlichen Standesbeamten und mit den erforderlichen Papieren eingehen können. Weiter wird ihnen die Ehe mit weiteren Frauen erschwert: Sie haben vorab ihre Finanzen offenzulegen und müssen eine schriftliche Einwilligung ihrer ersten Frau beibringen. (Nach islamischem Recht kann ein Muslim mit vier Frauen verheiratet sein, wenn er imstande ist, für sie aufzukommen.)

Grauzone

Im Staat mit der grössten muslimischen Bevölkerung weltweit ist die inoffizielle eheliche Verbindung (nikah siri) nach islamischem Recht weit verbreitet. Nikah siri hat viele Facetten: Junge Muslime, namentlich Studenten, können zusammen leben und der Anklage der Unzucht entgehen. Die Sängerin Dewi Persik gab eine geheime Verbindung mit ihrem Lover zu; sie habe es getan, um ihn glücklich zu machen. In der Touristenregion Bogor in Westjava lassen sich junge Indonesierinnen temporär mit Besuchern aus dem Nahen Osten ein; unter dem Etikett nikah siri geht das durch.

Frauen und Kinder ohne Schutz

Frauenrechtlerinnen weisen darauf hin, dass Frauen mit nikah siri für ihre Kinder keine Geburtsscheine erhalten, da der Staat keinen Vater kennt. Frau Masruchah, Generalsekretärin der Frauenkoalition des Landes, spricht sich in der Zeitung ‚Jakarta Post‘ entschieden für das Verbot der Privatverbindungen aus: „Viele Frauen stecken in nikah siri fest. Wenn ein Mann seine Frau schlägt, verarmt oder sich scheiden lässt, ist sie durch keine staatlichen Gesetze geschützt.“ Die inoffiziellen Verbindungen führten zu sozialen und Familienkonflikten und diskriminierten die Frauen. Sie seien nicht vereinbar mit den bestehenden Gesetzen des Landes. „Nikah siri nimmt der Frau ihre Würde und macht sie zur Ware.“

Islamischer Wildwuchs

Masruchah erwähnt den „wachsenden religiösen Eifer in einigen Gegenden“. Ein Leser der ‚Jakarta Post‘ erwähnt, dass sich zunehmend Muslime ohne Qualifikation als Geistliche (ulema) aufspielen. Bei solchen Leuten könnten sexlüsterne und polygam orientierte Männer eher die Genehmigung für nikah siri einholen. Diesen Praktiken solle, findet der Leser, dadurch ein Riegel geschoben werden, dass der Staat Vorschriften für die ulema erlasse.

Der extremistische Islam-Lehrer Abu Bakar Baasyir liess sich vernehmen, ein Feigling sei, wer nicht öffentlich heiraten wolle. Der Staat solle diese Art von Ehen sofort stoppen. Doch es gibt auch Vorbehalte gegen die Vorlage. Ein Leser der ‚Jakarta Post‘ meinte, unter nikah siri hätten mehr Frauen und ihre Kinder jemand, der für sie sorge, als wenn diese Verbindungen verboten würden.

Wirkungslos?

Die islamische Intellektuelle Siti Musdah Mulia wandte ein, die Vorlage werde die Frauen und Kinder nicht wirksam schützen. Die Strafen seien zu schwach (bis drei Monate Haft, Busse bis 500 Franken). Vor allem müsse die Regierung gegen muslimische Leiter in entlegenen Gebieten vorgehen. Die Führer der mächtigen Massenorganisationen äusserten sich reserviert; der Staat dürfe islamische Prinzipien nicht verletzen. Der Muhammadia-Vorsitzende Din Syamsuddin warnte vor der „Einmischung in religiöse Bereiche“.

Wer herrscht im Eherecht?

Mit dem geforderten Verbot von nikah siri steht die Kompetenz des Staats im Bereich des Familienrechts zur Debatte, in welchem die ulema jedenfalls in ländlichen Gebieten traditionell den Tarif durchgeben. Das moderne Konzept der Nicht-Diskriminierung steht ihrer Praxis entgegen. Die Islamisten, die auf eine durchgehende Islamisierung des öffentlichen Lebens drängen, stellt die Vorlage vor ein Dilemma: Bejahen sie dieses Vorgehen des Staats gegen Konkubinat und Prostitution, gestehen sie ihm mehr Kompetenzen zu und stärken Frauenrechtlerinnen den Rücken. – Von Indonesiens Bevölkerung von 235 Millionen bezeichnen sich über 85 Prozent als Muslime.

Quelle: Livenet / Jakarta Post

Datum: 10.03.2009
Autor: Peter Schmid

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