«Beileid ist nicht genug»

Syrischer Patriarch kritisiert neuen Präsidenten

Nach dem Anschlag in der Kirche
Ein hochrangiger Geistlicher hat Präsident Ahmed al-Scharaa öffentlich getadelt und ihm vorgeworfen, religiöse Minderheiten nicht zu schützen, nachdem ein Selbstmordattentat in einer Kirche in Damaskus mindestens 25 Tote gefordert hatte.

Der Anschlag, der während einer Sonntagsmesse verübt wurde, war der erste grosse Angriff auf Christen in Syrien seit dem Sturz des Assad-Regimes. Der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Johannes (X) Yazigi, sprach zu den Trauernden, die sich in der Kirche des Heiligen Kreuzes versammelt hatten, wo neun Opfer in weissen, mit Blumen bedeckten Särgen beigesetzt wurden. An dem Gottesdienst nahm auch Sozialministerin Hind Kabawat teil, die einzige Christin und die einzige Frau in der neuen syrischen Regierung.

Massnahmen statt Mitgefühl gefordert

«Bei aller Liebe und allem Respekt, Herr Präsident, Sie haben gestern am Telefon ... Ihr Beileid bekundet. Das ist nicht genug für uns», sagte der Patriarch. «Wir sind dankbar für den Anruf. Aber das Verbrechen, das stattgefunden hat, ist ein bisschen grösser als das.» Der Bombenanschlag sei eine direkte Folge des Versagens der Regierung, und Yazigi forderte Massnahmen statt Mitgefühl. «Was mir wichtig ist – und ich sage es deutlich –, ist, dass die Regierung die volle Verantwortung trägt», sagte er unter dem Beifall von Hunderten von Trauernden, die an dem Gottesdienst teilnahmen.

Koordinierte Aktion

Die Explosion ereignete sich am 22. Juni im Stadtteil Al-Douweila in Damaskus während eines Gebetsgottesdienstes in der Mar-Elias-Kirche, wobei mindestens 25 Menschen getötet und 59 weitere verletzt wurden. Der Angreifer, der als Mitglied der Terrorgruppe «Islamischer Staat» identifiziert wurde, betrat die Kirche, eröffnete das Feuer auf die Gläubigen und zündete dann eine Sprengstoffweste.

Zwei weitere Kirchen in Damaskus wurden etwa zur gleichen Zeit angegriffen. Ein Selbstmordattentäter verübte einen Anschlag auf das Kloster Deir Ibrahim al-Khalil in Douweila, während andere Angreifer die Liebfrauenkirche in Maqsura ins Visier nahmen, wie All Arab News berichtet.

«Verbrechen gegen alle Syrer»

Präsident al-Sharaa bezeichnete die Bombardierung als ein Verbrechen gegen alle Syrer, vermied es jedoch, in seiner Ansprache am 23. Juni die Worte «Christen» oder «Kirchen» ausdrücklich zu erwähnen. Seine Regierung erklärte später, dass zwei Kämpfer des Islamischen Staates (IS) bei nachfolgenden Sicherheitsoperationen getötet worden seien, darunter einer, der dem Bombenleger angeblich das Eindringen in die Kirche ermöglicht habe.

Die neue syrische Übergangsregierung, die nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember gebildet wurde, hat sich zu einer wirksameren Terrorismusbekämpfung verpflichtet. Trotz verstärkter Bemühungen bleibt der IS nach Angaben der Geheimdienste die grösste interne Bedrohung für die syrische Regierung.

Christen, die vor dem Krieg zehn Prozent der 22 Millionen Einwohner Syriens ausmachten, zählen heute nur noch ein paar Hunderttausend. Die meisten von ihnen sind seit Beginn des Bürgerkriegs aus Angst vor Verfolgung und Unsicherheit aus dem Land geflohen. Al-Sharaa hatte bei seinem Amtsantritt den Christen in Syrien zugesichert, sie könnten unbehelligt im Land bleiben und ihre Religion frei ausüben.

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Datum: 02.07.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Post

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