Ein reformiertes Einmaleins – Antwort auf Alphalive?
48 Karten enthalten je eine Frage und eine knappe Antwort, die an zwölf Abenden diskutiert werden sollen. Am Donnerstag wurde der Kurs den Medien in Zürich vorgestellt. Gedanken am Tag danach:
- Die Kirche Zwinglis bringt ein „reformiertes Einmaleins“ auf den Markt. Bisher dominierte der dreijährige Theologiekurs das Angebot in der Erwachsenenbildung. Zwölf Abende soll ein glauben12-Kurs dauern; dazu können sich viele entschliessen. Die 48 Fragen und Antworten haben Platz auf einem Plakat.
- Alphalive sei Dank: Dass der weitverbreitete Glaubenskurs den Anstoss für glauben12 gab, wurde vor den Medien freimütig zugegeben. Die Zürcher Landeskirche reagiert: Auf der Webseite glauben12.ch findet sich als Begründung „weil evangelikale Christen und andere Religionen uns herausfordern“!
- Religiöse Antworten sind wieder akzeptabel nach Jahrzehnten, da sich die Reformierten aufs Fragen konzentrierten und sich auf das existentialistisch inspirierte Glauben ohne Grund kaprizierten, dem Antworten als Fixierungen verdächtig sind.
- Die Fragen und Antworten werden diskutiert. Der Kurs zielt darauf, die Christen gesprächsfähig zu machen. Das Geglaubte soll nicht im Verborgenen des eigenen Herzens bleiben, sondern zur Sprache kommen, im Dialog bewegt, geklärt und gefestigt werden.
- Das ist ein Impuls gegen die extreme Privatisierung reformierter Religiosität, ein grosser Fortschritt auch gegenüber dem „Selber denken. Die Reformierten“ (jener Plakatkampagne der Reformierten Medien hatte der Zürcher Kirchenrat die Zürcher Werbeflächen versagt).
- Bündige Antworten sind wieder genehm. Als Beispiel mag die erste Frage und Antwort dienen: „Was kann ich von Gott erwarten? – Mein Leben. Unablässig schenkt er mir mein persönliches und unverwechselbares Leben. Er macht mich lebendig. Er versöhnt und befreundet mich mit allem Lebendigen. Er verspricht mir unversiegbare Lebendigkeit. Gott ist mein Leben, wenn alles, sogar ich selbst, dagegen spricht. Er ist für mich.“
- Die Kursverfasser um Matthias Krieg, den Sprachmeister der Zürcher reformierten Landeskirche, formulieren präzis. Wir finden (teils berückend) einfache Sätze, die sehr vieles einfangen und so schlicht wie virtuos auf den Punkt bringen. Kriegs Team – eine Pfarrerin und zwei Pfarrer aus dem Tösstal – hat sich nach Bonhoeffers Vorgabe bemüht, den Gehalt des christlichen Glaubens in nichtreligiöser Sprache neu zu vermitteln.
- In dieser schlanken Form ist der Kurs für reformierte Kirchgemeinden, die Glauben neu ins Gespräch bringen wollen, ein interessantes Instrument. Dies umso mehr, als Glauben 12 die Pfarrerinnen und Pfarrer herausfordert, sich kurz zu fassen: Sie sollen nämlich an jedem Abend vier dieser Fragen behandeln, in zwei „authentischen“ Kurzreferaten à 15 Minuten die Diskussion über sie anstossen. Der Kurs erweist sich darin als pfarrerzentriert.
Zahlreiche wesentliche Fragen aufgenommen
Was bei der Durchführung herauskommt, wird von der Dynamik der Gespräche abhängen, die durch die Impulsvorträge ausgelöst werden. Bei den 48 Karten fällt inhaltlich auf, dass sie manche wesentliche Fragen enthalten, z.B. „Wie bete ich richtig?“ Weiter werden die Christin und der Christ durchgehend zum Engagement in dieser Welt, zur Einmischung in der Gesellschaft gerufen.
Eine erste Durchsicht der Karten weckt auch Fragen und Vorbehalte zur theologischen Stossrichtung und zum geistlichen Gehalt, darunter die folgenden:
- In Deutschland ist vor langer Zeit erkannt worden, dass „Christwerden“ von der Volkskirche neu thematisiert werden muss. (Einige Verfassser liessen sich den entsprechenden Württemberger Glaubenskurs vorstellen.) Auch die Zürcher Kirche nimmt das Wort „Mission“ wieder in den Mund. Doch was meinen die Sätze: „Mein Glaube wächst mit mir und meinem Leben. Auf meinem Lebensweg häutet er sich unentwegt“? Beabsichtigt ist reformierte „Selbstvergewisserung“, wie es Christoph Stückelberger vom SEK ausdrückte. Von der Hinwendung zu Christus, dem Retter der Menschen, ist nicht die Rede.
- Es geht um Gott, und dies so sehr, dass Christus in Gott verblasst. Gott „hat sich mir mit Jesus Christus erklärt. In seinem Leben lese ich Gottes Willen.“ So viele Evangelien-Texte der gut hundertseitige Leitfaden für die Pfarrer enthält – auf den Karten bleibt Gott der Sohn blass. Knapp heisst es, dass „Gottes Gnade ihn seinen Sohn gekostet hat“.
- Am selben Abend – es geht um Kreuz und Versöhnung – ist die Karte im Spiel, auf der steht: „Hier wird Gott Mensch und verschenkt Leben, damit alle Leben in Fülle haben und ganz Mensch werden.“ Die Antwort zur Auferstehung mündet in den Satz: „Ich glaube an mein letztes Aufstehen, wie Gott es Jesus bereits geschenkt hat.“
- Im Vordergrund steht die Partnerschaft des Menschen mit dem lebensfreundlichen Gott. Zwar wird Gott nicht auf diese beruhigende Dimension reduziert, die Unwägbarkeiten, Rätsel und Schmerzen des Lebens nicht ausgeblendet. Aber viele Karten kreisen um den Gott, der die Fülle des Lebens schenkt und den Menschen zu seinem Partner macht. Das mündige Geschöpf – auf Augenhöhe mit dem Schöpfer?
- Der Kurs will postmoderne Menschen ansprechen, doch ist er spätmodern, von der aus der Aufklärung stammenden kritischen Distanz zur Bibel geprägt. Die ersten Zeugen des Herrn Jesus Christus verwiesen auf das Wunder der Auferstehung; ihre Botschaft wurde durch weitere Wunder beglaubigt. Wunder – als Einbruch von Gottes Wirklichkeit in unsere rational begriffene Welt – faszinieren in der Postmoderne neu; dem trägt der Kurs zuwenig Rechnung
- Die Zürcher haben sich früh um eine Empfehlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds und weiterer Landeskirchen bemüht. Das Bemühen, Alphalive eine „reformierte Alternative“ entgegenzustellen, ist offensichtlich. Dass die Vorstellung eine Woche vor dem landesweiten Alphalive-Znacht geschah, befremdet.
- Die Karten bieten zahlreiche Anstösse zum Dialog und zum Bibellesen. Die Teilnehmenden sollen „im Gespräch mit anderen ihren Standort selbst bestimmen“. Es muss sich zeigen, wie SchweizerInnen, die aus fernen Religionen wie dem Buddhismus Anstösse aufgenommen haben, mit Glauben 12 eine christliche Identität finden und festigen können.
Glaubenskurs glauben12 im Internet
www.glauben12.ch
Meldung der Reformierten Nachrichten zu glauben12
www.ref.ch/rna/meldungen/8887.html
Glaubenskurs Alphalive
www.alphalive.ch
Datum: 03.09.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch