«Wir brauchen eine Hausreinigung durch den Heiligen Geist»
Diesseits des Atlantiks ernten TV-Evangelisten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten regelmässig Spott und Verachtung. Auch in den USA selbst gibt es bissige Kritik am «Wohlstands-Evangelium», das manche von ihnen verkünden. J. Lee Grady, Redaktor des führenden Szeneblatts 'Charisma Magazine', ärgert sich über manipulative Appelle etwa des Trinity Broadcasting Network. Die Prediger verdrehten heute die Schrift wie die Ablassprediger, gegen die Luther einst angetreten sei.
Als der US-Senat vor zwei Jahren eine Untersuchung des Geschäftsgebarens von sechs TV-Evangelisten startete, fand Grady dies sinnvoll. «Vielleicht ist der Herr verletzt dadurch, dass unser geliebtes Wohlstands-Evangelium einen Kult der Selbstbezogenheit erzeugt hat.»
Ansehen futsch
Grady, der auch an die Charisma-Werbekunden denken muss, sorgt sich ums Ansehen des Predigerstandes in den USA. «Viele Ungläubige denken heute bei Geistlichen an Fremdgehen, häusliche Gewalt, Scheidung, homosexuelle Affären und Hotelsuiten, die 10‘000 Dollar pro Nacht kosten», schrieb er 2008 in einer Kolumne. «Wir brauchen eine Hausreinigung durch den Heiligen Geist.»Wie das evangelikale Magazin 'Christianity Today' in einem Portrait Grady‘s schreibt, erinnert der Beobachter der charismatischen und pfingstkirchlichen Szene der USA immer mal wieder an die biblischen Standards. «Wir sollten alle zittern. Gott fordert Heiligkeit in seinem Haus und Wahrheit im Mund seiner Diener.» Im kommenden April soll sein Buch über das Ringen um geistliche Vollmacht «in einem Zeitalter der Halbheiten» erscheinen.
Viel Kritik schlug Grady letztes Jahr entgegen, als er das Verhalten von Todd Bentley in Lakeland in Florida hinterfragte. «Wenn wir bizarres Verhalten auf die Bühne bringen, geben wir zu verstehen, dass es so sein soll.» So werde ungeistliches Benehmen noch gefördert. Grady war auch nicht bereit, Bentley's Schuldeingeständnis einfach zu akzeptieren, als er nach seiner Scheidung im März 2009 mit dem Segen von Rick Joyner wieder heiratete.
Autoritäres Gehabe, Kritik unerwünscht
Grady, der bei den Southern Baptists aufgewachsen war, geriet mit 18 in die charismatische Bewegung hinein. Die Leiter der 70er-Jahre hätten oft autoritär agiert und dies nicht wahrgenommen, hält er heute fest.Russell Spittler, früherer Leiter des Fuller Theological Seminary in Pasadena, bringt die Blauäugigkeit von Pfingstlern und Charismatikern in Zusammenhang mit ihrem Verlangen, vom Geist spontan geleitet und bevollmächtigt zu werden. Gesunder Menschenverstand und geistliche Reife täten Not, um die Bewegung in Grenzen zu halten. Eine Forscherin hält fest, dass Pfingstler nicht den Geist dämpfen wollen, nach der Mahnung des Apostels Paulus, und sich darum der Kritik verschlössen.
Link zum Thema:J. Lee Grady und die charismatische Szene
Quelle: Livenet / Christianity Today
Datum: 07.12.2009
Autor: Peter Schmid