Eine Gemeinde denkt um
Matthias Wenk, Pastor in der Freikirche «BewegungPlus» in Burgdorf und Hindelbank, informierte am Agik-Forum am 30. April 2011 in Hägendorf über das Projekt und seine Auswirkungen. Die Gemeindeleitung ging davon aus, dass im Umgang mit Fremden – und Fremdem – Schweizer eine von vier Verhaltensweisen übernehmen: Sie lehnen zum Beispiel das Fremde rundweg ab. Oder sie können es akzeptieren, übernehmen es aber nicht. Möglich ist auch, dass jemand teilweise übernimmt, was ihm an Fremdem entgegenkommt. Oder es kommt sogar zu einer vollen Übernahme des Fremden und der Aufgabe der bisherigen Gewohnheit.
Die brennenden Fragen
Für christliche Gemeinden stellt sich die Frage, wie weit sie sich auf die Kultur und damit meistens auch auf die religiösen Bräuche von Menschen aus fremden Kulturen einlassen wollen. Die Frage wird dann aktuell, wenn eine Gemeinde Immigranten mit islamischem, hinduistischem und anderem religiösen Hintergrund Gastrecht gewähren will. Um hier den richtigen Weg zu finden, vertiefte sich die Gemeindeleitung intensiv in die biblischen Aussagen zum Thema Immigration und fremde Kulturen.
Anschliessend erarbeitete Matthias Wenk eine 10-teilige Predigtreihe, in denen biblische Personen mit Migrationshintergrund oder mit Migrationserfahrung näher betrachtet wurden: Der barmherzige Samariter, Maria und Josef, Daniel, Ruth, Cornelius und Onesimus. Antiochien wurde als Beispiel einer multikulturellen Gemeinde näher betrachtet. Begleitet war die Predigtreihe von konkreten Begegnungen mit Ausländern.
Ein Umdenken setzte ein
Die Folge: «Es rumorte manchmal in der Gemeinde», gesteht Matthias Wenk ein. Aber es gab auch eine intensive Auseinandersetzung zum Thema, besonders in den Kleingruppen, in denen die sonntäglichen Predigten während der Woche diskutiert wurden. Etliche hätten gemerkt, dass wir im Blick auf die Migranten „Angst-orientiert statt Chancen-orientiert“ sind, bilanziert Wenk. Ausserdem seien etliche Aktivitäten ausgelöst worden wie Kontakte zu Ausländergruppen und Asylantenheimen. Wenk: «Jemand hat sich entschlossen, einen ausländischen Zahnarzt aus einer andern Kultur zu wählen –, eine Handlung, die ihm vorher unmöglich erschienen wäre.»
Neue Einsichten
Auch für die Gemeindeleitung ergaben sich neue Einsichten. «Wir haben begonnen, die Gottesdienste für Gäste zu übersetzen», erläutert Wenk. «Und wir haben gemerkt, dass wir uns wieder stärker mit eschatologischen Fragen beschäftigen müssen.» Denn diese Auseinandersetzung mache deutlich, dass Christen «Fremde auf dieser Erde» sind, «Pilger auf dem Weg in die wirkliche Heimat». Diese Auseinandersetzung mache auch deutlich, dass Christen nicht einem Nationalismus huldigen könnten. Sie hätten aus biblischer Sicht vieles gemeinsam mit Migranten, die «als Fremdlinge unterwegs» sind. Diese Erkenntnis habe auch Auswirkungen auf politisch denkende Leute gehabt, so Wenk.
Die theologischen Erkenntnisse sind schliesslich in eine Broschüre eingeflossen mit dem Titel «Ausländer unter uns». Sie ist eine theologische Auseinandersetzung zum Thema vor dem Hintergrund der heutigen Flüchtlings- und Migrationswelle.
Das «Agik-Forum» wurde von der Arbeitsgemeinschaft für interkulturelle Kommunikation (Agik) der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) veranstaltet. Diese koordiniert und ermutigt die Arbeit von Gemeinden, Organisationen und Einzelpersonen, welche Kontakte zu Ausländern, Flüchtlingen und Migranten pflegen.
Datum: 05.05.2011