Hongkonger Pastoren halten stand

Trotz des Wegzugs von 46’000 Gläubigen

Die Flow Church in Hongkong
Die politische Krise hat viele Hongkonger zur Auswanderung bewegt. Doch die Pastoren vor Ort zeigen Durchhaltevermögen und entwickeln neue Strategien, um ihre Gemeinden weiterhin geistlich zu begleiten.

Im März dieses Jahres leitet Pastor Samuel Leung im Auditorium einer Grundschule am Stadtrand von Hongkong (wo übrigens eine Arche Noah in Originalgrösse steht) den letzten Lobgesang eines Sonntagsgottesdienstes mit etwa 200 Gemeindemitgliedern. Nahezu die Hälfte von ihnen ist über 60 Jahre alt; die Gemeinde verteilt deshalb Liedblätter mit grosser Schrift, um ihnen das Mitlesen zu erleichtern.

Leung steht seit über zwanzig Jahren der «Ma On Shan Ling Liang Church» vor. Noch vor wenigen Jahren war seine Gemeinde wesentlich grösser und deutlich jünger. Doch in den vergangenen fünf Jahren haben Hunderttausende Hongkonger die Stadt verlassen – ausgelöst durch das von Peking eingeführte nationale Sicherheitsgesetz, das die prodemokratische Bewegung in der einst britischen Kolonie unterdrücken sollte.

46'000 Gläubige verliessen die Stadt

Diese Auswanderungswelle traf viele Kirchen hart – auch Leungs Gemeinde: Rund 80 Mitglieder seien ausgewandert, hauptsächlich nach Grossbritannien oder in die USA. Unter ihnen waren Pastoren, Lehrkräfte, Juristen, medizinisches Fachpersonal sowie zahlreiche Familien aus der Mittelschicht mit Kindern.

Laut einer aktuellen Erhebung des «Hong Kong Church Renewal Movement» (HKCRM) verliessen zwischen 2019 und 2024 mindestens 46’000 Gläubige die Stadt. Weitere 6’000 erwägen derzeit den Wegzug.

Laut der HKCRM-Studie, die 778 der rund 1’300 chinesischsprachigen Kirchen Hongkongs erfasste, sank die physische Gottesdienstteilnahme bis 2024 auf 198’000 – ein Rückgang von 26 Prozent im Vergleich zu 2019. Etwa 26’000 Gläubige verfolgen die Gottesdienste online.

«Eine geeinte Gemeinde»

Einige kleinere Gemeinden haben sich inzwischen zusammengeschlossen andere halten mit reduzierten Teams ihren Betrieb aufrecht, berichtet Nelson Leung, Generalsekretär des HKCRM (nicht verwandt mit Pastor Samuel Leung).

Samuel Leung erklärt, dass die Sonntagsschule nicht mehr nach Schulstufen getrennt ist, sondern dass es nur noch zwei Gruppen für Grundschulkinder gibt. Rund 40 Kinder nehmen regelmässig teil, früher waren es über 100.

Mehr als 20 Mitglieder sind über 90 Jahre alt, das Durchschnittsalter der Gemeinde liegt inzwischen bei etwa 45. Die fehlende Jugend wirkt sich auch auf die Dynamik der Feiern aus. Dennoch bleibt Leung zuversichtlich: «Der Herr hat uns geholfen, eine recht geeinte Gemeinde aufzubauen.»

Schmalere Angebote

Nach dem Exodus sei nun Stabilität eingekehrt, sagt Leung – die Gemeinde könne wieder langfristig planen. Viele andere Kirchen kämpfen mit ähnlichen Herausforderungen. Eine andere Gemeinde geriet 2022 nach dem Wegzug von 40 Prozent ihrer 125 Mitglieder in finanzielle Schieflage. Der dortige Pastor – seit über 20 Jahren im Amt – erwog eine Gehaltskürzung. Trotzdem setzt die Gemeinde ihre diakonische Arbeit unter Bedürftigen in beengten Wohnverhältnissen fort. «Gott ist nicht so sehr daran interessiert, ob diese Kirche weiterbesteht, sondern ob sie ihre Aufgabe erfüllt, bevor sie vergeht», sagte der Pastor.

Eine Baptistenkirche mit mehreren Standorten musste nach dem Verlust von über 1’000 Mitgliedern – rund einem Viertel der Gesamtgemeinde – mindestens einen Standort schliessen. Eine andere Gemeinde hatte nach dem Weggang von 30 Prozent ihrer Mitglieder nicht mehr genug Mitarbeitende für die Sonntagsschule. Das verbliebene Team musste Klassen zusammenlegen und zusätzliche Aufgaben übernehmen.

Eine Gemeinde expandiert international

Während viele Gemeinden zurückfahren, kann die «Flow Church» expandieren.Trotz des Wegzugs von rund 120 Mitgliedern ist die Mitgliederzahl seit 2019 stabil geblieben, sagt Poon Chi Kong. Neue Gläubige seien hinzugekommen – viele durch das Onlineangebot der Kirche, das von theologischen Kursen bis hin zu satirischen Beiträgen zur Popkultur reicht.

Der Kontakt zu den Ausgewanderten ist nicht abgebrochen: Durch das Projekt «Outflow Mission» versammelt sich die Gemeinde mit ehemaligen Mitgliedern in englischen und kanadischen Städten zu gemeinsamen Gottesdiensten.

Die «Outflow»-Gruppen mieten Räume oder treffen sich in Kirchen anderer Gemeinden und verfolgen die Livestreams aus Hongkong. Mehrere Dutzend Personen kommen pro Standort zusammen. Wenn eine Gruppe sich verselbstständigen will, habe die «Flow Church» damit kein Problem, erklärt Poon Chi Kong.

Ableger in Manchester gegründet

Serene Chan ist eine von ihnen. Sie verliess die «Flow Church» in Hongkong und gehört nun zur «Outflow»-Gruppe in Manchester. Jeden Samstagnachmittag trifft sie sich mit rund 40 Hongkongern in der St. Luke’s Church.

Zuvor besuchte Chan einige lokale Kirchen. Doch sie habe mehr Zeit mit dem Verstehen biblischer Begriffe auf Englisch verbracht als mit der eigentlichen Teilnahme am Gottesdienst.

Serene Chan und etwa 20 weitere Personen gründeten 2022 die «Outflow»-Gruppe in Manchester – zunächst trafen sie sich alle zwei Wochen, inzwischen wöchentlich. Bei Outflow ist sie für die Power-Point-Präsentationen zuständig und leitet eine Kleingruppe. «Eine Kirche zu haben, die mit Hongkong verbunden bleibt, gibt mir ein stärkeres Gefühl von Zugehörigkeit.»

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Datum: 03.06.2025
Autor: Joyce Wu / Daniel Gerber
Quelle: Info Chrétienne / gekürzte Übersetzung: Livenet

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