Luther-Gedanken statt Luther-Gedenken
Der Reformationstag am 31. Oktober ist einer der Feiertage, die zwar im Kalender stehen, aber allgemein unbekannt sind. Völlig zu Unrecht, denn Doktor Martinus war kein Theologe, der sich spitzfindig oder kompliziert zu Themen äusserte, die niemanden interessierten. Luther war vielmehr derb und deutlich. Kein Wunder, dass noch heute keine Zitatensammlung ohne die Sätze des Reformators auskommt. Nebenbei prägte er damit nachhaltig die deutsche Sprache und erfand Wörter, die bis heute verwendet werden wie den «Feuereifer». Mit diesem zeichnete Martin Luther seine Schriften auf, die in der Weimarer Gesamtausgabe rund 80'000 Seiten umfassen. Vieles davon ist spürbar alt. Aber erstaunlich viele seiner Gedanken treffen auch heute noch den Nagel auf den Kopf. Sie eröffnen der Kirche und den Christen darin am Reformationstag und an jedem anderen Tag frische Perspektiven, die sie auch über 500 Jahre später noch brauchen.
1. Kirche und Konkurrenz
«Wo Gott eine Kirche baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben.»
Die einen Gläubigen ziehen sich zurück, weil sie laut Statistik inzwischen in der Minderheit sind und immer weniger werden, andere bauen auf MAGA-Strategien auch für die Gemeinde und träumen von neuer Stärke. Luther sah Kirche immer als umkämpft an, immer standen Alternativangebote daneben, aber schon immer war Gott selbst derjenige, der seine «Gemeinde bauen [will] und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen» (Matthäus, Kapitel 16,Vers 18). Diese Perspektive kann bis heute hilfreich sein.
2. Es geht um Gott
«Ein Schluck Wasser oder Bier vertreibt den Durst, ein Stück Brot den Hunger, Christus vertreibt den Tod.»
Bei aller Liebe zur Kirche unterstrich der Reformator immer wieder, dass es ihm zuallererst um den direkten Draht des Menschen zu Gott ging, um etwas, das ihm wichtiger war als sein geliebtes Bier oder sogar der lebenserhaltende Schluck Wasser: das Leben. Das Leben, das nur Gott geben kann, und das er in Christus gegeben hat.
3. Das richtige Bibelverständnis
«Es ist mit Gottes Wort nicht zu scherzen. Kannst du es nicht verstehen, so ziehe den Hut vor ihm ab.»
Heutigen Einordnungen in «bibeltreu» oder «textkritisch» verwehrt sich der Reformator. Allerdings bildet die Bibel («sola scriptura») ein wichtiges Fundament seiner Glaubensüberzeugung. Diese Erkenntnisse bleiben zwar auch bei Luther in Bewegung, aber seine Hochachtung gegenüber Gottes Wort besteht nicht zuletzt darin, es anzuerkennen, selbst wenn es gerade nicht ins eigene Leben spricht oder unverständlich erscheint. Für ihn steht fest: «In der Bibel redet Gott selbst mit uns wie ein Mensch mit seinem Freunde.»
4. Predigen und Reden
«Tritt frisch auf! Tu’s Maul auf! Hör bald auf!»
Heutiges Predigen ist für nichts davon bekannt. Aber so war es wohl schon zur Reformationszeit, sonst hätte Luther seine griffigen und angriffigen Sätze nicht so formuliert. Gute Nachricht lebt davon, dass sie weitergesagt wird, aber wir sollen sie nicht um jeden Preis loswerden, sondern so kommunizieren, dass sie auch ankommt. Die Bibel und ihre Botschaft werden nicht nur durch Luther und seine Kollegen «übersetzt», sondern durch alle, die sie ins Leben anderer hineinsprechen. Der Reformator hält zur Spannung aus Inhalt und Dauer fest: «Mit wenigen Worten viel zu sagen, ist eine Kunst. Eine grosse Torheit aber ist es, viele Worte zu gebrauchen und doch nichts zu sagen.»
5. Die Besitzfrage
«Ich fürchte nichts, weil ich nichts habe.»
Manche Ängste, die heute in den Medien verhandelt werden, drehen sich um den möglichen Verlust von etwas, das uns scheinbar zusteht, etwas, das wir bis jetzt hatten. Familie Luther war grosszügig im Weitergeben und Teilen, aber sie hatte nie grossen Besitz. Und Martin Luther ordnete dies durchaus geistlich ein. Er betrachtete Reichtum dabei weder als besonderen Segen Gottes noch als Grundrecht. Stattdessen sagte er: «Reichtum ist das geringste Ding auf Erden und das allerkleinste Geschenk, das Gott dem Menschen geben kann. Darum gibt unser Herrgott gewöhnlich Reichtum den groben Eseln, denen er sonst nichts gönnt.»
6. Luthers Sorgen
«Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.»
Sorgen haben die Menschen zu allen Zeiten geplagt. Doch der Reformator findet starke Worte, um sie abzuwehren. Sie sind da, aber sie müssen bei uns selbst kein Zuhause finden. Man kann sie verscheuchen. Wie das geht? Das erklärt er an anderer Stelle so: «Wer mit Traurigkeit, Verzweiflung oder anderem Herzeleid geplagt wird oder einen Wurm im Gewissen hat, derselbige halte sich ernstlich an den Trost des göttlichen Worts, darnach so esse und trinke er und trachte nach Gesellschaft und Gespräch gottseliger und christlicher Leute, so wird's besser mit ihm werden.» Die Kombination macht’s hier.
7. Glaube öffnet Türen
«Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade. Und solche Zuversicht macht fröhlich, mutig und voll Lust zu Gott und allen Geschöpfen.»
Typisch für Martin Luther ist, dass sein Bild vom Glauben sich nicht in Standpunkten und Lehrsätzen erschöpft – Glaube lebt! Und er ist lustvoll statt langweilig und mutig statt müde. Das ist ein Glaube, zu dem man auch heute noch ungeniert einladen kann, ein Vertrauen, das nicht aus der Zeit gefallen ist.
Luther-Gedanken
Weil Martin Luther viel gesagt hat und vieles davon aufgeschrieben wurde, wenn er es nicht selbst notiert hat, gibt es einen riesigen Fundus an Zitaten von ihm. Manches wirkt heute peinlich wie seine antisemitischen Äusserungen, manches ist nicht mehr zeitgemäss wie seine Sicht zum Antichristen, aber vieles ist immer noch hilfreich. Gerade weil sehr viele seiner Sätze über ihn und seine Zeit hinaus auf Christus zeigen. Dazu meint er selbst: «Die Worte Christi sind immer treffend. Haben Hände und Füße. Sie gehen über alle Weisheit, Ratschläge und List der Weisen hinaus.»
Zum Thema:
Dossier: Glauben wir einander den Glauben noch? 
Jubiläumsjahr 2025: 500 Jahre Täufer – das dritte Bein der Reformation 
Talk mit Stefan Schweyer: An Gott, nicht an den Glauben glauben 
                                    Datum: 31.10.2025
                                                      Autor: 
            Hauke Burgarth
      
                                    Quelle: 
            Livenet
      
                                  
 
            
     
     
                 
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
                                               
 
 
 
 
