Kapstadt und die Schweizer Christen
26 Schweizerinnen und Schweizer nahmen im vergangenen Herbst am 3. Kongress der Lausanner Bewegung für Weltevangelisation teil. Für sie referierten Debora Sommer und Urs Schmid am Forschungstag, den das Forschungsinstitut Gemeinde Schweiz (FIGS) und das Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) veranstalteten.
Grundsätzlich scheinen Weltkongresse in der Schweiz auf wenig Interesse zu stossen; sonst wären mehr als etwa 20 Teilnehmer der Einladung nach Olten gefolgt. Dabei hätten die Vielfalt, Opferbereitschaft und Hingabe vieler Christen aus der Zweidrittelwelt gerade bei Europäern einen enormen geistlichen Eindruck hinterlassen, hielt Debora Sommer eingangs fest. „Beschämend – ermutigend – herausfordernd“: so fasste sie ihre persönlichen Eindrücke zusammen und nannte, was Schweizer Christen vom „Geist von Kapstadt“, d.h. von der Haltung von Christen aus der Zweidrittelwelt, konkret lernen könnten:
- Einen Geist der Demut
- Einen Geist der Empathie (positiv mit anderen Christen und Vorgängen im Reich Gottes umgehen)
- Einen Geist der Ermutigung und des Vertrauens
- Einen Geist der Innovation
- Einen Geist der Standhaftigkeit
Konkrete Herausforderungen von Kapstadt
Dr. Urs Schmid, Pastor am Christlichen Zentrum Buchegg und Leitungsmitglied des FIGS, erläuterte, was Christen im Westen inhaltlich vom 3. Kongress für Weltevangelisation lernen könnten. Unter anderem betonte er die unbedingte Priorität von Evangelisation und Mission. Weil Leiter in Edinburgh 1910 eine neue Aera der Mission einläuteten, gebe es z.B. in Afrika, das vor 100 Jahren noch weitgehend unevangelisiert war, heute eine ganze Anzahl von Ländern mit über 20 Prozent bekennenden Christen. Auch in der Schweiz seien in den letzten Jahrzehnten immer wieder Werke, Bewegungen und Gemeinden entstanden, die der Evangelisation und der Mission Priorität geben – eine Unterscheidung übrigens, die zur Diskussion stand. Klar wurde gerade bei jungen Leitern: Mission ist heute weltweit und zu Hause.
Lernbereit oder selbstzufrieden?
Leidenschaftlich postulierte Urs Schmid weiterhin eine globale Perspektive gerade für Christen und Gemeinden in der Schweiz und fragte: „Sind wir stolzen Schweizer bereit von den Erfahrungen in aller Welt zu lernen und unsere Vision erweitern zu lassen?“
Auch Grossveranstaltungen hätten in der Geschichte der Mission eine wesentliche Rolle gespielt und dürften auch in unserem Land nicht aussterben. „Wir müssen den Power von Grossveranstaltungen nutzen“, forderte Schmid. „Gott hat uns reich gesegnet durch Evangelisationen mit Wilhelm Pahls, EXPLO-Konferenzen, Pro Christ (in Thun), PraiseCamp in St. Gallen usw.“ Auf solche Dynamiken dürften die Kirchen nicht verzichten.
Sonderfall Europa?
In Kapstadt – das wurde kritisch angemerkt – kam die spezielle Situation von Westeuropa als missionarische Herausforderung nur am Rande vor. Europa wird weltweit als geistliches Notstandsgebiet gehandelt. Allerdings gab es auch andere Perspektiven. „Was wenn Afrika oder Lateinamerika postmodern und einmal post-christlich werden sollte?“ fragte ein Teilnehmer. Wenn man hier mühsam lerne, das Evangelium in einer nachchristlichen Epoche neu zu buchstabieren, könne dies in Zukunft für andere Länder hilfreich sein.
Debora Sommer brachte abschliessend den Wunsch zum Ausdruck, dass das Evangelium auch die Schweiz mehr durchdringen könne. Wie Urs Schmid forderte sie eine neue „Auftragsorientierung“ der Gemeinden. Verbunden sein müsste sie mit einer „Bibelrevolution“ – das Buch der Bücher müsse überall und auf allen Ebenen neu geschätzt und gelesen werden.
Der Forschungstag zeigte: Schweizer Gemeinden müssen lernen, „glokal zu denken und zu handeln“, die lokale Gemeinde-Arbeit mit der globalen Perspektive zu ergänzen. Lausanne III in Kapstadt gab dazu hervorragende Hilfestellung.
Mehr zum Thema:
Livenet-Schlussbericht vom Weltmissionskongress in Kapstadt
Die Verpflichtung von Kapstadt (Abschlusserklärung)
Datum: 24.03.2011
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch