Missional denken

Wenn die Christen fehlen...

Wenn die Christen fehlen, fehlt der Gesellschaft Entscheidendes, sagte der täuferische Theologe Hanspeter Jecker. Ein Seminar auf dem Bienenberg plädierte für ein neues Denken über Mission.
Die Co-Referenten Frank und Ute Paul (rechts) im Gespräch mit einer Teilnehmerin.

Das Denken über Mission, so Dr. Bernhard Ott an einem Seminartag des Theologischen Seminars Bienenberg, ist grundsätzlich in eine Krise geraten. Der Idee, dass die «christliche» Kultur des Westens anderen Kulturen überlegen sei, dass das Heil von Europa und von Nordamerika her komme, wird immer lauter und öfter widersprochen. Die einstigen Kolonien im globalen Süden haben nach und nach Unabhängigkeit erlangt. Die christlichen Kirchen und Missionen, die sich lange im Dunstkreis der Kolonialmächte bewegten, gerieten damit auch in Misskredit und wurden zusammen mit den Kolonialherren nach Hause geschickt. Und überhaupt: wie christlich ist denn nun tatsächlich das alte Europa?

Katastrophale Auswirkungen

Das alte Paradigma war häufig mit der Vorstellung eines «christlichen» Westens verknüpft und wurde eng mit dessen Aussenpolitik und der Wirtschaft assoziiert, so Ott. Die alte Vorstellung sprach davon, dass Mission nicht «hier», also vor Ort geschieht, sondern «dort», draussen, in Afrika oder anderswo. Mission war eine von vielen Tätigkeiten der Kirche, delegiert an Spezialisten und Spezialinstitutionen. Es schuf Parallelstrukturen: Hier die Gemeinde, dort die Missionsgesellschaften. Es reduzierte Kirche auf die Rolle des Ressourcenlieferanten und des Geldsammlers.

Von den Täufern lernen heisst missional leben 

Interessant, dass man sich angesichts dieser Krise wieder auf täuferische Geschichte besinnt, so Dr. Hanspeter Jecker, der seit vielen Jahren deren missionarisches Leben studiert und Quellenforschung treibt. Das kirchliche und akademische Interesse an dieser Minoritätengruppe nehme wieder zu, und man anerkenne deren originellen Beitrag zur Welt. Freiwilligkeitskirche, Gewaltverzicht und eine gesunde Distanz zur Obrigkeit gehören dazu. Zwar stünde der Vorwurf im Raum, Täufer hätten sich von der Welt zurückgezogen oder führten nicht mehr zum Glauben. Mit Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert belegte Jecker, dass man zwar zur Busse und Umkehr aufgerufen, dabei immer auch der Stadt Bestes gesucht habe. Den Oberen der Städte war klar: Wenn diese Christen fehlen, fehlt der Gesellschaft Entscheidendes, so der Theologe.

Der «Turnaround» ist nicht billig zu haben

Sprache kann helfen, aber einfach nur Modebegriffe wie «missional» zu verwenden, reicht nicht aus, so Ott. Viele steckten immer noch im überholten Denken fest. Der Turnaround oder den Paradigmenwechsel im Verständnis von Mission zu vollziehen sei ein langer, steiniger Weg und er sei nicht billig zu haben. Er gehe einher mit Machtverzicht. Missionales Verständnis drückt sich vielmehr aus in einer dienenden Haltung, die sich auf die Kultur und den Kontext der Menschen bezieht. Zu verführerisch sei immer noch, Institutionen und Methoden zu betonen. Ott verwies in seinen Ausführungen auf Karl Barth (1932), der zum ersten Mal vom Teilhaben an Gottes Mission gesprochen hat und dazu ermutigte, sich am Wirken Gottes in dieser Welt zu beteiligen. Er zitierte desweiteren Dietrich Bonhoeffer mit der Kirche, die nur dann Kirche ist, wenn sie für andere einstehe. Bemerkenswert bezeichneten sowohl Ott als auch Jecker, wie in der missionalen Bewegung und Theologie in diesem Zusammenhang auf mennonitische Theologen wie John H. Yoder aufmerksam würden. Yoder sprach bereits vor vielen Jahren von einer neuen Gemeinschaft, «in der die Trennwände zwischen Menschen niedergerissen sind, nicht durch menschlichen Idealismus oder demokratische Regulierungen, sondern durch das Werk von Jesus Christus... Diese Gemeinschaft ist nicht nur Transportmittel des Evangeliums oder seine Frucht: dies ist die gute Nachricht. Diese Gemeinschaft ist nicht nur das Mittel der Mission oder die Basis einer Missionsgesellschaft. Sie ist die Mission.»

Datum: 16.04.2013
Autor: Dorothea Gebauer
Quelle: Livenet

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