Von Ambon nach Alexandria
Der schwere Bombenanschlag auf die Heiligen-Kirche in Alexandria in der Neujahrsnacht forderte 21 Tote. Er hat die Kopten Ägyptens gegen die Regierung aufgebracht. Das Regime Mubarak, das jede oppositionelle Regung unterdrückt und die Bevölkerung in den Zentren scharf überwacht, konnte den Anschlag nicht verhindern. Inzwischen hiess es, die Kirche sei auf einer langen Liste des Terrornetzwerks al-Kaida mit möglichen Anschlagszielen aufgeführt. Die Terroristen riefen Anfang Dezember „zu Sprengstoffanschlägen während Weihnachtsmessen“ auf und nannten 50 koptische Gotteshäuser in Kairo und Alexandria sowie in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien.
Empörung und Angst auch in Deutschland
Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel sandte ein Telegramm an Mubarak, in dem sie die Erwartung äusserte, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um derartige Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Politiker fordern eine andere Politik gegenüber dem Regime am Nil. Der CSU-Sprecher Hans-Peter Uhl verlangte eine eindeutige Distanzierung der gemässigten Muslime und warnte vor einem Übergreifen islamistischer Gewalt auf Deutschland. Nach dem Anschlag in Ägypten fürchten koptische Christen in Deutschland, ebenfalls ins Visier von Terroristen zu geraten. Auch koptische Christen hierzulande beklagten eine Bedrohung durch islamischen Terrorismus, sagte der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, am Montag im Bayerischen Rundfunk.
Weihnachtsfeiern mit Polizeischutz
Weihnachten ist auch in Indonesien, dem Land mit der grössten muslimischen Bevölkerung ein heisses Eisen. Vorher habe niemand Weihnachten als nationalen Feiertag in Frage gestellt, schreibt die englischsprachige ‚Jakarta Post‘ in einem Editorial. Weihnachten sei als Fest der Christen in religiös toleranter Atmosphäre durchgegangen. Dann kamen die Bomben, 31 Sprengsätze gegen Kirchen, Friedhöfe und Pfarrhäuser. Sie kosteten mindestens 16 Christen das Leben und traumatisierten die Gemeinschaft.
Seither werden Kirchen an Weihnachten von einem grossem Polizeiaufgebot bewacht. Der indonesische Terrorabwehrchef schloss trotz vielen Festnahmen weitere Attentate an Weihnachten nicht aus. Ein Experte in Aceh meint, dass die Islamisten heute mehr Intellektuelle in ihren Reihen hätten und eher Botschaften westlicher Staaten als Kirchen attackieren würden. Ein anderer äussert, die Terroristen hätten gehofft, mit den Anschlägen andere Muslime in ihren Kampf für einen islamischen Staat hineinzuziehen.
Zunehmende Intoleranz
Heute streiten indonesische Muslime darüber, ob sie Christen zum Fest gratulieren sollen. Interreligiöse Beziehungen sind nach der Zeitung zerbrechlich. Auf der Hauptinsel Java, deren Kultur als tolerant gerühmt wurde, haben islamistische Gruppen mit Mob-Taktiken 2010 die Schliessung von Kirchen durchgesetzt. Damit werden, so die Zeitung, die verfassungsmässigen Rechte von Christen geleugnet. „Dass der Staat religiöse Minderheiten nicht proaktiv schützt und jene, die im Namen der Religion Gewalttaten verüben, nicht bestraft, ergibt die Botschaft, dass Intoleranz zugestanden, wenn nicht gerechtfertigt ist.“
Ambon, die Hauptstadt der Molukken, ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Dort hatten sich Christen in Milizen zusammengerauft, um gegen fanatische Muslime, die sie vertreiben wollten, zu kämpfen. Zwischen 1998 und 2001 kamen gegen 10‘000 Personen bei Auseinandersetzungen und Anschlägen ums Leben. Die indonesische Frauenrechtsaktivistin Ratna Sarumpaet hat in einem Roman, der am 10. Dezember vorgestellt wurde, die mörderischen Monate aufleben lassen; sie prangert die Untätigkeit und provokative Parteilichkeit von Beamten, Offizieren und Politikern an. Recht und Ordnung wurden nicht durchgesetzt, die Einheimischen nicht vor Kriminellen geschützt. Nach einem schwierigen Jahrzehnt müssen Indonesiens Christen weiter auf der Hut sein. Weitere Konflikte stehen ins Haus, da starke islamistische Bewegungen Gemeinden erklärtermassen abwürgen wollen.
Datum: 04.01.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Jakarta Post