Arabische Welt

Chancen für die Christen?

Stellen die Volksbewegungen in der arabischen Welt für die christlichen Minderheiten eine Chance dar – oder gefährden sie ihren bisherigen prekären Status? Die Organisation Open Doors, die weltweit bedrängte Christen unterstützt, sieht Silberstreifen.
Koptische Christen in Ägypten

In islamisch geprägten Ländern sind Christen als Minderheit vielfach diskriminiert. Darüber hinaus gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den sieben in der Analyse besprochenen Ländern, in denen seit Januar junge Erwachsene den Gang der Dinge bestimmen: In Tunesien hat sich die Zugehörigkeit zum Islam mit einer gewissen Offenheit für die westliche Lebensweise gepaart; unter Ben Ali haben Islamisten (anders als in Ägypten und Algerien) nicht kraftvoll dagegen agitieren können. «Die christliche Minderheit hofft, dass ihr Traum von einer besseren Zukunft schon in absehbarer Zeit Wirklichkeit wird.»

Allein Ägypten hat eine starke christliche Minderheit (gegen 10 Millionen), doch war es den Kirchen unter Mubarak «nur gerade erlaubt zu existieren». Mit der Volksbewegung änderte sich dies: Als Beleg wird ein evangelischer Gottesdienst am 6. Februar auf dem Kairoer Tahrir-Platz angeführt. Sorge macht dem «Open Doors»-Beobachter der Umstand, dass sich am Nil «kein gemässigter, fortschrittlicher Führer innerhalb der Opposition abzeichnet».

Drohende Anarchie im Jemen

Die Aussichten im Jemen sind düster. Der heterogene, von Stammeskonflikten und dem religiösen Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten geschüttelte Staat könnte bei einem Sturz des autoritären Präsidenten Saleh auseinanderbrechen. Bisher wurden Einheimische, die sich dem christlichen Glauben zuwandten, regelmässig von ihren Familien bedroht.

Im algerischen Bergland der Kabylei haben sich Berber über die Jahrhunderte der Arabisierung widersetzt. Einige tausend wurden in den letzten Jahrzehnten Christen. Die Regierung hat seit 2006 christliche Aktivitäten verboten. Laut der Analyse ist die Bevölkerung gespalten: Säkular denkenden Algeriern stehen Islamisten verschiedener Schattierungen gegenüber. Wahlen könnten mehr Freiheit bringen.

Sozialer Sprengstoff

In Marokko birgt die hohe Arbeitslosigkeit in der jungen Bevölkerung viel Sprengstoff. Der Druck auf die wenigen einheimischen Christen ist mit der Ausweisung von Ausländern 2010 stark gestiegen. Jordaniens Christen halten sich still; ihre Leiter werden vom Geheimdienst überwacht. In Ghadhafis Libyen standen die wenigen einheimischen Christen unter enormem Druck. Gemeinden von Einheimischen konnten sich nicht bilden.

Die Analyse, offensichtlich vor dem libyschen Aufstand verfasst, schliesst mit dem Hinweis, dass die Christen in der arabischen Welt bürgerliche Gleichberechtigung und gleiche Chancen ersehnen. «Ein Machtwechsel kann die Situation der Minderheiten verbessern. Aber auch demokratische Wahlen garantieren noch keine Religionsfreiheit, wenn islamische Kräfte an die Macht kommen.»

Zum Thema:
Die Analyse im Wortlaut

Datum: 08.03.2011
Quelle: Livenet.ch

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