Aussichtslos?

Hoffnung, wo wir sie nicht erwarten

Frühling 2010: Ich erinnere mich, wie diese Zeit von der Gesuchsstellung eines B-Ausweises für Abbas geprägt war. Als alle nötigen Papiere vor uns lagen, diktierte er mir folgende Zeilen als Begleitbrief:
Ausländer
B-Ausweis

«Ich wohne nun seit mehr als neun Jahren in der Schweiz (Bern) und fühle mich in diesem Land wohl. Ich bin dankbar, dass ich als vorläufig aufgenommener Flüchtling hier auch im Arbeitsprozess integriert bin. In der Schweiz habe ich eine neue Heimat gefunden, ich habe Freunde geschenkt bekommen, habe eine Arbeitsstelle und fühle mich in der hiesigen Kultur sicher. Darf ich Sie bitten, wohlwollend mein Anliegen um ein Gesuch für einen B-Ausweis zu bearbeiten?»

Hinter diesen schlichten Zeilen stecken viel mehr Emotionen, als sich auf den ersten Blick vermuten lassen. Unsere Familie lernte Abbas Anfangs 2001 im Kleiderladen des «Dienst am Nächsten» kennen. Trotz grosser sprachlicher Schwierigkeiten (Abbas sprach weder Deutsch, Englisch noch Französisch) bemühte er sich, seine ersten gelernten deutschen Worte anzuwenden. Er zeigte uns Fotos aus seiner Heimat, von seiner Familie und es war deutlich, dass er unter Heimweh litt.

Nach einigen wenigen Begegnungen stellte er uns viele Fragen über Jesus und über unseren Glauben. Die geschenkte Bibel in seiner Muttersprache Farsi las er oft und bald war für ihn klar, dass er sich taufen lassen wollte. Abbas wuchs in unseren Familien-Freundeskreis und schätzte das gemeinsame Abendessen an den Sonntagen. Durch ihn lernten wir sehr viel über die reiche Kultur Persiens.

Wir erfuhren aber auch einiges über den erschwerten Alltag als Sans Papier (franz. Papierlos; ohne Aufenthaltsbewilligung) in der Schweiz. Abbas lebte in der Angst, jederzeit ausgewiesen zu werden. Eine Rückkehr in sein Heimatland kam für ihn, als vom Islam zum Christentum bekehrten Mann, einem Todesurteil gleich. Bereits vor drei Jahren begleitete ich ihn auf verschiedenste Ämter und wurde Zeuge, welcher Respektlosigkeit und Verachtung Menschen in solch spannungsvollen Situationen ausgesetzt sein können. Wir erlebten aber auch, wie Gott zu Abbas stand und ihm manchmal an den Orten, wo wir es am wenigsten erwartet hätten, überraschend grosse Gunst schenkte.

Abbas erhielt einen F-Ausweis (für vorläufig aufgenommene Ausländer), mit dem er nun einer Arbeit nachgehen durfte. Einen B-Ausweis (Aufenthaltsbewilligung) zu beantragen erschien aber hoffnungslos. Mit der Hilfe einer Mitarbeiterin von Swiss-Exile erstellten wir eine Liste der zu beschaffenden Papiere. Der Berg war kaum überblickbar. Unter anderem benötigte Abbas 20 persönliche Referenzen von Menschen, die ihn gut kennen und ihn für einen B-Ausweis empfehlen. Es war absolut berührend, welch wertschätzende und liebevolle Statements für Abbas geschrieben wurden.

Abbas setzte seinen Glauben auf Gottes Eingreifen, und heute ist er stolzer Besitzer des B-Ausweises! Auf diesem Weg bedankt sich Abbas bei allen, die ihn im Laufe der zehn Jahre unterstützt haben. «Ich bin so dankbar für meine Freunde, für die Vineyard-Gemeinde, den Dienst am Nächsten, für meine Arbeit und am meisten danke ich Gott. Er hat mich gesehen und mir geholfen.»

Datum: 23.08.2012
Autor: Lisi Rohner
Quelle: equipped

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