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Sportlerseelsorger besuchte die olympischen Spiele und die Paralympics. Daneben werden mehrere Camps durchgeführt und bald bricht eine Delegation auf nach Südafrika, um im Umfeld der Fussball-WM zu wirken.
Den Auftakt machte Regula C. Maag. Als Sportlerseelsorgerin beim olympischen Komitee akkreditiert, besuchte sie die Spiele im kanadischen Vancouver. Zwei olympische Dörfer waren aufgestellt, das eine in Vancouver selbst, das andere in Whistler, wo vorwiegend Skidisziplinen ausgetragen wurden. Der Ausrichter der Spiele ordnete an, dass in beiden Dörfern ein «Multi-Faith-Center» für mehrere Glaubensrichtungen geöffnet ist.
«Das Center in Whistler war sehr gut besucht, in erster Linie suchten Christen den Dienst auf», erinnert sich Regula C. Maag, die an beiden Orten, jedoch vorwiegend in Vancouver als Seelsorgerin engagiert war und auf viele Gespräche im Center wie auch im olympischen Dorf zurückblickt. «Ich war Ansprechpartnerin für Athleten. Es ist enorm, was da an Druck auf sie prallt und manche sind froh, wenn sie mit jemandem reden können, der nicht nach Resultaten und Zeit fragt.» Gerade auch der Tod des georgischen Rodlers habe grosse Betroffenheit bei den Teilnehmern ausgelöst. Im Center sei ein Kondolenzbuch eingerichtet worden.
Wenige Gewinner
Sowohl Athleten, die bereits gläubig sind, würden erscheinen, wie auch Interessierte. «An einer Sommer Olympiade erscheinen mehr Christen, da dann viele Afrikaner und Südamerikaner dabei sind», erklärt Maag. Unter den Bobfahrern und Eisschnelläufern habe es aber einige gläubige Athleten gehabt.Sie habe viele Sportler ermutigen können. «Die Olympiade ist im Februar, die Saison ist dann noch nicht vorüber.» Auch wenn es der Höhepunkt ist: «Es ist eine kurze Zeitspanne und man darf nicht an einer Enttäuschung hängen bleiben. Viele machen sich Hoffnungen aber zuletzt gewinnt nur ein kleiner Teil eine Medaille.»
Seit den Spielen in München 1972 werden Sportseelsorger offiziell akkreditiert. Regula C. Maag: «Es geht bei den Spielen um Leistung, was der Körper liefert. Aber der Mensch besteht nicht nur aus dem Körper sondern auch aus Seele und Geist. Es ist sehr wertvoll, wenn das abgedeckt ist.»
Südafrika und Davos
Unter anderem ist Athletes in Action in den kommenden Wochen nun in Südafrika und Davos engagiert. In Graubünden leitet die Bewegung einen Gottesdienst im Rahmen des Alpin Marathons und in Südafrika werden nach dem Ende der Fussball-WM evangelistische Projekte durchgeführt und Freundschaftsspiele ausgetragen.Daneben organisiert AiA zahlreiche Camps, unter anderem für junge Fussballer. Primo Cirrincione: «Die Lagerarbeit ist mir sehr wichtig, da sich selbst in einem solchen zum Glauben gekommen bin.» Eine Woche weg von daheim, die Leidenschaft am Sport, Emotionen ausleben und der Glaube - diese Kombination komme bei Kindern und Jugendlichen gut an.
Webseiten:
www.athletes.ch
www.sportlight.org
Adrian Hofmann an den Paralympics
Auf die olympischen Spiele folgten wenige Tage später in Vancouver die paralympischen Spiele 2010. Mit Adrian Hofmann war ebenfalls ein Seelsorger aus der Schweiz dabei. Hier Auszüge aus seinem Tagebuch:«Etwa zwei Wochen vor dem Abflug erwache ich immer wieder in der Nacht. Ich erwische mich dabei, dass ich kurze Andachten auf Englisch zu halten beginne. Für mich ist das dann der definitive innerliche Startschuss.
Wettkampfseelsorge an Grosswettkämpfen sind spezielle Tage. Sie sind speziell für mich, aber auch für mögliche Kunden. Unsere möglichen Kunden haben ihren Alltag verlassen um an diesen paralympischen Spielen um die Wette zu kämpfen.
Wahrscheinlich erwartet mich eine Beziehungsknüpfungszeit. Wenn es mir dabei gelingt, gelassen zu bleiben, dann bin ich ein guter Zuhörer. Ich werde dann für andere zur Klagemauer. Menschen erzählen mir gerne ihre Sorgen und Nöte. Ich kann ihnen meistens auch echtes Verständnis entgegenbringen, aber aus Erfahrung weiss ich, dass diese Menschen von mir fast keine konkrete Hilfe erwarten oder annehmen.
Meine Hauptaufgabe ist mir vertraut. Sie heisst: «Glauben säen und Glauben stärken.» Dabei geht es um den biblischen Glauben an den lebendigen und liebenden Gott. Aus dem Glauben an den liebenden Gott folgt ein liebender Lebensstil. Unsere Mittel dazu sind die Andacht, das Bibelstudium, das seelsorgerliche Gespräch, das Gebet und manchmal auch kleine praktische Hilfeleistungen wie zum Beispiel eine verschmutzte Hose waschen.
Einem Deutschen erkläre ich meinen Auftrag vor der Flugzeugtoilette. Der Mann, der eine Vermögensschwankung von plus 3 Millionen auf minus 400'000 und wieder hoch in die schwarzen Zahlen erlebt hat, kann sehr gut verstehen, dass Glauben und Seelsorge wichtig sind.
Meinen ersten Dienst habe ich dann kurz vor der Landung in Vancouver. Eine junge Frau mit einem schlafenden Kleinkind auf dem Arm ist mit den Nerven fix und fertig. Bis jetzt hat sie ihre Flugangst noch kontrollieren können. Aber jetzt, wo es im Landanflug etwas schüttelt, ist es um sie geschehen. «Ich will nicht hier sein», sagt sie mir mit Tränen in den Augen. Also halte ich ihre Hand, bis wir unten sind.
Nach 80 Kilometern stoppen wir in Sqamish. Dann geht es hinauf nach Whistler. Währenddem das Abfahrtsrennen im Nebel versinkt und abgebrochen werden muss, erzählt mir Dave ein wenig über meinen Arbeitsplatz im Multi-Faith Centre vom olympischen Dorf in Whistler.
Das Glaubenszentrum ist ein Teil des olympischen Dorfes, weil immer mehr Sportler und Sportlerinnen diese Unterstützung wünschen. Die Öffnungszeiten des Glaubenszentrums sind jeden Tag von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends.
Die Distanz von Vancouver nach Whistler ist ca. 130 Kilometer. Im Laufe des Nachmittages kommen wir dort an. Dave macht mit mir einen ersten Rundgang im olympischen Dorf. Dabei besuchen wir auch das erste Mal die Schweizer Delegation.
Als wir das Multi-Faith Centre betreten, ist da reger Betrieb. Ein russischer Funktionär schaut sich alles für Sotschi 2014 an. Ein Mongole kommt zum Bibelstudium, jemand wünscht Pater Maier zu sprechen. Ich orientiere mich noch ein bisschen und richte mich ein.
Meine Schicht beginnt um 11 Uhr und endet um 18 Uhr. Das Multi-Faith Centre wird von morgens acht Uhr bis abends neun Uhr von den christlichen Seelsorgern betrieben. Wir teilen uns auf in drei sich überschneidende Schichten. Zur Arbeit gehört das Betreiben des Zentrums, pastorale Dienste wie Morgen- und Abendandachten halten oder seelsorgerliche Gespräch führen. Diese beiden Teile finden intern im Multi-Faith Centre statt. Extern sind dann noch die Besuchsrundgänge.
Mein zweiter Besuch bei der Schweizer Delegation ist wirklich sehr erfreulich. Das Willkommen ist herzlich, wir frischen Erinnerungen auf und mir werden neue Leute vorgestellt. Eine Sportlerin hat heute einen guten Platz erreicht. Wir sprechen über Psychologie und Glauben. Ich kann ihr Grüsse von einer Athletin in Magglingen überbringen. Bei jemand anderem erkundige ich mich über den Verlauf einer Operation und wir diskutieren über Wachsprobleme bei Null-Grad-Rennen.
Um 10 Uhr ist es im Multi-Faith Centre sehr ruhig. Einzig ein Volunter sucht die Stille im Andachtsraum. Ich habe Schreibzeit und schaue mir dann ein bisschen die Wettkämpfe am Fernsehen an. Paralympische Spiele sind Spitzensport. Die Wettkämpfe werden an denselben Orten ausgetragen wie bei den olympischen Spielen. Das heisst, die Alpinen fahren dieselben Hänge herunter wie die Olympiateilnehmer und die Nordischen laufen über dieselben Loipen.
Eine Moslemfrau kommt zum Gebet. Sie grüsst freundlich und verschwindet im Islamic Worship Room for Women. Beim Verlassen des Centre nimmt sie ein christliches Buch vom Büchertisch.
Alle aus unserem Team hatten heute wieder gute Kontakte. Die Atmosphäre ist friedlich. Sie ist getragen von Anteilnahme, gegenseitigem Respekt und Wohlwollen. So langsam wird es familiär. Jeden Tag halten wir gemeinsam mindestens eine Gebets und Fürbittezeit ab. Jeder erzählt von Begegnungen, Sorgen, Nöten, aber auch Freuden der getroffenen Menschen. Dann beten wir gemeinsam.
Nach meinem Besuch bei der Schweizer Delegation stehe ich noch ein bisschen im Regen und sehe den Menschen zu. Irgendwie finde ich es komisch, dass während der Olympiade 220 Schweizer Fernsehleute da waren und jetzt sind es noch 15. Behinderten-Sport empfinde ich oft als sozialer. Der körperlich Behinderte leiht dem Blinden die Augen und so weiter. Auch die Zusammenarbeit zwischen körperlich gesünderen und weniger beweglichen ist von mir aus sehenswert. Hier gibt es viel zu lernen, und meiner Meinung nach wäre das auch fernsehwürdig.
Im Regen gehe ich zurück ins Multi-Faith Centre. Währenddem Pater Maier die Messe feiert, geht es Schlag auf Schlag. Der Direktor des olympischen Dorfes kommt, besichtigt alles, lobt die gute Zusammenarbeit und geht beeindruckt wieder. Als die Messe zu Ende ist, kommt die armenische Delegation mit zwei orthodoxen Priestern. Sie bringen ihr Kreuz in den Gottesdienstraum und schon halten wir zusammen eine Gebets- und Segnungszeit ab. Ich erinnere mich daran, dass früher, als ich noch in die Sonntagschule ging, das Geld immer für die Armenier gespendet wurde. Kaum sind sie gegangen, kommt J. und will Gebet und Bibelstudium. Stacey ist die geeignete Person für diesen Dienst.
Weitere Delegationen informieren sich, eine Frau wünscht ein Trauergespräch. Eine Nächste kommt für eine stille Zeit. Pater Maier hält die Messe und ein junger Mann kommt zum Bibelstudium.
Gegen Abend kommen wieder eher Menschen mit geistlichen Bedürfnissen. Jemand sucht die Stille, zwei Personen beten, jemand wünscht ein Bibelstudium. Eine Schweizer Athletin informiert sich über meine Arbeitsweise, hört sich eine Geschichte an und hat dann noch ein paar theologische Fragen.
Manchmal, wenn ich so im Bus sass, dachte ich daran, dass ich meinen Busfahrausweis auch dabei habe. Da hat es mich dann schon gejuckt und ich wäre gerne einen halben Tag selber gefahren. Ich weiss, dass ich zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, das richtige getan habe. Aber so gesegnet diese Zeit auch gewesen sein mag, ich freue mich auf zu Hause.»
Datum: 19.05.2010
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch