WM: «Public Viewing» trägt religiöse Züge
Gemeinsam gehe man zum Versammlungsort, es würden religionsähnliche Symbole gezeigt, Reliquien getragen, Rituale praktiziert, Gesänge angestimmt und auf ein «ekstatisches, gar transzendentes Aufgehen in der Masse gehofft», sagte Gugutzer. Der Gott, zu dessen Ehren dieses Fest abgehalten werde, sei jedoch kein bestimmter Fussballer und auch nicht der Sport, sondern das eigene Ich.
Bedürfnis nach Gemeinschaft
Der Wissenschaftler führt den Boom des «Public Viewing» auf das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit zurück. Wo sich die traditionellen Bindungen der Grossgruppen - Verwandtschaft, Nachbarschaft, Dorfgemeinschaft oder Kirchengemeinde - auflösten, suchten sich die Menschen neue, alternative Gemeinschaften. «Public Viewing ist eine harmlose Möglichkeit, die Identifikation mit einem Kollektiv, etwa der eigenen Nation, lustvoll, kreativ und mit Spass zum Ausdruck zu bringen», so der Soziologe.Die Sehnsucht nach Gemeinschaftserlebnissen speise sich aus dem Frust über die immer gleichen, auferlegten Anstrengungen des Alltags, fügte Gugutzer hinzu. «Wer die täglichen Routinen als wenig spannend erlebt, der möchte ausbrechen, sich eine Gegenwelt schaffen.» An dieser «Festivalisierung der postmodernen Alltagskultur» hätten alle teil, Männer wie Frauen, Junge wie Alte, Angehörige sozialer Unter- wie Oberschichten.
Kirchen laden zu Public Viewing ein
Zur Fussball-Weltmeisterschaft laden rund 2000 evangelische Kirchengemeinden in Deutschland zum Public Viewing ein. Kirche und Sport böten ein gutes Zusammenspiel, erklärten das Hilfswerk «Brot für die Welt» und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Fairness sei ein Wert, der auch in der Gesellschaft unverzichtbar sei. Zum Gastgeber Südafrika haben EKD und «Brot für die Welt» auch die Broschüre «Die Hoffnung ist rund» erstellt.Datum: 11.06.2010