Lausanne 4: «Es gibt keine Zweitklasschristen»
Vor 5000 Teilnehmenden erklärte Julia Garschagen, Leiterin des Pontes-Instituts für Wissenschaft, Kultur und Glaube in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Wichtigkeit von normalen Berufstätigen für die Ausbreitung schon des frühen Christentums. Anhand von vier Stationen in der Apostelgeschichte – Jerusalem, Philippi, Korinth und Rom – belegte sie, wie Christen ihren normalen Arbeitsplatz durch ihre Präsenz in «heiligen Boden» verwandelten. Selbst Paulus sei ein Werktätiger gewesen – wie es von einem Rabbi verlangt wurde – und habe wahrscheinlich in seiner Leder- und Zeltmacherwerkstatt viele Menschen auf den Glauben hin angesprochen. Der Gefängnisverwalter von Philippi erlebte Gott ebenfalls an seinem «Arbeitsplatz» – eine wahrhaft «erschütternde» Erfahrung, die ihn und seine Familie veränderte. Weiteres Beispiel: Lydia, eine erfolgreiche Unternehmerin.
«Deine E-mails sind deine Worshipsongs»
Mit der einfachen Wahrheit «Wir sind alle Vollzeiter» widersprach Garschagen der kirchengeschichtlich gewachsenen Zweiteilung der Christenheit in «Vollzeiter» und «Laien». «Es gibt kein Zweitklasschristentum im Reich Gottes; das Evangelium wird seit biblischen Zeiten vor allem von normalen Männern und Frauen weitergeschwätzt.» Das sei nichts anderes als das reformatorische Priestertum aller Gläubigen: «Wir tragen die Gegenwart Gottes mit uns, wo immer wir sind», so die Referentin. «Dein Arbeitsplatz, deine Firma oder dein Büro kann heiliger Boden werden. Du lehrst, du kochst, du arbeitest wissenschaftlich – und trägst die Gegenwart Gottes mit dir.» Zum Gottesdienst müsse man nicht in eine Kirche gehen. «Deine Telefonanrufe sind deine Lieder, deine E-Mails sind deine Worshipsongs.» Mit den Worten einer Bekannten, die ein Institut leitet: «Ich bin eine betende Gegenwart Gottes für meine Kunden.» Als Garschagen in England einmal zu einer Coiffeuse ging, begrüsste sie diese mit den Worten: «Ich habe keine Ahnung, wie ich deine Haare schneiden soll. Ich muss den Heiligen Geist fragen, wie ich das machen soll.»
«Plötzlich hat niemand mehr für mich gebetet»
Es sei bekannt: «Die meisten Menschen kommen nicht in eine Kirche. Wir müssen zu ihnen. Nicht als Pfarrer oder Prediger, sondern als Menschen, die Christus verkörpern.» Auch das Ziel des Paulus sei es gewesen, «einer von ihnen zu werden». Garschagen: «Programme gewinnen Menschen nicht – Menschen tun es.»
Die Referentin zitierte einen ehemaligen Pastor, der in einen «weltlichen» Beruf wechselte und die Erfahrung machte: «Plötzlich war da keiner mehr, der für mich betete.» Das Heer der Berufstätigen in allen Bereichen der Gesellschaft als evangelistische Kraft müsse in der Kirche anerkannt, erwähnt und immer wieder im Gebet getragen werden.
Konsequentes Christsein im Job brauche Mut und könne auch Konsequenzen haben, so Garschagen. Sie berichtete von einem Bekannten, der als Investmentbanker und Christ nicht in die Waffenindustrie investieren wolle («wo das grosse Geld liegt») – und fortan als schwarzes Schaf in seiner Branche gegolten habe.
Der Kongress «Lausanne 4» versteht sich ein Katalysator, um die vierfache Vision der Lausanner Bewegung voranzubringen – das Evangelium für jeden Menschen, Gemeinden von Jüngern für jedes Volk und jeden Ort, christusähnliche Leiter für jede Kirche und Auswirkungen des Reiches Gottes in jedem Bereich der Gesellschaft. Rund 25 Prozent der Teilnehmer sind unter 40 Jahren, 40 Prozent Frauen und 40 Prozent «normale» Berufstätige, also keine kirchlichen Leiter. Der Kongress findet noch bis Sonntag in Korea statt.
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Datum: 27.09.2024
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet