Paradies für Forscher

Geheimarchiv im Vatikan wird 400 Jahre alt

Das Vatikanische Geheimarchiv gilt als Paradies für Forscher und Kirchenhistoriker. Auch Bestsellerautoren und Verschwörungstheoretiker finden Anregungen durch diese Akten.
«Vatikanische Geheimarchiv»: 85 Kilometer Akten.

Das «Vatikanische Geheimarchiv» wurde vor 400 Jahren, am 31. Januar 1612, von Papst Paul V. gegründet. Die Prozesse gegen Martin Luther und Michelangelo, skandalöse Papstdekrete oder die Zusammenarbeit mit den Nazis – im geheimen Archiv des Vatikans lagern Dokumente aus acht Jahrhunderten. Um die Bibliothek ranken sich viele Sagen und Mythen.

Über den Ruf, der Archiven im Allgemeinen vorauseilt, nämlich langweilig und verstaubt zu sein, kann sich dieses Archiv kaum beklagen. Im Gegenteil: Das päpstliche Aktenlager gilt vielen als hermetisch abgeriegelter Hort grosser Menschheitsgeheimnisse und verschwiegene Kulisse finsterer Machenschaften.

85 Kilometer Akten

Spätestens seit Dan Browns Thriller «Illuminati» wurde das Archiv auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dabei wirkt die Beschreibung des Archivs auch ohne die Fantasie eines amerikanischen Schriftstellers durchaus beeindruckend: 85 Kilometer Kirchengeschichte lagern hier nicht weit von der Sixtinischen Kapelle, wenn man alle Akten in eine Reihe legen würde, vom 8. Jahrhundert bis in die Gegenwart; von der Rechnung für päpstliche Weinlieferungen bis hin zu den Akten über die Rolle von Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs.

Die historischen Dokumente stehen ordentlich in Metallregalen, in die Bibliothek fällt kein Tageslicht. 55 Mitarbeiter bewachen und pflegen die Schätze.

Wie geheim?

Wie geheim ist das «Vatikanische Geheimarchiv» nun wirklich? Die Verschwörung beginnt für manchen schon mit dem Namen: Der Zusatz «geheim» bedeutet jedoch keineswegs, dass in den Räumen des Archivs unbequeme Wahrheiten vor der Öffentlichkeit verheimlicht werden sollen. Er besagt lediglich, dass es sich um ein privates Archiv handelt, das Archiv des Papstes und nicht um ein Archiv in öffentlicher Trägerschaft. Andere Stimmen behaupten, dass es durchaus möglich ist, dass gewisse Dokumente doch nicht zugänglich sind.

Jährlich kommen rund 1‘500 Wissenschaftler aus über 60 Nationen in das Archiv, Katholiken und Nichtkatholiken. Entscheidend für die Erteilung einer Nutzungserlaubnis ist nicht der Taufschein, sondern die wissenschaftliche Seriosität: Zutritt erhält, wer ein Studium abgeschlossen hat und ein Empfehlungsschreiben seiner Universität vorweisen kann.

Papst im 2. Weltkrieg

Wenn in der Öffentlichkeit vom Vatikanischen Archiv die Rede ist, dann geht es meist um Eugenio Pacelli, den Papst, dem Kritiker vorwerfen, nicht entschieden genug für die Rettung von Juden vor dem Holocaust eingetreten zu sein. Immer wieder ist zu hören, der Vatikan verzögere die Freigabe der Akten, weil er unangenehme Wahrheiten über diesen Papst verheimlichen wolle.

Bald soll es soweit sein: Die Dokumente aus der Zeit Pius XII. werden voraussichtlich 2014 oder 2015 für die Wissenschaft allgemein zugänglich gemacht.

Ausstellung in Rom

Schon in wenigen Wochen zugänglich und das nicht nur für Wissenschaftler sind 100 ausgewählte Dokumente des Vatikanischen Geheimarchivs, die vom 1. März 2012 an in den Kapitolinischen Museen in Rom ausgestellt werden. «Licht auf die Geheimnisse», lautet der Titel der Schau, in der erstmals eine grössere Zahl von Dokumenten des Vatikanischen Geheimarchivs augestellt werden.

Unter anderem werden die Briefe der Mitglieder des englischen Parlaments an Clemens VII. bezüglich der Hochzeit von Heinrich VIII, die Akte des Prozesses gegen Galileo Galilei, die Bulle zur Absetzung von Friedrich Barbarossa, die Bannbulle gegen Martin Luther und die Dokumente zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zu sehen sein.

Datum: 30.01.2012
Quelle: Livenet /Kipa / Zenit

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